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Das Gesetz der natürlichen Künstlichkeit
ОглавлениеIn drei anthropologischen Grundgesetzen lässt Plessner die Stufen ausklingen. Im ersten formuliert er die „ontische Notwendigkeit“1 des Phänomens der Kultur, die der Mensch als exzentrisch organisiertes Lebewesen erschaffe, indem er sein Leben führt. Denn „der Mensch lebt nur, indem er ein Leben führt“2.
Mensch sein ist die »Abhebung« des Lebendigseins vom Sein und der Vollzug dieser Abhebung, kraft dessen die Schicht der Lebendigkeit als quasi selbstständige Sphäre erscheint, die bei Pflanze und Tier unselbstständiges Moment des Seins, seine Eigenschaft bleibt […]3
Deshalb bedürfe der Mensch eines Komplements. Immer auf der Suche nach Ausgleich, nach dem, was die Natur ihm versage, erschaffe er sich und müsse sich erschaffen. Die exzentrische Lebensform und die Bedürftigkeit bildeten einen einzigen Tatbestand und darin liege das Movens „für alle spezifisch menschliche, d.h. auf Irreales gerichtete und mit künstlichen Mitteln arbeitende Tätigkeit, der letzte Grund für das Werkzeug und dasjenige, dem es dient: die Kultur.“4
Plessner macht die ontologische Struktur der Exzentrizität verantwortlich für die typisch menschlichen Tätigkeiten und verweist die Kulturentstehungstheorien seiner Zeitgenossen zurück. Für das kulturelle Tun des Menschen sei weder Trieb noch Wille oder Verdrängung, sondern allein die aus der exzentrischen Lebensform entspringende Notwendigkeit zum Vorwärtsstreben, zur Selbsterschaffung und Selbstdomestizierung der Ursprungsgrund. Es gebe auch kein verloren gegangenes Paradies oder ein ursprünglich irgendwie harmonischer Zustand, den der Mensch zurückzugewinnen versuche, seien die Ursachen zur Entstehung von Kultur. Der Mensch, dem sich eine Welt auftue, wenn er in die Leere seines Herzens blicke, suche notwendig den Ausgleich und sich selbst in der Schaffung des Irrealen, der Schaffung der Formen des kunstvollen Handelns5. Der Mensch folge qua Mensch dem „Gesetz der natürlichen Künstlichkeit“.6