Читать книгу Meine irdischen und himmlischen Wege - Manfred Höhne - Страница 18

Оглавление

Kap 13

Drei Wochen spätere gab es die Einweihung, die gleichzeitig Gunthers nachgeholter 83. Geburtstag sein sollte, der dem Umzugstrubel geopfert werden musste. Alle waren gekommen. Auch Sören hatte seine Vorlesungen geschwänzt, Maibrit und Gunnar ihren geplanten Urlaubsantritt um zwei Tage verschoben. Bertram und Susanne hatten Ivette im ‚Gepäck‘ und Almuths Sohn Lothar aus erster Ehe, der inzwischen eine lukrative Anstellung als Arzt in Dresden gefunden hatte, war mit Frau und beiden Kindern angereist. Natürlich auch seine Schwester und sein Bruder aus Hamburg.

Da die Wirren des langen Umzuges sich über fast drei Monate hingezogen hatten und sich ohne Hannas Hilfe keine Lampe und keine Gabel hätten finden lassen, war Gunther mit seinem älteren Bruder übereingekommen, beider Geburtstage zusammenzulegen und deren Würdigung mit der Feier der Einweihung des neuen Wohndomizils zu verbinden. Da es bei beiden kein ‚runder‘, herauszuhebender Geburtstag war, stand dem mental nichts im Wege.

Auch die Geburtstage von Anna-Maria und Hanna waren in der Vorbereitung und der unvermeidlichen Hektik der letzten Hausrattransporte und dem Abschluss der letzten Bauarbeiten fast untergegangen. Gunther hatte von Anne aber die Geburtstage ihrer Eltern erfragt, als sie ihn bat, an ihrer eigenen Kaffeetafel teilzunehmen.

Trotz anderer Aufgaben, hatte er sich diesen Nachmittag frei genommen und war nach Hohenfelden gefahren. Er wollte diesen Besuch mit einem Bautermin verbinden, so dass es für die Familie ohne erkennbare Bedeutung blieb, die er dieser Begegnung beimaß. Da Hannas Geburtstag schon eine Woche später folgte und sie ihn bescheiden bat, ob er den nächsten Bautermin mit Albrecht so vereinbaren könne, auch an ihrer Kaffeetafel teilzunehmen, blieb ihm nur übrig, dies zu zusagen.

Es hatte ihn eigentümlich berührt, dass Anne nur ihre Freundin, mit der sie noch immer seine Bücher in der Bibliothek katalogisierte und einordnete, zu ihrem Geburtstag eingeladen hatte und keinen Freund, der zu ihrem Alter und ihrer Attraktivität eigentlich gehört hätte. Aber er wischte diesen Gedanken rasch und – wie ihm schien - mit einer gewissen Befriedigung, beiseite.

Da er von ihr erfahren hatte, dass sie schon während der Schulzeit auf der Gitarre ihrer Freundin Unterricht nahm, überreichte er ihr eine schöne Gitarre, von der ihm der Verkäufer in Weimar versicherte, sie spiele schon allein bei bloßer Berührung. Das Geschenk machte ihr sichtlich Freude und da Karen, ihre Freundin, ihre Gitarre mitgebracht hatte, fanden sich die beiden jungen Damen sogar zu einem Duett bereit. Nicht meisterlich, aber Gunther kannte inzwischen Annes Ehrgeiz und war überzeugt, dass sie zum nächsten Geburtstag schon mit einer Glanznummer würde aufwarten können.

Es war eine schöne Kaffeestunde und Gunther war klug genug, sich zu verabschieden, ehe man das von ihm schicklicherweise erwarten würde.

An Hannas Geburtstag konnte sich Gunther nicht mehr so genau erinnern. Er hatte ihr einen Blumenstrauß überreicht, aber darauf geachtet, dass er nicht schöner und teurer war, als der von Albrecht. Der Clou war trotzdem ein Geschenk, das er mitbrachte. Er hatte ihr den Titel einer ‚Beschließerin‘ verliehen und dazu eine antik anmutende Urkunde anfertigen und rahmen lassen. Hanna war gerührt und hängte sie sofort in ihrer ‚gute Stube‘ an die Stelle eines kleinen Landschaftsbildes, das sicher nur ein Fläche füllender ‚Notnagel‘ war. Gunther blieb noch kürzer, als zu Annes Geburtstag, um jeden Eindruck zu vermeiden, dass er sich in die Familie drängen wollte.

Albrechts Geburtstag war der letzte im Jahr und da der kurz vor Weihnachten lag, hatte er eh und je darauf verzichtet, Aufhebens davon zu machen. Trotzdem nahm Gunther sich vor, diesen Tag nicht zu vergessen.

Nun aber begingen sie alle zur Einweihung des Hauses erst einmal seinen und seines Bruders Geburtstag.

Gunther war sich natürlich im Klaren, dass es weniger die nachgeholten Geburtstage, als die Neugierde auf sein neues Domizil war, die seine Familie sich so vollzählig auf Hohenfelden hatte versammeln lassen. Natürlich wurde jetzt erst einmal das Haus gezeigt und unvermeidlich - nach dem Kaufpreis und den Kosten des Ausbaus seiner Wohnung gefragt.

Die kolossale Anlage, die Lage im See und der Anblick des Sees selbst, wurden aufrichtig bewundert.

Wie nicht anders zu erwarten, war die Besichtigung der Pulverkammern, der Schweinekoben-großen Zellen für die Gefangenen und das Verließ ein Höhepunkt, besonders für die Kinder. Ungeteiltes Interesse fand auch die Folterkammer mit ihrem Inventar an Grausamkeiten, wie dem Nagelstuhl und der Streckbank. Gunther erklärte deren Handhabung und berichtete aus der Chronik, die ihm Gräfin Mathilde zur treuen Verwahrung übergeben hatte, dass damit einmal eine ‚Körperverlängerung‘ von 9 cm erreicht worden sei, was der Delinquent allerdings nicht überlebte.

Über der Tür hatte Gunther in mittelalterlichen Minuskeln die Schrift "Raum der Wahrheit" anbringen lassen, was besser die makabre Relativität der Wahrheit bei der Wahrheitsfindung dort nicht ausdrücken konnte.

Das Essen fand im Festsaal statt. Es war das erste Mal, dass Gunther sein Essen hier einnahm. Hanna und Anna-Marie bugsierten die kleinen Servierwagen mit den Speisen von der Küche herein und Gunther achtete darauf, dass erst mit dem Essen begonnen wurde, als beide mit an der Tafel saßen. Er hatte Wert darauf gelegt, dass Gräfin Mathilde an seiner rechten Seite Platz nahm. Sie hielt sich sehr aufrecht und ließ ihre Gefühlswallungen, die sie bei diesem Diner empfand, nicht erkennen. Nur Hanna und Gunther mochten ahnen, was in ihr vorging, da ihr letztes festliches Essen hier zum 60. Geburtstag ihres Sohnes im Kreis der Familie stattgefunden hatte. Als Gunther die Trauer in ihren Augen sah, nahm er ihre Hand und hob sein Glas, um mit ihr auf noch viele schöne Jahre hier im Haus anzustoßen. Gräfin Mathilde dankte sichtlich gerührt für diese Geste.

Zwei Tage später feierten sie Almuths 65. Geburtstag, Da er ein besonderer, eben der 65. war, wollte Gunther ihn nicht mit seinem und dem seines Bruders vermischen, sondern bewusst hervorheben. Die Gäste waren geblieben. Nur Bertram musste zu seinem Klinikdienst.

Dass Gunthers Tochter und sein Enkel geblieben waren, hatte er ihnen hoch angerechnet, denn das Verhältnis zwischen ihnen und Almuth war durch eine törichte Schuldzuweisung, die fast 30 Jahre zurück lag, erheblich gestört. Schwiegersohn Gunnar hatte sich aus dem ärgerlichen Zwist immer herausgehalten.

Gunther hatte den nur sehr lockeren Zusammenhalt der Familie stets bedauert. Es war ihm aber nicht gelungen, dies mit Appellen zu ändern. Es war wohl ein mütterliches Gen der Kinder, die das in allen Ländern und Kulturen der Welt enge und übliche Zusammengehörigkeitsgefühl und die Freude am Zusammensein nicht hatten aufkommen lassen. Auch Gunthers Bruder hatte dies stets bedauert.

Beide konnten sich hier auf ihrem Vater berufen, dem der Familienzusammenhalt und das gemeinsame Treffen eine tief verwurzelte Herzensangelegenheit war. So sind viele der Begegnungen mit dem Leben, viele Höhepunkte und persönliche Jubiläen ohne die Gemeinschaft der Familie vorübergegangen.

Burg Hohenfelden schien dies ändern zu wollen. Oder war es doch nur die Neugier? Die Neugier auf den See mit seiner gehobenen Gastronomie rings um, die Segeltouren auf seiner großen Wasserfläche und das Sonnenbaden an seinen feinsandigen Stränden?

Es gab Sonntage, da konnte Gunther mit dem Fernglas mehr als tausend Erholungssuchende in den Strandbädern ausmachen, auf den Wasserrutschen und auf den Tretbooten im See. Aber das störte die Ruhe auf Hohenfelden nicht.

Der See mit seinen 40 km2 war groß genug, den Besuchern ihren Spaß und ihre Erholung und dem Schloss mit seinen umgebenden Wäldern Ruhe und Stille eines einmaligen Areals zu geben.

Natürlich gab es auch Tage, da wagten sich Unbefugte den kleinen schlosseigenen Hafen an der südlichen Burgmauer anzusteuern. Aber die Schilder, die Albrecht weit im See aufgestellt hatte, wurden in Mehrheit respektiert.

Nun, Ende September, hatte der Andrang in den Bädern ringsum nachgelassen. Die Strände waren verwaist und nur die Marina am jenseitigen Ufer hatte noch Saison.

Die Gäste im Haus hatten den Tag genutzt, auf dem verschlungenen Seerundweg einen Spaziergang zu machen und sich danach, in dem aufkommenden Abendwind, auf der Terrasse aufzuhalten. Es gab wieder ein Bankett im Festsaal und diesmal zeigte sich Gräfin Mathilde sehr aufgeschlossen und ohne Trauer.

Und noch einmal drei Wochen später konnten sie Gräfin Mathildes 90. Geburtstag begehen. Hanna war der Gräfin wieder behilflich, ihr Festkleid anzulegen und ihre Haare zu einer würdevollen Frisur zu richten.

Sie hatte gebeten, kein Dinner im Festsaal zu geben. Sie aß allein in ihrer Suite, was Hanna ihr zubereitete. Im Festsaal wollte sie nicht feiern.

Sie lud aber die ‚Familie‘, zu der sie Gunther und Almuth neben Hanna, Albrecht und Anne rechnete, zum Tee. Als einzigen Gast zudem, ihren vertrauten Hausarzt Dr. Haussmann.

Albrecht hatte ihren Esstisch im Wohnzimmer um einen Beistelltisch erweitert, um allen sieben Personen genügend Platz und Beinfreiheit zu verschaffen. Dr. Haussmann überreichte ihr als Geschenk eine große Flasche eines selbst gebrauten Sherrys, der mehr ein Kräuterlikör war, mit der Aufschrift: "Vinum ad longam vitae - 2 mal täglich ". Das hat viel Heiterkeit bewirkt und die Gräfin ließ sich demonstrativ von ihm eine erste Probe einschenken.

Gunther gratulierte mit ihren Lieblingsblumen, die Hanna ihm verraten hatte. Er war sich nicht sicher, wo er irgendwo und -wie ihre noch nicht überwundene Vergangenheit berühren könnte.

Albrecht war schon am frühen Morgen, als die Gräfin noch schlief, auf ihrer Terrasse im Gange, um dort ein aufgebautes ‚Etwas‘ mit einem großen farbigen Tuch abzudecken.

Als alle Gäste ihre Geschenke überreicht hatten, trat er auf die Terrasse und zog das Tuch von dem darunter verborgenen ‚Etwas‘. Es war ein 1 mal 1 m großes Modell des Schlosses, an dem er monatelang gearbeitet hatte.

Die Gräfin war zu Tränen gerührt, hieß das doch, dass alle an diesem Tisch ihr Respekt und ehrliche Zuneigung entgegenbrachten.

Kinder und Verwandte haben eine merkwürdige Eigenschaft: Je reicher sie werden, desto entfernter werden sie.

Robert Rocca

Wenn alle Bande sich auflösen, wird man zu den familiären zurückgewiesen.

25.12.1806 Goethe, an Karl August,

( Das Wort ‚Familienbande‘ hat einen Beigeschmack von Wahrheit. )

Karl Kraus

Meine irdischen und himmlischen Wege

Подняться наверх