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Ein Sonntagabend Anfang März 1982

Martin Seifritz war leicht gereizt, als es an der Haustür klingelte. Der 48-Jährige erwartete weder Besuch noch wäre er an diesem Sonntagabend darauf eingestellt gewesen. Aber vermutlich war es wieder mal Manuela, seine ältere Tochter, die sich erst vor einer halben Stunde mit ihrem Freund verabschiedet hatte, um Richtung Tübingen zu fahren, wo sie Jura studierte. Oft genug schon hatte sie etwas vergessen.

Seifritz, angesehener Chef der Kreissparkasse Göppingen und seit zwei Jahren verwitwet, wollte das Wochenende vor dem Fernseher ausklingen lassen. Während die jüngere Tochter Marion im Obergeschoss Musik hörte, hatte er es sich gerade im Wohnzimmer beim Fernsehfilm Der Hauptmann von Köpenick gemütlich gemacht, den das ZDF anlässlich des 80. Geburtstags des Hauptdarstellers Heinz Rühmann zeigte.

Deshalb nervte das Klingeln an der Haustür. Seifritz sah auf die Uhr, erhob sich und drückte missmutig auf den Türöffner, fest davon überzeugt, dass gleich eine atemlose Manuela hereinstürmen würde, weil sie möglicherweise etwas vergessen hatte.

Doch Augenblicke später war alles anders: Im fahlen Licht der Diele tauchten zwei Gestalten auf und ließen hinter sich die Haustür zufallen. Einer war wie ein Polizist gekleidet, der andere zivil. Beide vollbärtig, die Augen mit großen Sonnenbrillen verdeckt, lange Haare. Seifritz stockte der Atem, ein nie gekannter Schock übermannte ihn. Erster reflexartiger Gedanke beim Anblick der grünen Polizeiuniform: War Manuela, der 21-jährigen Tochter, etwas zugestoßen? Ein Unfall?

Seine Augen hingen für eine Sekunde an dem Uniformierten, der doch zweifelsohne ein Polizist sein musste. Mit Mütze und dem baden-württembergischen Landeswappen am Ärmel des Anoraks. Gleich würde dieser Beamte eine schlimme Nachricht überbringen. Aber die große Sonnenbrille und möglicherweise eine Perücke mochten nicht zu einem seriösen Polizisten passen. Schon gar nicht jetzt, an diesem dunklen Märzabend.

Und auch der andere Mann, der zivil mit einem Trenchcoat bekleidet war, als sei er ein Kriminalist, trug ebenfalls eine große Sonnenbrille und wirkte genauso wenig vertrauenserweckend.

Seifritz stand wie gelähmt, spürte den Schreck in allen Gliedern – als sei sämtliches Blut in ihm gefroren. Denn augenblicklich erkannte er, was der Uniformierte versteckt gehalten hatte und nun auf ihn richtete: den Lauf einer Maschinenpistole. Die Hände in Handschuhen. Nein, das war kein Polizist.

Der andere hatte seine Hände tief in den Taschen vergraben. Ausgebeulter Stoff ließ eine verborgene Waffe befürchten.

Seifritz war sich schlagartig der Situation bewusst. Überrumpelt in der Wohnung. Keine Aussicht auf Hilfe. Überfallen und eingesperrt im eigenen Haus.

Im Berufsleben war er es als Bankchef und früher auch als Erster Staatsanwalt gewohnt, rational zu denken und entsprechend zu handeln. Jetzt verspürte er Ohnmacht, Panik und Angst. Gedemütigt und in grenzenloser Sorge um Marion, die sich im Obergeschoss aufhielt. Dazu die schreckliche Ungewissheit, was sie mit seiner anderen Tochter gemacht hatten, mit Manuela und deren Freund. Unterwegs auf der Fahrt nach Tübingen abgefangen?

»Wo ist die Frau?«, fragte der Uniformierte völlig unaufgeregt, als sei er sich ganz sicher, dass eine Ehefrau da sein müsste. Noch bevor Seifritz etwas erwidern konnte, traf ihn die Stimme des anderen Mannes ins Innerste: »Seien Sie still, sonst gibt es ein Blutbad.«

Seifritz stand wie erstarrt. »Blutbad«, hallte es in seinem Kopf nach.

»Wo ist die Frau?«, wiederholte der Uniformierte weiterhin ungewöhnlich ruhig.

Seifritz erwiderte mit zitternden Lippen: »Nur meine Tochter ist oben.«

Der Uniformierte fuchtelte mit der Maschinenpistole und bugsierte mit seinem Komplizen Seifritz ins Obergeschoss, wo Marion, die Musik gehört hatte, beim Auftauchen der Männer keinen Laut herausbrachte.

»Ihnen geschieht nichts, wenn Sie tun, was wir sagen«, versuchte der Uniformierte, die spannungsgeladene Atmosphäre mit leiser Stimme zu entschärfen.

»Was wollen Sie?«, wagte Seifritz einen ersten energischen Vorstoß.

Doch statt einer Antwort folgte die unmissverständliche Anweisung, dass Vater und Tochter getrennt würden: Er sollte sich im ehelichen Schlafzimmer aufs Bett legen, Marion in ihrem Zimmer.

Seifritz fühlte panische Angst: Überfall, Mord? Widerstand erschien sinnlos. Allein schon, wie der Uniformierte mit der Maschinenpistole hantierte, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass die beiden nicht mit sich verhandeln ließen. Seifritz flehte die Gangster an, ihn nicht von der Tochter zu trennen. Die Täter ließen sich erweichen: Marion durfte sich neben ihren Vater auf das Ehebett legen. Dort mussten sie jeweils eines ihrer Handgelenke an das des anderen fesseln lassen – mit einer metallischen Handschließe. Jetzt war jeglicher Fluchtversuch vollends unmöglich.

Seifritz, den der rasende Puls atemlos gemacht hatte, riskierte noch einmal die Frage: »Was wollen Sie denn?«

»Fünf Millionen«, gab einer der Räuber zu verstehen und setzte sich seelenruhig neben dem Bett auf einen Stuhl.

Der Bankchef versuchte, wieder langsamer zu atmen, sachlich zu bleiben. »Wo wollen Sie die herkriegen?«

Antwort: »Das ist Ihr Problem. Sie sind doch der Bankdirektor.«

Am nächsten Morgen, noch vor Geschäftsbeginn, sollte das Geld beschafft werden. Doch bis dahin lagen acht qualvolle Stunden vor ihnen.

Die Gentlemen-Gangster

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