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Ausdrücklichkeit, Eigenbewegung und Dinglichkeit

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Sobald jedoch durch die Bildung eines Zentrums ein realer Unterschied am Körper selbst aufgetreten ist, ändert sich auch positional das Ganze und die Grundlage für alle diejenigen Erscheinungen, die an die Existenz des Bewusstseins geknüpft sind, ist geschaffen.1

Zwar besitze ein solches Lebewesen „Wirklichkeit“2, doch bleibe diese doppeldeutig, denn es habe Distanz zu seinem Körper und sei sein Körper, ohne dass diese Verdopplung Eindeutigkeit berge. Ein solches Lebewesen „ist selbst – in ihm“3. In der topologischen Metaphorik Plessners wird das Zentrum nun zum im Körper liegenden ortlosen Hier, einem nicht relativierbaren und wesenhaften Ort, und dieses Selbst nun vermittelt zwischen dem den Körper Habenden und dem Körper Seienden und verwandelt sich somit in ein Selbst besonderer Art, es verwandelt sich in „ein rückbezügliches Selbst oder ein Sich.“4 Das Tier merke wohl sich und sei seinem Umfeld ein Gegenüber, doch es sei sich nicht als ein Ganzes dieser beiden Tatbestände gegenwärtig. Es handele aus seiner Mitte heraus, besitze Spontaneität, ein echtes Beginnen, doch es sei sich nicht selbst als ein Beginnendes, Körper Habendes und mit dem Umfeld als ein gegenüber Seiendes gegenwärtig, sich nicht mehr selbst gegeben. Diesen Sachverhalt bezeichnet Plessner als „Frontalität“5.

Grenze, Organisiertheit, geschlossene Form, Zentrum oder Selbst und Frontalität treiben eine Bewegung voran, die Plessner mit dem Adjektiv ausdrücklich belegt, und er meint damit eine Dynamik des In-Freiheit-setzens, dem aus der Komplexität eines Ganzen sich entwickelnden Neuen:

In dieser Distanz des Kerns seiner Positionalität, in dieser Abgehobenheit seiner raumzeithaften Mitte erkannte die Untersuchung Zug um Zug den Grund für seine Bewußtheit. Kern, Mitte, die positional überhaupt den Wert des Selbst (etwa in der Wendung: die Blume selbst als Trägerin ihrer Eigenschaften), des Subjekts des Habens besitzt, erhält durch die Distanz (in der geschlossenen Organisationsform) nicht etwa einen neuen Wert und Sinn, sondern er wird sozusagen nur in Freiheit gesetzt, er wird, was er an sich ist, ausdrücklich: Blickpunkt für eine Sicht, Subjektspunkt einer Bewußtheit.6

Ausdrücklich werden heißt dann charakteristisch werden, heißt jene Form zu gewinnen, die in einer Tendenz angelegt sei, diese ausführen, zu steigern, herauszutreiben und damit zu interpretieren. Es handelt sich um eine Dynamik, die durch das Ontisch-Werden der Grenze in Gang gesetzt wurde. Es ist, als interpretiere die Natur selbst das lebendige Ding in seiner Form, seiner Gestalt und als Resultat der Reibungen der gegensinnigen Grenzhaftigkeit. Darin jedoch erkennen wir genau die Absicht des Autors, der eine Philosophie des Lebens sucht, welche unter dem „Gesichtspunkt“7 der Grenzhaftigkeit die Phänomene des Lebendigen denkbar werden lässt. Zudem erlaubt die topologische Metaphorik Plessners die Eingliederung des Bewusstseins in das Phänomen des Lebendigen und überwindet so die von Descartes gesetzte Kluft zwischen res cogitans und res extensa.

Man darf keinen Wechsel in der Methodik darin sehen, wenn hier, bei den lebendigen Körpern, die geschlossen geformt sind, das Sein ins Bewusstsein sozusagen umschlägt und aus einem Kern ein Aspektzentrum wird.8

Innerhalb der Lebewesen mit geschlossener Form konstatiert Plessner eine Spaltung in jene, die dezentral oder die zentralistisch organisiert sind. Zwischen Merken, gehemmter Erregung und Wirken, enthemmter Erregung spanne sich die Sphäre des Bewusstseins, eine raumhaft innere Grenze, „der Hiatus, die Leere, die binnenhafte Kluft, durch die hindurch auf den Reiz die Reaktion erfolgt.“9

Diese Sphäre gelte es nun, ausdrücklich zu machen. Die Natur scheine zwei Formen entwickelt zu haben, wie diese Kluft zu überbrücken sei. Zum einen vermittelst Einschaltung des Bewusstseins in die Lösung der Aufgabe des Lebens, zum anderen vermittelst der weitgehenden Ausschaltung von jenem. Bei weitgehender Ausschaltung des Bewusstseins erreiche die Natur einen höheren Grad an Sicherheit in den Reaktionen des Lebewesens. Einschaltung des Bewusstseins bedeute den Zwang zu zunehmender Breite der Anschauung und eine entsprechend anwachsende Unsicherheit und Rückstellung der Instinktreaktionen.

Die Aufmerksamkeit wird von dem Objekt der Bewegung auf die Bewegung als Objekt herübergezogen. Zersplitterung ist unvermeidliche Folge: Die Unbefangenheit ist dahin, der sichere Ausgang der Handlung, welche die volle Hingabe ans Objekt erfordert, in Frage gestellt.10

Im Zentralorgan repräsentiere sich mehr und mehr Umfeld, dieses rücke dementsprechend vom Tier ab und gewinne an Struktur, werde zu Merk- und Wirksphäre, zu „Signalfeld und Aktionsfeld in Einem“11. Optische, akustische und taktile Gehalte zeigten sich nicht mehr unkoordiniert, sondern entbergen im Umgang mit dem Gegenstand eine dauerhafte Dingstruktur, indem das Tier die Beziehung zwischen Merken und Wirken am Umfeld erlebe.

Was als Struktur der Haltbarkeit am Dinggebilde auftritt, ist in Wahrheit sein Bezug zur Motorik des Lebewesens, welches das Ding wahrnimmt. In dieser besonderen Schematisiertheit auf die vitale Aktion besteht für ein Zusammen sinnlicher Gehalte seine Dinglichkeit. Lenkbarkeit der Bewegungen mit dem eigenen Körper (auf Grund der Empfindbarkeit der Bewegungen) und dingliche Struktur des Umfeldes entsprechen einander. Zentralistische Organisation eines lebendigen Körpers und Auftreten von Dingen in seinem Merkfeld sind notwendig koexistent.12

Das geschlossen zentralistisch organisierte Lebewesen könne Dinge haben. Die Organisation des Zentralorgans bedinge die Modalität der Repräsentation, und ein zeitlich und räumlich organisiertes Lebewesen habe Raum und Zeit. Es gibt mithin kein stärkeres Argument für die räumliche Beständigkeit der Welt, für die räumliche Organisation des Gehirns als die Ausbildung der Gleichgewichts- und Raumsinnesorgane, welche den durch die Eigenbewegung des Lebewesens sich ständig verändernden Standpunkt in eine Konstante verwandelt. Das in sein Gleichgewicht gebrachte Innen eines Lebewesens zeigt seine relative Unabhängigkeit, seine relative Ferne zu seinem Umfeld, ohne dieses jedoch tatsächlich zu verlassen, sich ihm zu überheben. Das Lebewesen verbleibt mit diesem in Beziehung, doch es hat sich einen Spielraum, einen Abstand geschaffen, welcher ihm ein Sein und eine Existenz gegenüber dem unbelebten Sein gestattet. Deshalb haben zentralistisch organisierte Lebewesen eine Wahrnehmungswelt, die beim Menschen unter der „Ordnungsform der Dinglichkeit“13 stehe. Denn anders als beim Tier, dem der „Sinn fürs Negative“14 fehle, grundiere das Abwesende selbst die Anwesenheit der Gegenstände. Das Negative garantiere die Unabhängigkeit der Gegenstände als solche für unser Bewusstsein, denn es löse sie aus ihrem Zusammenhang heraus und auf dem Hintergrund der Leere könnten sie als Einzelne dem Bewusstsein erscheinen. Dem Tier hingegen erschienen die Gegenstände als Qualitäten in ihrem komplexen Zusammenhang mit anderen Eindrücken.

Hierbei zeigt sich, dass jede Stufe des Bewusstseins ein Verhältnis zum Einzelnen und zum Allgemeinen hat, dass sie in primitiver Form nicht voneinander geschieden sind und erst auf der höchsten uns bekannten Stufe menschlichen Bewusstseins gegeneinander treten.15

Einzelnes im komplexen Zusammenhang mit Anderem ohne eine erweiternde, ins Unerreichbare hinausweisende Öffnung des Wahrnehmungsfeldes kann vom Tier begriffen und aktiv – d.h. vom Trieb angestoßen – angegangen werden. Dieser komplexe Zusammenhang einer relativen Angreifbarkeit ans Einzelne gestatte dem Tier, es auch soweit anzugehen und zu behandeln. Doch bleibe ihm das Einzelne als Individuum verschlossen. Das Ganze der Wahrnehmungswelt des Tieres in seiner Position der Frontalität breche ihm nicht ins viele Einzelne der Dinge, auch nicht ins Typische auseinander16. Es bleibe als eine Einheit notwendig bestehen, da dieser Wahrnehmungswelt noch ihr Pendant, die vollständig rückbezüglich gewordene Wahrnehmung der Wahrnehmung des Lebewesens nicht gegeben sei, und somit ebenfalls auch kein Negativum, keine Leere, welche den Raum für die Individuierung der Dinge erst hervorbringe.

Transzendierende Immanenz

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