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Kap 2

Der lange Trauerzug bewegte sich durch das Burgtor, über die Brücke bis zu dem kleinen Familienfriedhof am Anfang unseres Waldes. Das Grab war neben dem von Mathilde, der Reichsgräfin von Grainau-Solms und dem Erinnerungskreuz mit den Urnen von Graf Thilo, seiner Frau und den beiden Kindern, ausgehoben. Ein mannshoher Engel aus schwarzem Marmor, den Graf Gunther schon zu Lebzeiten erworben und hatte aufstellen lassen, sollte über seinem Grab wachen.

Die Träger stellten den Sarg auf einen Halt über dem ausgehobenen Grab und die Trauergäste nahmen davor in einem weiten Halbrund Aufstellung. Aus dem angrenzenden Wald war ein Mann getreten und spielte auf einer silberglänzenden Trompete ‚Il Silenzio‘, während die Träger den Sarg an den Seilen herab ließen.

Als das Trompetensolo verklang, sprach die Pastorin einen letzten Segen und die Trauergäste verabschiedeten sich von dem Toten, wie es bei einem christlichen Begräbnis üblich ist. Zuerst die Witwe, die Kinder, Anna-Maria, die Vertrauten und Freunde. Albrecht war der erste, der der Familie folgte, dann Hanna und Hausmann. Gunther hatte seinem Sohn in einem verschlossenen Brief schon zu Lebzeiten gebeten, Anna-Maria an das Grab zu begleiten. Und dies erwies sich als richtig und notwendig. Als sie die Erde eingestreut hatte, glitt ihr die Rose, die ihr Abschied sein sollte, aus der Hand und sie sank in einer plötzlichen Ohnmacht in die Arme ihres erschrockenen Vaters.

Es war aber nur eine kurze Blutleere im Kopf, denn sie konnte, auf den Arm ihres Vaters gestützt, das Defilee der Trauergäste mit ihren Eltern und der Familie des Verstorbenen entgegennehmen.

Sie hatte sich schnell erholt. So konnte ich hinter sie treten und ihr ins Ohr flüstern: „Lass mich nun los, ich muss jetzt dem Licht folgen. Ganz sicher werde ich bald wieder bei euch sein als euer Schutzengel und über euch wachen.“

Sie musste es verstanden haben, denn sie hob ihre nach vorn gesunkenen Schultern und den Kopf, wie um zu zeigen, dass sie sich meiner Bitte nun stellen wollte.

Da lösten sich meine Füße zunehmend vom Boden und ich konnte über den Reihen der Trauernden schweben und ich sah klarer, was diese Trauergemeinde verband und unterschied: Konvention, Respekt, Neugier und echte Trauer.

Der Trompetensolist war noch einmal hervorgetreten und hatte den ‚Zapfenstreich‘ angestimmt, den sich Gunther schon zu Lebzeiten für diese Stunde gewünscht hatte; den der Solist mit unterschiedlicher Lautstärke so lange spielte, bis der letzte der Trauergäste sich von dem Verstorbenen verabschiedet und der Familie kondoliert hatte.

Die Gäste, die eine Einladung zum Trauermal erhalten hatten, strebten dem Schloss zu, die übrigen den Parkplätzen.

Anna-Maria, am Arm ihres Vaters, war noch einmal an das Grab getreten, um dort eine kurze Zeit zu verweilen. Ich hatte den für unser Leben schicksalhaften und alles bestimmenden Eindruck, als ob sie noch einmal den Kontakt zu mir suche.

Ich aber hob mich schwebend und folgte, ohne mich umzuwenden, dem Licht, dem ich schon einmal gefolgt war. Dem Licht, das so viel intensiver war, als das Licht aller Sonnen und dennoch so mild und so verheißend.

Ein großes Licht wird sein, und alles, was hier schön ist, wird dort nichts sein. Unsre Augen werden glänzen wie fein Silber, unser Leib wird leicht wie Flaum dem Licht und dem Willen folgen.

Martin Luther

Meine irdischen und himmlischen Wege

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