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Die Doppelaspektivität der menschlichen Innenwelt: erlebnisbedingend wie erlebnisbedingt und die Möglichkeit von Kunst
ОглавлениеIst mit der vollständigen Rückbezüglichkeit des Erlebens im Erleben die Struktur der exzentrischen Positionalität des Menschen erfüllt, verwandelt sich das von Dingen erfüllte Umfeld des Lebewesens Mensch in die von der Leere grundierte Außenwelt des Kulturwesens Mensch. In dieser sind Raum und Zeit Leerformen, „Manifestationen des Nichts“1.
Der Exzentrizität der Struktur des Lebewesens entspricht die Exzentrizität der Lage oder der unaufhaltsame Doppelaspekt seiner Existenz als Körper und Leib, als Ding unter Dingen an beliebigen Stellen des Einen Raum-Zeitkontinuums und als um eine absolute Mitte konzentrisch geschlossenes System in einem Raum und einer Zeit von absoluten Richtungen.2
Es handelt sich beim Doppelaspekt um die Beschreibung einer einzigen Welt. Es ist keine Zweiweltenlehre, sondern ein Erleben aufgrund eines inneren Prozesses der Dissimilation und Assimilation in der Einheit des Organismus, welcher notwendig zur Aspektivität der Welt führt. Ohne diese innere Zerfallenheit oder Zwang zur Organisation des Organismus jedoch wäre überhaupt keine Welt, kein Bewusstsein und schon gar kein Selbstbewusstsein. Im Unterschied zu Descartes, welcher der Welt als Körper alle Wahrheit, der Welt als Leib aber einzig den Schein zusprach, wird bei Plessner die Welt als Körper-Leib zur Bedingung der Möglichkeit für die Erscheinung von Welt überhaupt. Wiederum undialektisch heben die Aspekte sich nicht in ein höheres Ganzes auf, sondern bleiben als solche bestehen. Materiell handelt es sich hierbei auch um keine voneinander trennbare Zonen. Die Untersuchungen zur Ontologie des Lebendigen zeigen die Bedingungen der Möglichkeit für das Lebewesen Mensch auf, damit Welt objektiv erscheinen kann.
Für den Menschen gelte die Aspektivität der exzentrischen Positionalität, womit sein Erleben mit seiner Existenz nicht mehr identisch bleiben könne3. Daraus gebe es für ihn kein Entrinnen. Der Mensch sei nun einmal hinter sich gekommen und könne nicht wieder zurück4. Neben der Außenwelt und seinen Mitmenschen erlebe er sein Selbstsein. Der Mensch besitze eine Innenwelt. Die Gesetze der Innenwelt unterschieden sich von denen der Außenwelt insofern, als sie „zugleich erlebnisbedingend und erlebnisbedingt“5 seien. Der Seinstypus der Innenwelt sei plastisch. Er reiche von reiner Gegenständlichkeit bis reiner Zuständlichkeit, dem Hingenommen-Sein, Verzückt-Sein von einem Gegenstand. In der Außenwelt gelte letztlich Sein oder Nichtsein als etwas vom Betrachter Unabhängiges. Als plastischer Seinstypus, dessen Grund im graduell unterschiedlichen Erleben liege, gelte für diesen eine Skala des Seins6. Eindruck, Erlebnis und Erinnerung seien Intensiva, keine Extensiva und an Akte gebunden. Der Intensitätsgrad der Akte sei entscheidend für die Natur ihrer Existenz in der Innenwelt. Sie könnten wie von alleine dahinströmen oder müssten mit großer Willensanstrengung hervorgerufen werden.
Kunst zielt letztlich auf die Innenwelt vermittelst des Erlebens von Kunst. Da die Natur der Innenwelt eine plastische ist und empfänglich für intensive Formen, kann sie ihr Werk verrichten.