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Kap 14

Zwei Tage später, einen Tag hatte sie wohl zu ihrer Erholung benötigt, bat sie Gunther über Hanna zu ihrem 5-Uhr Tee.

Sie hatte sich wieder zurechtmachen lassen und wirkte auf Gunther wie ein Grande Dame aus dem Bilderbuch. Sie kam direkt und ohne Umschweife auf ihr Anliegen zu sprechen. „Ich habe ihre Familie kennen gelernt und bin von ihren Kindern sehr angetan; von den Persönlichkeiten und dem menschlichen und intellektuellen Potenzial.“

Sie machte eine kleine Pause und fuhr fort: „Seit unserer ersten Begegnung im Mai, als Sie mir das großzügige Angebot machten, hier als Gast auf Dauer wohnen bleiben zu dürfen, beschäftige ich mich mit dem Gedanken, Ihnen zu dem Schloss auch meinen Namen zu übertragen, das heißt, ich biete Ihnen an, Sie adoptieren zu dürfen. Die Reichsgrafen von Grainau gehen in direkter Agnaten-Linie auf das 11. Jahrhundert zurück, und unser Urahn hat schon mit Kaiser Barbarossa am zweiten Kreuzzug und unter Heinrich VI. am dritten Kreuzzug nach Jerusalem teilgenommen. Die Solms sind später dazugekommen. Ohne eine Adoption würde jetzt der alte Name aussterben. Mit ihrem Einverständnis hätte er eine Zukunft.“ Sie hatte sehr couragiert gesprochen, jetzt bebte ihre Stimme ein wenig. Ein Zeichen ihrer Angespanntheit und der Bedeutung, die sie diesem Gespräch beimaß.

Gunther war überrascht, aber er verstand ihr Anliegen.

„Ich bin im Grunde bereit Ihr Angebot anzunehmen", sagte er nach kurzem Überlegen. „Meine Kinder muss ich nicht fragen, es betrifft wohl mehr meine Enkel, als die Kinder", fuhr er fort und ließ den Tee kalt werden, den die Gräfin zuvor eingeschenkt hatte. „Leider haben wir nur einen leiblichen Enkel und eine angenommene Enkelin, die die Last und die Verantwortung tragen müssten, aber ich habe da eine Idee, von der ich aber noch nicht weiß, wie und ob ich sie umsetze", sagte er weiter, ohne zu ahnen, wie verschworen und intim das Gespräch sich jetzt zwischen ihnen entwickeln würde.

„Diese Idee würde mich sehr interessieren, da sie meinen Namen betrifft", sagte Gräfin Mathilde. „Aber ehe Sie antworten, möchte ich konsequent sein, und obwohl die juristischen und standesamtlichen Formalitäten noch nicht erledigt sind, sie bitten, mich Tante Mathilde zu nennen.“ „Ich mag das nackte Du nicht“, setzte sie hinzu. „Seit ich erwachsen bin, haben mich nur meine Eltern, eine Jugendfreundin und die Familie meines Sohnes mit ‚Du ‘ angeredet. Ich bin halt ein wenig altmodisch. Da uns nur wenige Jahre am Alter trennen, ist ein Mutter-Sohn-Verhältnis abwegig, aber ‚Tante‘ wäre mir lieb, vor allem im Verhältnis zu den Kindern."

„Einverstanden, Tante Mathilde", lächelte Gunther und nahm ihre Hand. „ Mir ist es egal und ‚Tante‘ drückt wohl am besten den großen Respekt aus, den ich für dich empfinde.“

„Mit diesem ersten ‚Du‘ war das letzte Eis gebrochen, und beide empfanden das so. „ Aber nun erzähle mir bitte, was du für eine Idee hast, was die Last des Namens anlangt", blieb sie - wie alle Frauen - unbeirrt am Thema.

„Ich überlege, eventuell einmal Anna-Maria zu adoptieren, wie du es jetzt mit mir vorhast", sagte Gunther zu ihr. „ Sie ist klug, von gutem Wesen und jung genug, viele Kinder, vor allem auch Söhne, zu bekommen, und das wäre gut für das Haus und jetzt, wie es aussieht, auch für deinen Namen.“

Mathilde sah Gunther prüfend an und sagte, „was den Namen anlangt, habe auch ich früher schon an sie gedacht. Aber meine Familie war nie arm gewesen und der Name einer Reichsgräfin mit nur einem kleinbürgerlichen Einkommen, das hätte nicht recht zusammen gepasst. Aber mit einem späteren Mitbesitz an diesem Haus und dem Namen, das wäre eine dynastische Perspektive.“

Mathilde zeigte jetzt nicht nur Befriedigung, sondern fast so etwas wie Begeisterung und sie bat Gunther ihren Sherry aus dem Eckschrank zu holen. Sie bedeutete ihm, wo er zu zwei Gläsern gelangen könne und bat, mit ihr auf ‚unser Abkommen‘ und seine Pläne (!) mit einem Gläschen anzustoßen. „ Es ist das zweite Glas heute, aber es ist mein wichtigster Tag seit unserer ersten Begegnung. Wichtiger als mein 90. Geburtstag.“

Gunther glaubte ihr dies und empfand es auch nicht als indiskret oder peinlich, als sie nach einem weiteren prüfenden Blick direkt und ohne Umschweife fragte:

„Liebst du Anna-Maria?“

„Ich glaube ja", erwiderte Gunther.

„Als Tochter oder als Frau", bohrte Mathilde weiter.

„So genau weiß ich das noch nicht. Aber sie beunruhigt mich seltsam, seit ich ihr das erste Mal hier im Haus begegnet bin.“

„Dann musst du dich dran halten, dir darüber klar zu werden", sagte Mathilde. „Nicht wegen deines Alters, du hast offensichtlich eine gute Verfassung, aber wegen deines Seelenfriedens.“

Und nach einer Weile, die beide im Nachdenken schwiegen, sagte sie, „Anna-Maria liebt dich auch.“

„Woher und wieso willst du das wissen?", fragte Gunther erstaunt, und wie er spürte, ein wenig erregt.

„Eine Frau spürt das“, sagte sie.

„Und Hanna?", fragte Gunther besorgt.

„Sie spürt es auch, aber wir sprechen nicht darüber. Sie ist Mutter, und Mütter spüren das, ehe es die Töchter selber wissen. „Das macht es für mich sehr kompliziert", sinnierte er nachdenklich. „Papperlapapp“, sagte Mathilde. „ Du bist zu klug und zu kultiviert, um als Patron des Hauses plump Liebe zu fordern und alles zu zerstören. Aber weise Liebe nicht zurück, wenn sie dir geschenkt wird."

„Es war heute wohl einer der wichtigsten Nachmittage meines Lebens. Bleib‘ mir bitte, und uns allen, noch lange erhalten", sagte er, „du bist mehr als ein Gast, du bist ein Monolith der Familie.“

Da er nun schon einmal so ein persönliches Gespräch mit Mathilde führte, sprach er auch das ‚Auto –Thema‘ an, das Schicksal der Oldtimer ihres Sohnes Thilo, die Albrecht ihm bei der Suche nach der künftigen Unterstellung für seine zwei Autos gezeigt hatte.

„Warum hast du sie nicht als erstes zum Verkauf vorgesehen, sondern nur von deinem Wald gesprochen, als es um deine Zukunft ging“, fragte er sie. „Ich habe zuerst an sie gedacht, aber die Oldtimer waren ein Herzstück meines Sohnes und außerdem Albrechts ganzer Stolz bei ihrer Restaurierung – ich konnte einfach nicht anders.

Jetzt brauche ich ja kein Geld mehr, Dank deines Angebotes. Ich werde sie in meine Erbmasse stellen und von Todes wegen darüber verfügen. Aber den Rolls Roys bitte ich dich schon jetzt für deine Ausfahrten zu benutzen und Albrecht möchte bitte weiter mit dem zweiten Wagen, diesem Chevrolet, zu seinen geliebten Oldtimertreffen fahren. Sage ihm das bitte! Es wäre mir eine Freude, wenn in diesem Kreis das Vermächtnis Thilos lebendig bliebe.“

„Du bist eine außergewöhnliche Frau“, sagte Gunther. „Vielleicht können wir etwas gemeinsam tun, wenn ich von meiner Vorstellung, Annes Zukunft betreffend, überzeugt bin. Ich kümmere mich etwas um die Dinge, die in der Schule zu kurz gekommen sind, und du, um Dinge, die eine kluge und schöne Frau zu einer Dame der Gesellschaft machen.“

Mathilde schaute ihn nachdenklich an und nickte. Sie lächelte. „Ich glaube, du bist mir sehr ähnlich in deinen Rücksichtsnahmen und Entscheidungen. Wir passen wohl gut zu einander!“

Meine irdischen und himmlischen Wege

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