Читать книгу Macay-Saga 1-3 - Manfred Rehor - Страница 13

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Die Ruinenstadt

Macay erwachte, als ihm jemand kräftig in die Seite trat. Müde drehte er sich weg und versuchte, weiterzuschlafen, aber er handelte sich noch einen Kick ein. Mühsam öffnete er seine verklebten Augen. „Siplim“, sagte er schwach und wunderte sich über seinen trockenen Mund, der kaum mehr als ein Krächzen herausbrachte. „Lass mich schlafen.“

„Nichts da. Obwohl ich zugeben muss, dass du ein enormes Talent dafür hast. Wie deine beiden Freunde auch. Vielleicht solltet ihr Berufsschläfer werden. So, wie es auch Wachen gibt, deren Beruf es ist, wach zu bleiben. Los, hoch mit dir!“ Mit diesen Worten zwickte er Macay schmerzhaft in die Nase.

„Autsch!“, schrie Macay. Jetzt war er wach.

Siplim wandte seine Aufmerksamkeit Rall zu, dem er auch Tritte ins Hinterteil verpasste. Schon nach dem zweiten Tritt reagierte Rall. Eben noch schlafend, schnellte er herum und packte den Zwirg am Hals, wobei er seine messerscharfen Katzenkrallen ausfuhr. Siplim stieß ein erschrecktes Quietschen aus.

„Lass mich schlafen“, forderte Rall. „Oder ich lasse dich schlafen - für immer.“

Siplim zappelte unter dem festen Griff des Katzmenschen und bekam keinen Ton heraus. Rall ließ ihn schließlich fallen und der Zwirg keuchte: „Haben euch die Rätinnen nicht gesagt, dass männliche Zwirgs Mangelware sind? Wie kannst du mich da beinahe umbringen? Ich bin ein wertvolles Exemplar.“

„Für mich bist du nur ein überflüssiger Störenfried.“

„Da meine Dienste so schlecht entgolten werden, kümmert ihr euch besser selbst darum, den Dicken wach zu bekommen.“ Siplim deutete auf Zzorg, der sich zusammengerollt hatte und wirklich wie eine dicke Rieseneidechse aussah.

„Etwas zu trinken“, krächzte Macay.

„Ach, auch noch Wünsche anmelden“, lästerte Siplim. „Habt ihr ein Glück, dass ich nachtragend bin. Ich trage euch nämlich jede Menge leckeres Blütenwasser hinterher. Hier, nehmt.“

Er reichte Macay und Rall jeweils einen großen Becher mit Wasser, das die beiden auf einen Zug tranken.

„Mehr“, forderte Macay.

„Das Wort ‚Danke‘ ist wohl völlig aus deinem vertrockneten Gehirn verschwunden, was? Nur zwei Tage Schlaf, und schon vergisst du die Grundregeln des Anstands. Kein Wunder, dass niemand mit euch Großen zu tun haben will.“

Rall hatte inzwischen Zzorg geweckt. „Wieso zwei Tage?“, wollte er nun von dem Zwirg wissen.

„Ihr habt zwei Tage geschlafen. Unsere Freudengesänge sind für große Lebewesen meist langweilig, aber so eine Reaktion hatten wir nicht erwartet.“

„Der allabendliche, einschläfernde Singsang im Alten Wald stammt von euch?“

„Wir halten es weder für einschläfernd, noch für einen Singsang!“

„Wieder etwas gelernt“, sagte Rall. „Und warum ist auch Zzorg eingeschlafen?“

„Vielleicht haben wir schöner gesungen als sonst“, sagte Siplim vage.

„Oder ihr habt uns etwas ins Essen gemischt“, sagte Zzorg lauernd. „Wir Echsen sind immun gegen den Gesang, das weiß jeder.“

Während sich Zzorg und Rall mit dem immer kleinlauter werdenden Siplim stritten, sah Macay sich um. „Wir sind nicht mehr auf derselben Plattform“, stellte er fest. „Dieser Baum hier hat einen viel dickeren Stamm und ist von einer anderen Art. Man hat uns irgendwo anders hingebracht, während wir geschlafen haben.“

Zzorg packte den kleinen Siplim im Genick und schüttelte ihn. „Stimmt das? Ihr habt uns, während wir bewusstlos waren, durch den Wald geschleppt?“

Statt zu antworten, schrie Siplim gellend um Hilfe. Seine Rufe wurden erhört. Plötzlich waren die drei alten Zwirginnen da.

„Lasst ihn los“, befahl Sirgit. „Es stimmt, wir haben euch in die Nähe der Ruinenstadt gebracht. Das war in eurem Interesse, denn die Kaiserlichen schnüffeln immer noch im Wald herum. Nördlich von hier durchkämmen sie systematisch jedes Gehölz.“

„Wir bitten um Verständnis, dass wir unsere geheimen Wege im Wald niemandem zeigen werden, auch euch nicht. Deshalb haben wir euch betäubt und hier her gebracht. Es war kein böser Wille, sondern schien uns das Beste zu sein“, ergänzte Sila.

Sibbli zeigte einen goldenen Ring: „Der fiel Rall aus der Tasche, als wir ihn trugen. Er stammt von den Alten Menschen.“

Rall schnappte nach dem Ring. Die Zwirgin gab ihn widerstandslos her.

„Verratet ihr, wie ihr in den Besitz dieses Rings gekommen seid?“, fragte Sibbli.

„Eigentlich sollten wir Leuten wie euch gar nichts verraten“, knurrte Rall. Aber was die Zwirgin gesagt hatte, schien ihn zu überraschen. Er erzählte die Geschichte von dem Dämon in Eszger. „Ich konnte auf dem Ring keinerlei Inschrift oder sonstige Hinweise auf seine Herkunft entdecken“, endete er den Bericht.

„Er besteht aus einer Legierung, die heute niemand mehr herstellen kann. Außerdem verfügt er über ein enormes magisches Potential. Ich habe noch nie ein Artefakt in Händen gehalten, das so mächtig ist.“

„Was kann der Ring?“, fragte Macay neugierig.

„Stell ihn dir wie einen Speicher für magische Energie vor. Was auch immer mit Magie zu tun hat, wird wesentlich stärker, wenn man diesen Ring trägt. Ich vermute, der Magier, der den Dämonen in Eszger beschworen hat, war nicht sehr mächtig. Das würde auch erklären, warum es euch so mühelos gelungen ist, den Dämon zu besiegen.“

„Mühelos?“ Macay war beleidigt ob dieser Geringschätzung seiner größten Heldentat bisher - jedenfalls hatte er sie so eingeschätzt.

„Wenn dir eines Tages ein richtiger Dämon begegnen sollte, einer, der von einem guten Magier beschworen wurde, dann wirst du verstehen, was ich meine“, antwortete die Zwirgin nachsichtig.

„Zzorg kann den Ring tragen“, schlug Macay vor. „Dann ist er als Feuermagier sicherlich unbesiegbar.“

„Seid vorsichtig“, riet die Zwirgin. „Die Wirkung des Ringes hält nur wenige Stunden an. Heutzutage weiß niemand mehr, wie man solche Ringe wieder auflädt. Setzt ihn nur bei äußerster Gefahr ein.“

Siplim, den Zzorg inzwischen abgesetzt hatte, räusperte sich ein paarmal, bevor er jammerte: „Fast hätte diese Riesenechse mir den Hals umgedreht. Verdammt, verdammt, ihr solltet vorsichtiger sein. Was würdet ihr denn ohne mich anfangen?“

„Wir würden uns weniger ärgern und daher vermutlich glücklicher leben“, antwortete Rall.

„Unsinn. Ihr würdet nicht einmal von diesem Baum herunterfinden, wenn ich euch nicht zeige, wie es geht“, behauptete Siplim. „Ich unterbreche euren Plausch mit den ehrenwerten Damen vom Rat ungern, aber wenn ihr vor Einbruch der Nacht in der Ruinenstadt sein wollt, wird es Zeit zum Aufbruch. Es ist bald Mittag.“

„Lass mich raten“, sagte Macay. Er griff nach der Rinde des Baumes, an dem die Plattform befestigt war, und versuchte sie zu öffnen. Aber es gelang ihm nicht.

Siplim kicherte. „Noch jemand mit einem schlauen Vorschlag?“

„Wir nehmen den nächstbesten Zwirg und verprügeln ihn so lange, bis er uns den Weg nach unten zeigt“, schlug Rall vor.

„Hört mit diesem Unsinn auf“, forderte Sila. „Benehmt euch wie erwachsene Wesen. Auf Wiedersehen, Macay, Rall und Zzorg. Möge eure Reise erfolgreich sein. Und vergesst unsere bescheidene Bitte nicht, wenn ihr das Herz des Nebelkontinents erreicht.“

Im nächsten Moment waren die drei Zwirginnen zwischen den Blättern des Baumes verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.

„Nehmt euer Gepäck und dann nichts wie ab nach unten“, forderte Siplim sie auf.

Er führte sie auf der Plattform um den Baumstamm herum. Dort war ein merkwürdiger, breiter Ast, der völlig glatt und sehr lang war. Offenbar reichte er bis weit in die Krone des Nachbarbaumes hinein. Daneben war eine Seilrolle mit einer Kurbel.

„Du wirst doch nicht erwarten, dass wir uns an dem Seil herunterlassen?“, fragte Macay.

„Aber nicht doch. Wir bevorzugen die schnelle, bequeme Art, Bäume zu verlassen. Wenn der kräftige Herr Echserich so nett wäre, an dieser Kurbel zu drehen? Meine schwachen Kräfte würden natürlich auch dazu reichen, aber wieso soll ich mich anstrengen, wenn ich euch habe?“

Zzorg drehte an der Kurbel. Daraufhin begann sich der breite Ast langsam nach unten zu senken.

Nach einer Weile rief Siplim: „Halt! Das reicht. Sonst bricht der Ast ab. Folgt mir!“ Der Zwirg schwang sich rittlings auf den großen Ast und rutschte auf ihm nach unten. Schnell entschwand er durch die Blätter den Blicken der drei Freunde.

„Sollen wir es riskieren?“, fragte Rall.

Macay antwortete nicht, sondern setzte sich auf den Ast und rutschte vorsichtig hinter Siplim her. Die Oberfläche des Astes war so glatt, dass es fast keine Reibung gab. Ruckzuck war Macay am unteren Ende des Astes angekommen - mannshoch über dem Waldboden.

Mit einem Schrei stürzte er zu Boden und rollte sich geistesgegenwärtig gleich beiseite. Im nächsten Moment schlug Zzorg neben ihm auf, der nicht so schnell reagierte, so dass Rall auf ihm landete. Fluchend rappelten sie sich auf.

Siplim stand in der Nähe und lachte und lachte und lachte. Als er sah, wie die drei mit finsteren Gesichtern auf ihn zu kamen, deutete er nach links und rief: „Dort geht es zur Ruinenstadt. Gute Reise. Schade, dass wir uns trennen müssen, ihr seid die besten Komiker, die ich je in meinem Leben ...“

Er sprach den Satz nicht zu Ende, sondern wich Ralls Krallen aus. Blitzschnell versteckte er sich hinter dem Baumstamm, vor dem er gestanden hatte.

Rall folgte ihm mit einem Satz, aber Siplim blieb verschwunden. „Weg“, sagte Rall, nachdem er die Umgebung durchsucht und den Baum vergebens auf eine verborgene Tür hin geprüft hatte.

„Reg dich nicht auf“, empfahl Macay. „Gehen wir zur Ruinenstadt, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit dort sind.“

Wegen umgestürzter Bäume und schlechter Wege erreichten sie die Ruinenstadt erst spät am Abend. Rall riet dazu, außerhalb der Stadt zu übernachten.

So machten sie sich ein Lager zurecht, aßen und lauschten dann dem fernen Gesang der Zwirge, bis sie einschliefen.

Es war ein trüber Tag, an dem sie die Ruinenstadt betraten. Macay hatte sich unter diesem Namen eine Ansammlung zerstörter Gebäude vorgestellt, zwischen denen der Wald wucherte. Stattdessen lag vor ihnen eine merkwürdige, aber auf den ersten Blick intakt wirkende Siedlung.

Die Ruinenstadt stand am Rand einer Klippe, an der es steil ein Dutzend Meter nach unten ging, wo in einem tiefen Flussbett der Pil floss, so schmutzig wie Macay ihn kannte. Das Südufer stieg sanft an und war mit Gras und Büschen bewachsen. Weiter oben ging es in den Alten Wald über. Am Nordufer führte eine Uferpromenade entlang, neben der es dann steil nach oben zur Stadt ging. Ob die Klippe natürlich oder Mauerwerk war, konnte Macay nicht erkennen. Dafür sah er deutlich genug die Häuser im Morgenlicht. Sie glichen nichts, was er je gesehen hatte.

Die Häuser der Ruinenstadt waren hoch, höher als die meisten Gebäude, die Macay kannte, einige Adelshäuser in seiner Heimat ausgenommen. Sie waren rund und bauchig wie Fässer und trugen kleine, runde Schindeldächer. Zwischen den Häusern führten Wege durch, die teilweise überdacht waren. Insgesamt schätzte Macay, dass es in der Stadt mindestens zwei Dutzend dieser Gebäude gab, von denen jedes sicherlich fünf bis sechs großen Familien als Wohnung dienen konnte.

„Hinter dem Hügel da links geht es weiter“, sagte Rall. „Die Stadt war einst riesig. Jetzt stehen vielleicht noch sechzig Häuser, der Rest ist verschwunden.“

„Was heißt verschwunden?“

„Diese Rundhäuser zerfallen nicht nach und nach, wie man es von normalen Häusern erwartet. Sie verschwinden. Vom Rand her wird die Stadt immer kleiner. Seit Jahrhunderten. Es gibt Berichte von Besuchern, die sich abends neben einem der Bauwerke zum Schlafen niederlegten und morgens in der freien Landschaft aufwachten. Die Häuser lösen sich einfach auf.“

„Man sagt, sie leben“, zischte Zzorg. „Wie Pilze. Der Boden ist ihre Heimat und was wir sehen, ist nur ein kleiner Teil von ihnen. Wenn sie eingehen, ziehen sie sich in den Boden zurück.“

„Pilze?“ Macay konnte das nicht so recht glauben, wenn er die riesigen Bauwerke ansah.

„Du darfst dir das nicht wie einen essbaren Pilz vorstellen“, erklärte Rall. „Die Wände der Gebäude wirken wie Ton und sind so fest wie Ziegelmauern.“

„Und wer lebt hier?“

„Fast niemand mehr. Ein paar Einsiedler soll es noch geben, die sich aber normalerweise von Besuchern fernhalten.“

Langsam gingen sie in die Stadt hinein. Die Wege zwischen den Gebäuden waren gepflastert, jedenfalls hatte es den Anschein. Als Macay jedoch diesen Boden betrat, stellte er fest, dass es sich nicht um Steine handelte, sondern um ein nachgiebiges Material, das eher wie zähes Leder war, dessen narbige Struktur den Eindruck von Pflastersteinen hervor rief.

„Wer hat diese Stadt gebaut?“, fragte er, während sie zwischen den ersten Gebäuden umhergingen.

„Die Alten Menschen ließen sie wachsen“, erklärte Rall. „Wie sie das gemacht haben, weiß keiner mehr. Es muss ein mächtiger Zauber gewesen sein, denn er wirkt immer noch fort.“

Die Fenster und Türen in den Gebäuden waren oval. Während die Fenster aus milchigem Glas zu bestehen schienen, waren die Türen aus massivem Holz. Allerdings wiesen sie keinerlei Bearbeitungsspuren auf, also Fugen, Nägel oder Ähnliches. Sie waren aus einem Stück hergestellt und perfekt in die Türöffnungen eingepasst. Einige der Türen standen offen, anderen waren geschlossen. Sie wiesen weder Türgriffe noch Schlösser auf.

Macay näherte sich einer verschlossenen Tür und berührte sie. Geräuschlos schwang sie auf. Erschreckt sprang er einen Schritt zurück.

Rall lachte: „Ja, diese Häuser sind merkwürdig. Man hat manchmal den Eindruck, sie können sehen und Gedanken lesen.“

„Warum nennt man eine Stadt voller intakter Häuser eine Ruinenstadt?“

„Die Stadt selbst behauptet das von sich. Sie hat ihren ursprünglichen Namen abgelegt. Keiner kennt ihn mehr. Jedem, der sich hier eine Weile aufhält, wird nach und nach klar, dass er sich in der Ruinenstadt befindet, selbst wenn er diese Bezeichnung vorher nicht kannte. Man empfindet nach einiger Zeit das unwiderstehliche Verlangen, die Stadt zu verlassen. Kaum jemand hält es hier länger aus zwei Wochen aus. Manche auch nur einige Tage.“

„Aber diese Einsiedler, die du erwähnt hast -“

„Das sind Verrückte. Vermutlich kann die Stadt sie deshalb nicht verjagen. Komm, wir sehen uns eines der Häuser von innen an.“

Sie gingen zu einem großen und, wie Macay fand, stolzen Haus direkt an der Kante, die hinunter zum Pil-Ufer führte.

Die Tür schwang bei der leichtesten Berührung auf. Durch die kleinen Fenster drang genügend Licht herein, um das Innere betrachten zu können. Möbel waren keine da.

„Ein Zeichen dafür, dass dieses Haus in den nächsten Jahren verschwinden wird“, erklärte Rall. „Frischere Häuser haben noch die komplette Möblierung. Wenn wir eines davon finden, werden wir es als Stützpunkt nutzen.“

Feinster Staub lag auf dem Boden. Die Spuren der drei Eindringlinge waren deutlich zu erkennen, aber keine anderen. Offenbar war seit langem niemand mehr hier gewesen. Das Erdgeschoss war ein einziger großer Raum, in dessen Mitte eine mannsdicke Säule vom Boden bis zur Decke reichte. Im hinteren Teil führte eine schmale Treppe nach oben. Vorsichtig stieg Macay hinauf.

Der erste Stock war in Zimmer unterteilt. Alle Zimmer waren leer und wie Tortenstücke geschnitten, so dass jeder Raum spitz auf die zentrale Säule zuführte, die es auch hier gab.

Rall ging zu der Säule und berührte sie. Ein kleines Loch tat sich auf, aus dem Wasser tropfte. „Die Installationen funktionieren nicht mehr“, sagte er. „Normalerweise befinden sich hier Becken, die das Wasser auffangen, und darunter Abflüsse, die es zurück in die Säule führen.“

Im zweiten Stock waren die Räume am größten, dies war der Bauch des fassförmigen Hauses. Noch weiter oben waren die Ebenen nicht mehr unterteilt. Unter dem Dach schließlich fanden sie ein paar zerbrochene Möbelstücke als letzte Erinnerung daran, dass dieses Bauwerk - wenn man es so nennen konnte - einmal bewohnt gewesen war.

„Hier lebten Menschen“, erklärte Rall. „Man sieht es an der Form der Stühle.“

Sie fanden nichts Brauchbares und stiegen wieder nach unten.

„Wartet mal“, warnte Macay, als sie die Treppe zum Erdgeschoss hinunterkamen.

„Was ist los?“

„Kein Spuren!“

„Was?“ Rall machte große Augen. „Du hast recht. Unsere Fußspuren im Staub sind verschwunden. Offenbar ist das Haus lebendiger, als ich dachte. Es kann nicht mehr für Sauberkeit sorgen, aber es kann zumindest noch den Dreck gleichmäßig verteilen. Interessant.“

Sie verließen das Haus wieder und wandten sich einem kleineren zu, das in der Nähe stand.

„Das ist in Ordnung“, befand Rall.

„Woran siehst du das?“

„Die Fensterscheiben sind klarer und über der Tür ist eine Laterne. Die Häuser sorgen nachts für ein wenig Licht.“

Sie betraten dieses Haus. Der große, leere Raum im Erdgeschoss unterschied sich nur durch den fehlenden Staub von dem im anderen Gebäude, aber im ersten Stock fanden sie voll möblierte Zimmer vor.

„Hier bleiben wir“, entschied Rall.

Die drei Freunde legten ihr Gepäck ab, prüften das Wasser aus der Mittelsäule, das sich als kühl und wohlschmeckend erwies, und machten sich über einen kleinen Imbiss her. Danach ruhten sie sich aus. Gegen Mittag waren sie bereit, die Stadt weiter zu erkunden.

Der Einsiedler erwartete sie im Schatten eines Hauses in der Mitte der Ruinenstadt. Er war ein großer, hagerer Mann, der in Lumpen gehüllt war. Die welligen, weißen Haare reichten ihm bis zum Gürtel. Der Bart war ebenfalls lang und dicht. Im ersten Moment war Macay so erschrocken von der Figur in dieser absolut stillen Stadt, dass er sein Schwert zog.

Rall legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. „Wir grüßen dich“, sagte er zu dem Einsiedler.

Der Mann schwieg und sah die drei aus kleinen, schwarzen Augen an. Dann setzte er eine Brille auf, die erste, die Macay auf dem Nebelkontinent sah, und musterte sie noch aufmerksamer. Rall, Zzorg und Macay schwiegen.

Es dauerte sehr lange, bis der Einsiedler die Begrüßung erwiderte. „Ich bin Abrah“, sagte er. „Willkommen in der Stadt. Der Gesang der Zwirge letzte Nacht hat eure Ankunft angekündigt. Folgt mir.“

Er ging voran, durch einen Bogen, der zwei der Häuser miteinander verband, einen Weg entlang, der zu einem großen Platz führte. In der Mitte dieses Platzes stand ein besonders großes Haus. Es war, im Gegensatz zu den anderen, verziert. Wie Fassreifen liefen farbige Bänder um die Außenmauer. Seine Fenster waren groß und glasklar, sein Dach ragte über die Mauern hinaus wie der Schirm eines Pilzes. Es war ein beeindruckendes Gebäude.

Der Einsiedler öffnete die Eingangstür, die eher ein Tor war: Fast doppelt so hoch wie Macay und breit genug, um ein Fuhrwerk durchzulassen. Das Erdgeschoss dieses Hauses war ein riesiger, hoher Saal, in dem eine gewaltige Maschinerie arbeitete.

Macay blieb in der Tür stehen und starrte das Gewirr aus Messingrohren, Glaszylindern, Spulen und Drähten an. So etwas hatte er noch nie gesehen. Die Druckerei von Elkmar in Heimstadt war das technologisch höchst Entwickelte, das Macay jemals in seinem Leben kennengelernt hatte. Er wusste, wie Zahnräder ineinandergriffen und unglaublich viel Kraft in sehr komplizierten Bewegungen aufbrachten. Aber dies hier übertraf das um Größenordnungen. Ein nicht sehr lautes, aber durchdringendes Zischen und Stampfen erfüllte die Halle, und von Teilen der Maschinerie ging ein grelles Licht aus, das weder dem Sonnenlicht, noch Kerzen oder Öllampen vergleichbar war.

Zzorg und Rall waren noch beeindruckter als Macay. Sie wichen von der Tür zurück. Nur aus einigen Schritt Entfernung wagten sie es, in das Haus hineinzusehen.

Der Eremit wartete geduldig. Obwohl Macay sein Gesicht wegen des wuchernden Bartes nicht genau erkennen konnte, hatte er den Eindruck, dass der alte Mann sich königlich amüsierte. „Tretet ein“, sagte der Eremit schließlich mit einer einladenden Handbewegung. „Der Equizat ist nicht gefährlich.“

Macay wagte den Schritt und stellte sich neben den Einsiedler. „Um was handelt es sich bei dieser Maschine?“

„Der Equizat sichert die Existenz dieser Stadt, indem er die gefährlichen Kräfte aus dem Untergrund ausgleicht. Der Nebelkontinent ist durch und durch lebendig, wenn auch nicht in dem Sinne, in dem du das Wort Leben verstehst. Aber er produziert, wie jedes lebende Ding, Abfall, der ungesund ist. Da wir hier sehr nahe am inneren Leben des Kontinents sind, muss man sich davor schützen.“

„Im Alten Wald, der ja nur wenige hundert Schritte von hier beginnt, lebt es sich auch ohne Equizat ganz gut“, behauptete Macay, dem die Herablassung des Einsiedlers missfiel.

„Umgekehrt, junger Mann. Diese Anlage sorgt dafür, dass die Stadt und der Alte Wald existieren können. Würde diese Maschinerie ausfallen, wäre es vorbei mit dem Alten Wald. Es ist meine Aufgabe, den Equizat zu warten und kleinere Reparaturen daran auszuführen. Du kannst ihn dir am ehesten als einen komplizierten Filter vorstellen, der die Energien des Nebelkontinents auffängt, reinigt und dann zurück in den Untergrund schickt.“ Er wandte sich an Zzorg und Rall, die immer noch draußen standen. „Die großen Helden werden doch nicht etwa Angst vor einem schlichten Reinigungsmechanismus haben?“

Das wollten die beiden nicht auf sich sitzenlassen. Sie kamen herein, blieben aber neben dem Einsiedler stehen, während Macay vorsichtig um die Maschine herumging.

Bei genauerer Ansicht wurde deutlich, was der Einsiedler gemeint hatte: Rohre kamen aus dem Erdboden hoch. Kleine Sichtfenster zeigten eine schmutzige, quirlende Flüssigkeit. Sie durchlief den Mechanismus, der dabei heiß wurde, und andere Rohre führten zurück in die Erde. Deren Sichtfenster zeigten eine wesentlich klarere Flüssigkeit, wenn es auch noch kein sauberes Trinkwasser war.

Die Hitze der Maschine wurde durch Wasser gekühlt, das in kalten, dünnen Rohren herangeführt und in sehr heißen Rohren wieder abgeleitet wurde. Woher das merkwürdige Licht kam und was die Drähte und Spulen mit der Funktion des Apparates zu tun hatten, konnte Macay nicht herausfinden. Aber nachdem er die Maschine eine Weile mit den Augen untersucht hatte, während Zzorg und Rall wiederum aufmerksam ihn beobachteten, wandte er sich an den Einsiedler: „Schmutzige Flüssigkeit kommt hoch, sauberere Flüssigkeit geht hinunter, und alles ist sehr heiß. Aber wo bleibt der Schmutz, der herausgefiltert wird?“

„Gut beobachtet, junger Mann. Du hast genau den Punkt erkannt, der diese Maschine so einmalig macht: Es bleibt kein Schmutz übrig! Diese Maschine filtert ihn nicht nur heraus, sondern zerteilt und zerstört ihn. Was übrigbleibt, ist kein Schmutz im eigentlichen Sinne mehr. Er wird ungefährlich und kann wieder dahin zurück, wo er herkommt, und ist dort sogar nützlich.“

„Also eine Art moderner Misthaufen“, stellte Macay respektlos fest. „Man wirft Abfall drauf und bekommt Dünger zurück.“

„Sehr guter Vergleich! Wirklich sehr gut, er ist selbst mir noch nicht einfallen.“

„Bei uns in Mersellen haben einige der armen Leute in den Hinterhöfen Gärten angelegt, wo sie Gemüse anbauen und Vieh halten“, erklärte Macay stolz. „Von daher weiß ich das.“

„Mersellen, soso. Du bist ein weitgereister Mann. Aber wie lange wollen wir eigentlich noch hier in stehen? Folgt mir bitte nach oben.“

Auch im ersten Stock bestimmten technische Geräte das Bild. Er war in zwei Bereiche unterteilt, die durch eine Glasscheibe voneinander getrennt waren. Im kleineren Teil des Raumes, in den die Treppe führte, standen ein Stuhl und viele kompliziert aussehende Instrumente, die mit Hilfe von Hebeln und Schrauben bedient werden konnten. Im größeren Teil des Raumes befand sich eine Maschine, die wie eine metallische Spinne aussah: Viele Beine erstreckten sich in alle Richtungen, ausgehend von einem dicken Mittelteil, in dem Glasbehälter standen.

Abrah hielt sich hier nicht auf, sondern führte seine Besucher noch eine Etage höher, wo sein Wohnraum war: ein spartanisch eingerichtetes, riesiges Zimmer. Ein Bett neben einem Fenster, ein Kleiderschrank, ein Tisch mit Stuhl und ein Bücherregal, in dem mehrere Dutzend Bände standen.

„Die Anleitung zur Bedienung des Equizat“, erklärte Abrah im Vorbeigehen. „Sehr kompliziert und in einer Sprache geschrieben, die vermutlich außer mir niemand mehr beherrscht auf der Welt. Vielleicht muss ich mich eines Tages daran machen, das alles für einen Nachfolger zu übersetzen. Aber vorerst fühle ich mich gesund genug, diese Arbeit noch einige Jahrzehnte durchzuhalten. So, noch eine Treppe, dann haben wir es geschafft.“

Da die Stockwerke alle sehr hoch waren, gelangten sie jetzt schon in den Bereich unter dem Dach, in dem das tonnenförmige Haus wieder schmaler wurde. Das Dach, ein flacher, umgekehrter Kegel, der von dicken Holzbalken getragen wurde - jedenfalls sahen die Streben aus wie Holzbalken -, befand sich weit entfernt über ihren Köpfen. Die Mittelsäule, die dieses Haus wie jedes andere durchzog, führte bis zu diesem Dach hoch, wobei sie sich verjüngte, bis sie nur noch armdick war.

Das erstaunlichste an dem Raum war jedoch eine Glasscheibe, die sich wie ein Tisch um die Mittelsäule legte. Dieser Tisch war leer bis auf eine Stelle, an der viele winzige Schalter und Regler eingelassen waren. Vor diese setzte sich der Einsiedler. Mit einer einladenden Geste bat er seine staunende Gäste, ebenfalls Platz zu nehmen.

„Das Auge des Nebelkontinents“, sagte Abrah stolz und wies auf die Glasfläche. „Sehen wir uns ein wenig um.“

Er betätigte einige der Schaltknöpfe. Schlagartig erschien auf der ringförmigen Glasfläche ein Bild.

Die drei Besucher starrten ungläubig an, was sich vor ihnen abspielte: Eine Luftansicht des Alten Waldes entstand auf der Glasfläche. Der Mittelpunkt des Bildes war das Haus, in dem sie sich befanden. Das sahen sie nicht, weil sich dort die Säule befand, um die die Glasfläche verlief. Darum herum waren - von oben betrachtet wie aus großer Höhe - die Dächer der umliegenden Häuser zu sehen, dann der Fluss Pil und der Alte Wald.

„Ein erstaunlicher Zauber“, gab Macay zu. „Wie lange hat es gedauert, dieses Bild zu erstellen?“

„Den Bruchteil eines Augenblicks“, sagte Abrah. „Es zeigt unsere Umgebung so, wie sie jetzt, in diesem Moment ist. Hier konnte ich euch kommen sehen, als ihr noch weit entfernt wart.“

Macay musterte das Bild und widersprach dann: „Wir sind im Alten Wald durch die Baumkronen gegangen. Oder von den Zwirgen getragen worden. Hier sieht man nur die Bäume von oben. Was unter dem Blätterdach vor sich geht, kann man nicht erkennen. Wie können Sie uns dann gesehen haben?“

„Sehr gut bemerkt, junger Mann. Das geht so.“ Abrah drehte an einem Knopf und auf der Luftansicht der Umgebung erschienen viele farbige Punkte, von denen sich einige bewegten.

„Hellgrün sind die Zwirge im Wald. Wie ihr seht, sind es sehr wenige, weniger als drei Dutzend. Ich weiß nicht, was sie euch erzählt haben, aber die Zwirge sind dabei, auszusterben. Es gibt nur noch einen männlichen Zwirg, Siplim, und der ist unfruchtbar.“

„Man hat uns - fast - die Wahrheit erzählt“, sagte Macay erschüttert.

„Die grauen Punkte sind größere Tiere. Hier im Süden würde sich die Jagd heute lohnen. Eine Herde Waldantillopen. Tja, und im Norden: rot, rot, rot. Das sind Kaiserliche. Die sind hinter euch her. Wie ihr feststellen könnt, sind sie noch weit entfernt, nähern sich aber. Drei Tage bei diesem Tempo und sie haben die Ruinenstadt erreicht.“

„Mir ist aufgefallen, dass sich die Kaiserlichen bisher immer nördlich von uns aufgehalten haben“, sagte Macay nachdenklich. „Haben sie einen Stützpunkt irgendwo im Norden?“

„Das wäre eine mögliche Erklärung dafür“, sagte Abrah. „Fällt dir noch eine andere ein?“

„Eine andere? Nein.“

„Denk nach. Zzorg, Rall: Habt ihr euch schon Gedanken darüber gemacht?“

„Sie werden einen Stützpunkt dort haben, wie Macay schon sagte.“

Abrah sah von einem zum anderen, aber es kam kein weiterer Vorschlag. „Nun, denkt euch die Kaiserlichen einmal als Jäger“, sagte er schließlich. „Wenn der Jäger immer nördlich von seiner Beute auftaucht, was sagt euch das?“

„Er will sie nach Süden treiben“, antwortete Macay überrascht. „Ist das ihre Absicht? Wollen uns die kaiserlichen Truppen nach Süden abdrängen? Aber warum?“

„Das ist eine gute Frage. Im Süden, von Heimstadt aus gesehen, befinden sich der Alte Wald und diese Ruinenstadt. Weiter im Südosten und an der Küste entlang leben die Echsenwesen. Sicherlich haben die Kaiserlichen nicht vor, euch dorthin zu schicken. Zwischen dem Alten Wald und den Echsenwesen ist auf der Karte des Nebelkontinents nichts Auffälliges verzeichnet.“

Macay fiel diese vorsichtige Formulierung Abrahs auf. „Was zeigt der Zaubertisch?“, fragte er.

Abrah lächelte. „Je weiter entfernt etwas von dieser Stadt ist, desto undeutlicher und kleiner wird es auf dieser Glasfläche dargestellt. Wenn ich mir also das Gebiet viele hundert Meilen südlich von hier zeigen lasse, sind Einzelheiten nicht mehr zu erkennen.“

„Tu es trotzdem“, forderte Rall.

Abrah nahm an den Kontrollinstrumenten Einstellungen vor und das Bild auf dem ringförmigen Glastisch änderte sich.

„Ah, das Gebirge“, sagte Rall und zeigte darauf. „Dort unten gabelt es sich. Das dreieckige Gebiet zwischen diesen Gebirgszügen, bis hinunter zum Meer, wird von einer besonderen Abart von Zzorgs Rasse bewohnt. Was ist das hier?“ Er deutete auf einen hellgrünen Fleck mitten im Gebirge.

„Offensichtlich irgendein Tal“, sagte Abrah wegwerfend. Er schaltete die Anzeige schnell wieder in den ursprünglichen Zustand zurück. „Aber euch Dreien entgeht der eigentliche Sinn meiner Worte. Was nicht auf der Karte zu sehen ist - liegt vielleicht unter ihr.“

„Das Herz des Nebelkontinents!“, rief Macay.

„Richtig. Irgendwo unter den Gebirgszügen südlich von hier befindet sich, der Legende nach, dieser geheimnisvolle Ort. Wie es scheint, sind die Kaiserlichen sehr daran interessiert, dass ihr diesen Ort findet.“

„So etwas haben die Zwirge schon angedeutet.“

„Sie wissen vermutlich sehr viel mehr, als sie zugeben.“ Abrah drückte wieder ein paar Knöpfe auf der Bedienkonsole. Das Bild auf der Glasscheibe änderte sich erneut, die nähere Umgebung des Hauses wurde deutlicher dargestellt. „Das ist die Stadt, die ihr Ruinenstadt nennt“, sagte er. „In dieser Stadt, die einst von den Alten Menschen gegründet wurde, befindet sich ein Schlüssel. Er erlaubt den Zugang zu einem Tunnelsystem, das unter der Stadt beginnt. Es führt zum Herzen des Nebelkontinents. Wenn ihr also dorthin wollt, müsst ihr erst den Schlüssel und dann einen Eingang zum Tunnel finden“

„Man sagt, der Pil entspringe unter dem Gebirge. Führt er zum Herzen?“

„Vielleicht. Aber ich würde an eurer Stelle diesen Weg nicht wählen. Schau.“

Staunend sah Macay, wie der breite, schmutzige Fluss aus einer Felsöffnung stürzte, schäumend sein Bett fand und dann durch die Ruinenstadt floss. Die Stelle, an der er aus dem Felsen kam, wirkte nicht wie ein Höhleneingang, sondern eher wie ein enger Einschnitt. Das Wasser füllte ihn völlig aus.

„Der Pil ist der Abwasserkanal der Alten Menschen“, erklärte Abrah. „Ob sie ihn absichtlich dazu gemacht haben oder ob er in der Zeit ihres Niedergangs durch ein Unglück dazu wurde, wissen wir nicht. Seine Funktion ist es jedenfalls, Schmutz und Gift aus dem Körper des Nebelkontinents zu spülen. Solche Mengen an Gift, dass die Maschine hier im Haus nicht damit fertig werden würde.“

„Noch nie hat jemand das Herz des Nebelkontinents betreten“, sagte Zzorg düster.

„Nie ist ein großes Wort. Es ist bekannt, dass es Wege dorthin gibt und der Schlüssel dazu sich im nördlichen Teil der Ruinenstadt befindet. Jemand muss dieses Wissen gesammelt und weitergegeben haben, wenn auch vor langer Zeit. Vermutlich ist im Laufe der Jahrhunderte immer wieder jemand in dieses Höhlensystem eingedrungen, auch wenn sich die Namen dieser Helden - oder Verbrecher - nicht erhalten haben.“

„Wieso Verbrecher?“, wollte Macay wissen.

„Weil es, wie bei vielen geheimnisvollen Orten, auch über das Herz des Nebelkontinents Sagen gibt, die von großen Schätzen sprechen. Von mehr Gold, als der reichste Mensch je besessen hat, von Elixieren der Unsterblichkeit, ja der Göttlichkeit. Von Waffen, mit denen man ganze Landstriche entvölkern kann. Und dergleichen Märchen mehr.“

„Und? Stimmen diese Märchen?“

Abrah lachte. „Vielleicht. Man sagt ja, jede alte Geschichte habe ihren wahren Kern. Aber um das herauszufinden, müsst ihr schon selbst nachsehen. Und den Weg zum Herzen des Kontinents überleben. Es soll viele Gefahren geben, dort unter der Erde, auch wenn nicht bekannt ist, welche.“

„Du weißt erstaunlich wenig für einen Mann, der so vieles weiß“, sagte Rall misstrauisch. „Genug, um uns das Maul wässerig zu machen und uns auf den Weg zu schicken, aber nicht genug, um uns wirklich zu helfen.“

„Ich habe viel geforscht, gelesen, nachgedacht. Wenn ich euch über alles informieren würde, was ich vermute oder ahne über die Reise, die vor euch liegt, so würde das viele Tage in Anspruch nehmen. Ihr würdet das meiste nicht einmal verstehen.“ Abrah lächelte, um das nicht als Beleidigung erscheinen zu lassen. „Es wird Abend. Geht nun. Ich werde morgen keine Zeit mehr für euch haben, meine Aufgaben verlangen vollste Konzentration. Auf Wiedersehen also. Ich wünsche euch alles notwendige Glück. Und wo Glück nicht hilft, Mut, Entschlossenheit und Einsicht.“

Abrah drückte jedem von ihnen feierlich die Hand und brachte sie zurück nach unten, ohne auf weitere Fragen einzugehen.

Nachdenklich kehrten die drei Freunde zurück zu dem Haus, in dem ihre Vorräte lagerten.

Macay-Saga 1-3

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