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Kap 5

Zum Versteigerungstermin waren außer Gunther und dem Ehepaar, das er schon bei der ersten Besichtigung gesehen hatte, nur zwei Männer erschienen, die sich so gesetzt hatten, dass sie sich unauffällig beobachten konnten. Sie sahen aus wie Vertreter eines Pensionsfonds, die den Erwerb des Hauses nur unter dem Gesichtspunkt des Weiterverkaufs und einer Gewinnoptimierung sahen und nicht in Absicht, hier zu wohnen.

In dem Festsaal, dessen Pracht der Spiegel und Lampen, Konsolen und dem Plafond aus römischer Götterwelt, mit Venus, Aeolus, Aurora und Amor, und den umlaufenden Säulen mit korinthischen Kapitellen, so frisch wirkte, als sei die Renovierung erst vor wenigen Tagen abgeschlossen worden, waren in Viererreihen Stühle gestellt, in denen sich die wenigen Interessenten verloren. Das Ehepaar hatte in der ersten Reihe Platz genommen, Gunther-Hagen in der letzten.

Zur angekündigten Zeit eröffnete ein schon grauhaariger Auktionator sein Ritual, das Gunther immer wieder faszinierte. Er war von dem Gedanken besessen, das Haus zu erwerben, wenn es zu dem Limit, das er sich eisern gesetzt hatte, möglich war. Das Anfangsgebot lag bei 2,4 Millionen. Für Gunther utopisch! Obwohl er seit der Besichtigung wusste, dass dieses Haus bestimmt das Doppelte wert war. Die Hemmschwelle des Erwerbes lag zweifellos in der Grunderwerbsteuer, der jährlichen Steuer- und Versicherungslast und der laufenden Unterhaltung. Ohne Personal war ein solches Haus nicht zu führen.

Es fand sich kein Bieter. Der Auktionator ermäßigte in Schritten von 100.000. Als sich bei zwei Millionen noch kein Bieter fand, brach er die Versteigerung ab und gab als zweiten Termin ein Wochenende im Mai bekannt. Dann würde das Anfangsgebot bei den Bankschulden der Besitzer liegen.

Gunther hatte das Gefühl, als sei er seiner Erwerbsabsicht schon ein Schritt näher gekommen. Das mochte auch an dem Vertrag liegen, den ihm sein amerikanischer Verleger für den Nachdruck und Vertrieb seiner letzten beiden Bücher angeboten hatte. Mit der Übersetzung ins Amerikanische würde auch der englische Markt erschlossen und vom Heimatgeschäft hoffte er, dass die Nachfrage noch anhielt.

Zum zweiten Auktionstag, vier Wochen später, waren fast alle Stühle im Festsaal besetzt und Gunther war froh, in der letzten Reihe noch einen freien Stuhl zu bekommen. Gunthers Herz sank in die Hose. Er hatte das bedrohliche Gefühl, dass ihm etwas schon lieb gewordenes genommen werden sollte.

Und dann ging alles viel schneller, als ihm so recht bewusst wurde. Der Auktionator rief das erste Gebot mit 1,4 Millionen € auf, das als Forderung der Bank an die Gläubiger ins Internet gestellt war. Gunther hob sofort seine Karte. Die Mehrheit der Anwesenden wartete wohl noch auf die glatte Million oder weniger. Gunthers Rechnung ging auf. Als der Auktionator 1,5 Millionen aufrief, gab es keine Bewerber. Auch die Männer in den abgewetzten schwarzen Anzügen, die auch im Saal anwesend waren und schon am ersten Auktionstag kein Angebot abgegeben hatten, gaben kein Gebot ab. Sie hatten wohl Order, nicht über das Eröffnungsgebot hinauszugehen.

Wie auch immer! Gunther war zufrieden mit seiner raschen Entscheidung. Diesen Preis würde er bei einem notwendigen Wiederverkauf mit Sicherheit auch erzielen. Umso mehr, als hier kein 20 prozentigen Versteigerungsaufschlag erhoben wurde, wie er bei Kunstauktionen üblich ist.

Während der Saal sich leerte, wickelte Gunther mit den drei Herren am Auktionstisch die notwendigen Einzelheiten ab. Erst einmal waren 250.000 € als Anzahlung, laut der Auktionsbedingungen, zu leisten, wozu Gunther einen Scheck ausstellte. Alle Unterlagen, Bauzeichnungen, Grundrisse und eine Übersicht der bisherigen Sanierungen, sollten ihm zugeschickt werden.

Gunther fragte die Herren neben dem Auktionator, die wohl dem Vorstand der Gläubigerbank angehörten, nach der Gräfin von Grainau-Solms, die noch im Haus leben sollte. Das wurde bejaht, und Gunther wurde an Frau Hanna Schütz, die Pflegerin der Gräfin verwiesen, die im Saal anwesend war und das Geschehen an unserem Tisch von der Tür aus aufmerksam beobachtete.

Als am Tisch das Notwendige abgewickelt war und Gunther sich von den Herren verabschiedet hatte, steuerte er zu dieser Frau, die ihn neugierig und mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck musterte. Dazu ließ Gunther sich keine Zeit, sondern bat sie, ihn bei der Gräfin zu einem Gespräch anzumelden. Das tat sie sofort über ein Handy, das sie in ihrem Jackenkleid bei sich trug. Sie sprach ein paar Sätze und trug sein Anliegen vor.

„In 20 Minuten wäre ein Gespräch möglich, die Gräfin sei auf diese Begegnung in ihren Räumen nicht vorbereitet", sagte sie nach dem Ende ihres Telefonats und bat Gunther herzlich vorab in ihre Wohnung, offensichtlich um ein eigenes Problem loszuwerden.

Sie hatte mit ihrem Mann und ihrer Tochter eine Dreizimmerwohnung mit Küche und Bad in der oberen Etage des ersten Innenhofes auf der Westseite.

Sie bat Gunther in ihr Wohnzimmer und bot ihm eine Tasse Kaffee an. Offensichtlich hatte sie mit diesem Gespräch gerechnet oder gewünscht, dass es zu Stande käme.

Gunther fragte sie als erstes, wie es zu dieser Besitzaufgabe und Versteigerung des Schlosses gekommen sei, wo doch die Gräfin als Besitzerin noch im Hause lebte.

Frau Schütz berichtete, dass der Vorbesitzer, der Sohn der Gräfin, durch einen tragischen Unfall mit seiner Familie, seiner Frau und den zwei Kindern in Kroatien vor einem Jahr ums Leben gekommen sei. Die Banken hätten mit ihren Forderungen lange gewartet, nun aber das Anwesen versteigern müssen, da alle Verkaufsbemühungen gescheitert waren.

Die Gräfin sei 89 Jahre alt und pflegebedürftig. Seit acht Jahren pflege sie die alte Dame und sei ihr mit Familie in das Schloss gefolgt, als auch ihr Mann hier eine Anstellung als Hauswart und Förster gefunden habe.

Jetzt hätte sie Sorge, wieder ausziehen zu müssen und die alte Dame allein zu lassen. Während Frau Schütz ihre Sorgen ausbreitete, läutete ihr Handy und sie erhielt die Nachricht, dass die Gräfin Gunther erwarte.

Gunther bat, ihm den Weg zu zeigen und versprach, nach seinem kurzen Besuch bei der Gräfin noch einmal vorbei zu kommen und das begonnene Gespräch fortzuführen.

Meine irdischen und himmlischen Wege

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