Читать книгу Macay-Saga 1-3 - Manfred Rehor - Страница 6
ОглавлениеEszger
Die Tore der Siedlung waren durchbrochen worden und lagen in Stücken neben der teilweise niedergerissenen Palisade, die den Ort umgeben hatte. Aus einigen Holzhütten züngelten Flammen, die meisten qualmten nur noch. Die Steinbauten schienen auf den ersten Blick unversehrt, doch als Macay näher kam, sah er eingeschlagene Türen und Fenster.
Auf den Straßen lagen Tote. Menschen, Katzer und auch einige Echser. Wie betäubt ging Macay immer näher heran, bis ihn Rall aufhielt. Sie blieben beim ehemaligen Südtor stehen und betrachteten die Szenerie.
Während Macay zwischen Mitleid, Wut und Angst schwankte, musterte Rall alles mit scharfen Augen und zog seine Schlussfolgerungen. „Die meisten Einwohner konnten offenbar rechtzeitig fliehen“, sagte er. „Es sind weder Frauen noch Kinder unter den Toten. Der Überfall ist am frühen Morgen erfolgt, vermutlich kurz nach der Morgendämmerung, und es dürften zwei Dutzend Angreifer gewesen sein.“
„So wenige?“, fragte Macay verwundert. „Das sieht aus, als wäre eine ganze Armee über das Dorf hergefallen.“
„Es waren gut ausgerüstete Soldaten.“ Rall deutete auf einen verkrümmten Körper, der nicht weit entfernt von ihnen lag. „Schwerter aus bestem Stahl. Flexible, hochwertige Lederrüstungen. Erstklassige Bogen und Pfeile mit Stahlspitzen. Auch wenn ich keine Uniform entdecken kann und sicherlich auch die Waffen keine Embleme tragen, eines ist klar: Das waren kaiserliche Elitesoldaten.“
„Ich denke, kaiserliche Truppen können den Nebelkontinent nicht erobern!“
„Erobern nicht, aber terrorisieren. Doch auch die Elitesoldaten wären hier machtlos, wenn sie keine Unterstützung hätten. Schau dir die Tore und die Palisaden an. Versengt und geborsten, als wären glühende Kometen in sie gefahren. Die Soldaten brauchten den Ort nicht zu belagern, sie haben den Schutzwall zerstört und sind hineingestürmt.“
Macay wurde unheimlich zumute, was auch mit der einsetzenden Dunkelheit zu tun hatte. „Wie hätte ihnen das gelingen sollen?“
„Magie.“
„Zauberei? Das ist doch Unsinn. Zauberer gibt es nur in Märchen.“
„Sicher. Klar. Du wirst wohl recht haben.“ Rall ging jetzt in den Ort hinein und begann, die Leichen und die Waffen zu untersuchen. Es war ein ekelhaftes Geschäft, und Rall sank in Macays Einschätzung noch tiefer, weil er so ungerührt blieb.
„Wir brauchen besser Ausrüstung, wenn wir die nächsten Wochen überleben wollen“, rief Rall ihm zu, als hätte er Macays Gedanken geahnt.
Macay konnte sich nicht überwinden, Rall bei dieser Arbeit zu helfen. Er blieb am Ortsrand stehen und nahm in Empfang, was der Katzmensch im brachte: Lederrüstungen; Waffen und Munition; einige wenige Goldstücke.
Ein paar Leinensäckchen behielt Rall gleich für sich. Sie waren kaum faustgroß und rochen sehr intensiv. „Kräuter“, erklärte er. „Der Heiler des Ortes ist gefallen. Seine Vorräte werden uns noch zustattenkommen.“
Macay konnte kaum noch etwas sehen, so dunkel war es, aber Rall schien keine Probleme zu haben. Er reichte Macay ein Lederwams, eine Hose aus weichem, festem Material, das ebenfalls Leder sein konnte, und Stiefel. „Zieh das an. Auch wenn es nicht ganz passt, es ist besser als die Kleidung aus dem Lager.“
Macay gehorchte, wenn auch schaudernd. Der Gedanke, dass diese Kleidungsstücke von toten Soldaten stammten, war nicht schön. Alles passte, sogar die Stiefel. Rall hatte gutes Augenmaß bewiesen. Anschließend erhielt Macay ein scharfes Kurzschwert mit einer Scheide und einen Ledergürtel sowie einen Rucksack.
Rall zog sich auch Kleidungsstücke über, aber zu Macays Überraschung nur solche aus Stoff, keine aus festem Leder.
„Ich muss beweglich bleiben“, antwortete Rall auf seine Frage. „Zum Beispiel dafür.“
Er hielt einen Bogen vor sich und spannte ihn versuchsweise. Die Waffe war fast so lang wie der Katzmensch, aber Rall ging damit um, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Auch ein Köcher hatte sich angefunden.
Macay nahm einen der Pfeile in die Hand und bewunderte die im Mondlicht glitzernde, gezackte Metallspitze.
„Diese Pfeile sind wertvoll“, sagte Rall, „wie die anderen Waffen auch. Dass man sie zurückgelassen hat, weist auf einen überstürzten Rückzug der Angreifer hin.“
„Bist du sicher?“ Macay sah sich nervös um.
„Keine Sorge, sie sind weg. Jetzt müssen wir uns einen Platz für die Nacht suchen.“
Macay folgte ihm querfeldein Richtung Westen, wo sie einen Bach fanden. An dessen Ufer richteten sie sich ein Lager ein.
Am folgenden Morgen gingen sie vorsichtig um Eszger herum. Macay fragte Rall, was er sich davon verspreche, erhielt jedoch keine Antwort. Sie fanden noch mehr Opfer, die außerhalb oder am Rande des Dorfes lagen. Vor dem Südtor machten sie Rast.
„Was hältst du davon?“, fragte Rall, während er einige der kleinen, sauren Äpfel aß, die er von den Bäumen in der Nähe gepflückt hatte.
„Die Angreifer waren brutal und weit überlegen“, antwortete Macay. Er bekam keinen Bissen herunter angesichts der Toten und des zerstörten Dorfes. „Sie haben den Ort nicht völlig vernichtet. Vielleicht haben sie etwas gesucht und sind abgezogen, nachdem sie es gefunden haben.“
„Das ist ein interessanter Gedanke. Eszger war kein bedeutender Ort. Was mögen die Kaiserlichen wohl hier gesucht haben?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Denk nach! Eszger hat zwei Besonderheiten: Der Ort liegt am Ufer des Pil und hier lebten mehrere Rassen friedlich zusammen. Der Fluss führt von hier aus durch den Dschungel zum Meer - vorbei an dem Arbeitslager, aus dem wir geflohen sind.“
„Das weiß ich“, entgegnete Macay. Das lehrerhafte Gehabe des Katzers ärgerte ihn.
„Der gangbarste Weg für Flüchtlinge führt am Fluss entlang bis hierher nach Eszger.“
„Soll das heißen, die Soldaten haben uns gesucht?“ Macay schreckte bei diesem Gedanken hoch und sah sich um. Die Gegend lag genau so friedlich vor ihnen, wie sie es den ganzen Vormittag getan hatte. Kein Lebewesen war zu sehen.
„Ja, das würde Sinn machen. Du musst lernen, wie deine Gegner zu denken. Die Kaiserlichen sind nicht dumm. Sie haben Gründe für das, was sie tun. Sie haben den Ort angegriffen, weil sie annahmen, wir hätten ihn bereits erreicht. Als sie feststellten, dass wir nicht in Eszger sind, haben sie den Angriff abgebrochen.“
„Warum haben sie uns nicht aufgelauert?“
„Wahrscheinlich glauben sie, wir seien bereits weitergezogen, Richtung Gebirge. Aber sie haben etwas für uns zurückgelassen, falls wir erst nach ihnen hier eintreffen.“
„Eine Falle!“
„Ja. Siehst du sie?“
Macay sah erst Rall mit großen Augen an, dann die Ruinen Eszgers. „Eines fällt mir auf: Seit gestern liegen die Leichen offen herum. Aber es sind keine wilden Tiere erschienen, um sie zu fressen. Es sind keine Geier in der Luft. Alles sieht noch genau so aus, wie direkt nach dem Kampf.“
„So ist es. Die Tiere wissen, dass sie sich von diesem Ort fernhalten müssen. Auch die Einwohner von Eszger sind noch nicht zurückgekehrt. Sie werden einen Grund dafür haben. Ich kann ihn spüren.“
„Ich nicht.“
„Du bist nur ein Mensch. Deine Sinne sind zu stumpf. Du kannst die Aura der Bedrohung nicht wahrnehmen, die über Eszger liegt.“
Macay ignorierte diese Herabsetzung. Er dachte schon weiter: „Wenn die Kaiserlichen eine Falle für uns aufgestellt haben, dann wäre es dumm, eine zu wählen, die ein Katzmensch erspüren kann. Das bedeutet, sie wissen nicht, dass du bei mir bist.“
„Stimmt. Endlich fängst du an, deinen Kopf zu gebrauchen. Wie es aussieht, haben sie nur dich gesucht.“
„All diese Toten ...“ Macay konnte nicht weitersprechen, so sehr schockierte ihn der Gedanke.
Rall sah ihn gelassen an, als ginge es um eine Belanglosigkeit.
„All diese Toten nur wegen mir?“, sagte Macay schließlich. „Wegen eines einzelnen Flüchtlings? Das kann nicht sein.“
„Es ist so. Auch die Falle gilt nur dir.“
Macay sprang auf. „Dann lass uns abhauen!“
„Und das Dorf so zurücklassen? Nein. Die Einwohner könnten nie wieder hierher zurückkehren. Wir müssen die Bedrohung beseitigen, damit sie Eszger wieder aufbauen können.“
„Und wie sollen wir das tun?“
„Das ist doch ganz einfach“, sagte Rall. Sein Grinsen wurde so bösartig, wie Macay es bisher nie gesehen hatte. Selbst nicht, nachdem der Katzmensch den Kopfgeldjäger erledigt hatte. „Wir gehen in die gestellte Falle.“
Rall stand auf und ging langsam auf das geborstene Südtor zu.
„Halt, warte! Um was für eine Falle handelt es sich eigentlich?“, rief Macay hinter ihm her.
Ohne sich umzusehen, antwortete Rall: „Um einen Dämon. Aber keine Sorge, es ist nur ein kleiner.“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein. Erstens gibt es keine Dämonen und zweitens kann man nicht gegen sie kämpfen. Sie sind unbesiegbar.“
„Klar sind sie unbesiegbar, wenn es sie gar nicht gibt“, frotzelte Rall. Er ging ohne jede Vorsicht in den Ort hinein.
Macay folgte ihm zögernd bis zu einem großen Steinhaus im Zentrum, das weitgehend von Zerstörungen verschont geblieben war.
„Das Haus des Rats von Eszger“, erklärte Rall. „In ihm fanden die öffentlichen Beratungen der Ortsältesten statt. Dort wartet er. Hör mir jetzt gut zu, Macay. Du musst gegen diesen Dämon kämpfen. Er ist vermutlich nicht sehr mächtig, aber fast unverletzlich. Jedenfalls für normale Waffen.“
„Wie soll ich dann gegen ihn kämpfen?“
„Wir können ihn gemeinsam besiegen, wenn ich die Gelegenheit erhalte, ihn zu schwächen. Du wirst ihn mit deinem Schwert ablenken und versuchen, dich dabei so lange wie möglich aus seiner Reichweite zu halten. Ich nutze mein Wissen als Heiler, um ihm die Energie zu entziehen. Je schwächer er wird, desto empfindlicher wird er für gewöhnliche Waffen. Das ist dann deine Chance. Verstanden? Gut, dann gehen wir hinein.“
Sie gelangten durch ein Vorzimmer in den Versammlungssaal. Das Dach des Gebäudes war teilweise eingestürzt. Macay konnte im hellen Tageslicht das Innere betrachten.
Genau im Zentrum des Saals, zwischen zertrümmerten Sitzbänken und Stühlen, stand auf einem Sockel eine merkwürdige Skulptur. Sie war etwas kleiner als ein Mensch, aber auf schreckliche Weise fremdartig. Ihr Körper glänzte schwärzlich-grün und schillerte wie der Chitinpanzer großer Insekten. Der Kopf glich einer gepanzerten Hundeschnauze, über der rotglühende Augen blicklos geradeaus starrten. Lang abstehende Ohren waren wie Hörner von seitlich nach oben an diesem Kopf angebracht.
Während sich Macay noch fragte, was sich der Bildhauer bei diesem Ausbund von Scheußlichkeit gedacht haben mochte, nahm er ein Zucken der langen Ohren wahr. Vor Schreck machte Macay einen Sprung rückwärts und zog das Kurzschwert.
Ganz langsam drehte sich der Kopf des Monsters. Seine Augen fixierten Macay.
„Viel Glück“, rief Rall.
Macay drehte sich um und sah, wie der Katzmensch hinter umgeworfenen Stühlen und Teilen des herabgestürzten Daches in Deckung ging.
„Sieh nach vorne!“, forderte Rall ihn auf. „Da kommt dein Gegner.“
Das Monster stieg ungelenk vom Sockel und stakste auf steifen Beinen auf Macay zu. Macay hatte keinerlei Erfahrung im Schwertkampf. Für einen Moment dachte er ans Davonlaufen, aber er wollte sich vor Rall keine Blöße geben. Langsam ging er einige Schritte seitwärts. Der Dämon änderte seine Richtung ebenfalls. Er wurde von Sekunde zu Sekunde schneller und beweglicher. Es schien, als würden seine Glieder nach dem langen Stehen auf dem Sockel erst nach und nach ihre Elastizität wiedergewinnen. So widerlich er aussah, noch wirkte er eher betulich als bedrohlich. Unerwartet machte er dann plötzlich einen riesigen Satz und stand direkt vor Macay.
Macay wich zurück und stieß mit dem Kurzschwert zu. Die Klinge glitt von dem Chitin des Panzers ab und verursachte nicht einmal einen Kratzer.
Der Dämon erwischte Macay an der Schulter. Macay sah Blut von den Klauen des Dämons tropfen, aber er empfand keinen Schmerz. Er rannte in eine andere Ecke des Raumes. Dort brachte er ein paar zertrümmerte Sitzbänke zwischen sich und den Angreifer.
Der ließ sich für einen Moment irritieren. Oder doch nicht? Zum ersten Mal wandte sich der Blick seiner rotglühenden Augen von Macay ab und wanderte suchend durch den Raum.
„Es funktioniert“, rief Rall aus seinem Versteck. „Mach weiter.“
Gegen jede Vernunft empfand Macay eine Art Kampfeslust. In den Straßen seiner Heimatstadt Mersellen hatte er gelernt, dass man sich wehren musste. Er nutzte die Unaufmerksamkeit seines Gegners, sprang auf einen Stuhl und stach ihm mit dem Schwert direkt in die Brust. Diesmal spürte er deutlich, wie die Klinge in den Panzer eindrang. Nur wenig, aber immerhin.
So schnell er konnte, rannte er davon. Zu seiner Überraschung versuchte der Dämon nun nicht, ihn einzuholen. Hatte diese kleine Verletzung ihn bereits geschwächt? Macays Hoffnungen wurden schnell zunichtegemacht.
Der Dämon streckte seine linke Klaue in seine Richtung und ...
Macay warf sich in einer unbewussten Reaktion auf den Boden, bevor er überhaupt verstandesmäßig erfasst hatte, was vor sich ging.
Von den Klauen des Dämons lösten sich die Nägel und rasten wie Geschosse in Macays Richtung. Begleitet wurde dieser Angriff von dem ersten Laut, den der Dämon von sich gab, einem tiefen, grollenden Stöhnen, so als würde diese Aktion ihm körperliche Schmerzen bereiten.
Wie stählerne Armbrustbolzen durchschlugen die Krallen die Möbel, hinter denen Macay lag. Entsetzt sah er, wie sich neben ihm ein solches Ding tief in den steinernen Fußboden bohrte.
Bevor Macay sich von seinem Schrecken völlig erholt hatte, war der Dämon über ihm. Macay rollte sich seitwärts weg und stieß mit dem Schwert nach oben.
Diesmal drang die Klinge in den gepanzerten Oberarm. Der Dämon zuckte mit einem erschrockenen Quieken zurück. Er hörte sich weniger nach einem Monster an, als nach einem verschreckten Ferkel.
Zu Macays großem Glück wandte sein Gegner nun wieder den Kopf suchend der Stelle zu, an der Rall sich versteckte. Macay nutzte diese Chance, um noch einmal zuzustoßen und dann ein paar Schritte Abstand zu gewinnen.
Sein Schwert verursachte eine klaffende Wunde, aus der eine dunkle, sirupartige Flüssigkeit drang, die dampfend auf den Boden tropfte.
Rall sprang aus seinem Versteck und rief mit einer weit ausholenden Geste: „Du bist vernichtet!“
Der Dämon wandte sich ihm zu und jagte die Nägel seiner anderen Klaue auf ihn, aber er traf nicht.
„Gib ihm den Gnadenstoß!“, forderte Rall Macay auf.
Doch das Monster war noch nicht besiegt. Mit einem Satz war es bei Rall, den es nun offenbar als den gefährlicheren Gegner einschätzte.
Der unvorsichtige Katzer wurde überrascht. Stahlharte Klauen legten sich um seinen Hals und drückten zu. Hätte der Dämon noch seine Krallen gehabt, hätte er damit vermutlich Ralls Kopf einfach abtrennen können. So aber besann er sich auf seine anderen natürlichen Waffen. Er öffnete sein Maul und senkte es auf den Katzer herunter. Lange, spitze Zähne, von denen grünliches Gift tropfte, waren bereit, Rall zu zerfetzen.
In diesem Moment stieß Macay mit einem gewaltigen Hieb sein Schwert von hinten in die Mitte des Dämonenleibs. Die Klauen öffneten sich, Rall fiel zu Boden.
Der Dämon richtete sich auf, als wollte er nun erst recht den Kampf aufnehmen - und zerplatzte im nächsten Moment aus der Mitte seines Körpers heraus in Abertausend kleine Funken, die wie Leuchtkäfer durch die Luft flogen und erloschen. Binnen weniger Augenblicke war keine Spur mehr von ihm vorhanden. Nur die Löcher, die sein Blut in den Steinfußboden gefressen hatte, zeugten von seiner Anwesenheit, und die scharfen Krallen, die in den Wänden und im Boden steckten.
„Ein schöner Kampf“, sagte Rall, nachdem er sich erholt hatte. Lässig richtete er sich auf und schüttelte sich.
„Ich habe dir das Leben gerettet“, sagte Macay.
Gelassen, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen, ging Rall zu dem Sockel, auf dem der Dämon gestanden hatte. „Ach, was. Ich hätte mich jederzeit selbst retten können. Steh nicht herum, wir benötigen ein Werkzeug, um dieses Ding zu zertrümmern.“
Macay überkam erst jetzt der volle Schrecken der überstandenen Gefahr. Ihm schwindelte. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder im Griff hatte.
„Was ist mit dir?“, fragte Rall. Dann sah er Macays blutende Schulterwunde. „Oh, ein Kratzer.“ Aus seiner Umhangtasche nahm er einen der kleinen Leinenbeutel mit Kräutern. Er schüttete ein Häufchen Kräuter auf seine Hand, führte sie zum Mund, kaute gründlich auf den Kräutern herum und spukte den entstandenen Brei wieder auf seine Hand. Dann hieß er Macay, sein Lederwams und das Hemd auszuziehen und verteilte den Brei auf der Wunde.
Die lindernde Wirkung setzte so schnell ein, dass Macay gar nicht dazu kam, sich über diese unsaubere Methode der Wundbehandlung zu beschweren. Die Wunde hörte auf zu bluten, der Schmerz verschwand und eine wohlige Wärme breitete sich aus.
„Danke. Als Heiler bist du wirklich gut. Ist der Sockel gefährlich?“
„Nein. Aber wir müssen nachsehen, was sich darin befindet. Um einen herbeigerufenen Dämon an einen Ort zu binden, muss ein Artefakt vorhanden sein. Ich vermute es in dem Stein. Los, wir suchen im Ort nach einem kräftigen Hammer. Irgendwo nahe dem Nordtor muss der Schmied seine Werkstatt gehabt haben. Sehen wir dort nach.“
Wenige Minuten später waren sie mit einem schweren Schmiedehammer wieder zurück. Mit gemeinsamer Anstrengung gelang es ihnen, den Hammer zu schwingen und mehrmals auf den Steinsockel fallenzulassen. Sie durchsuchten die Trümmer. Macay entdeckte schließlich einen Silberring, der einen rotglühenden kleinen Edelstein trug. Die Farbe erinnerte ihn unangenehm an die Augen des Dämons.
„Wir werden seine Eigenschaften untersuchen lassen“, erklärte Rall. „Kann sein, dass er seinem Träger schadet, kann sein, dass er seinem Träger nützt. Bevor wir das wissen, müssen wir vorsichtig sein.“ Er wickelte den Ring in ein Stück Stoff und steckte ihn ein. „So, nun wird es Zeit, die Bewohner des Dorfes zu finden und ihnen zu erzählen, dass sie unbesorgt zurückkehren können.“
Bevor sie gingen, holten sie mit Hilfe des Hammers noch drei der Krallen des Dämons aus dem Gestein. Sie waren tiefschwarz, geformt wie kleine Speerblätter und hart wie Diamant. Als sie versuchsweise den Hammer auf einen davon knallen ließen, blieb das Gebilde heil, der Hammerkopf zeigte eine Delle.
„Interessant, aber zu nichts zu gebrauchen“, sagte Rall.
Macay steckte sie trotzdem ein. „Vielleicht finden wir jemanden, der bereit ist, uns Geld dafür zu geben.“
Sie verließen den Ort in Richtung Norden und folgten den Spuren der geflohenen Bewohner von Eszger bis an den Rand eines Laubwalds. Hier blieb Rall stehen.
„Egal, was passiert, greife nicht zur Waffe“, sagte er zu Macay.
Macay nickte. Er konnte in dem Wald nichts Besonderes erkennen. Bäume, Büsche, Gras und Moos, und darüber in der Luft Vögel, die zwitscherten. Ein Specht hämmerte in der Nähe und eine vorwitzige Maus rannte über einen Sonnenfleck und verschwand in ihrem Loch. Alles war so ruhig und normal, dass es gar nicht Wirklichkeit sein konnte nach all den Abenteuern, die er in den letzten Tagen erlebt hatte.
Da Rall sich auf einen Stein am Wegrand setzte, fragte Macay ihn schließlich, worauf er warte.
„Wir werden beobachtet. Die Leute, die sich im Wald verstecken, wissen nicht, wer wir sind. Wir könnten Kaiserliche sein, die sie in eine Falle locken. Oder Wegelagerer, die die Not der Flüchtlinge ausnutzen wollen. Wir müssen Geduld haben und abwarten.“
Die Sonne beschrieb über ihnen einen weiten Bogen, ohne dass Rall eine Spur von Ungeduld zeigte. Erst als Macay aufsprang und rief: „Vorsicht, da kommt jemand!“, kam Leben in den Katzmenschen. Er stand auf, dehnte sich und schaute in die angegebene Richtung.
Drei Personen kamen aus dem Wald heraus: ein Echser, eine Frau und ein Katzmensch. Alle drei waren bewaffnet und sahen Rall und Macay misstrauisch an.
„Was wollt ihr?“, fragte die Frau.
„Wir haben Eszger von dem Dämon befreit, den die Kaiserlichen hinterließen. Wir dachten, das sei euch eine Belohnung wert.“
„Unsere Kundschafter sind eben zurückgekommen und haben berichtet, dass der Dämon weg ist. Falls tatsächlich ihr ihn getötet habt, dann gebührt euch unser Dank und unsere Gastfreundschaft. Mehr haben wir leider nicht zu bieten. Wir sind arm, besonders nachdem unser Ort zerstört wurde.“
Macay zog eine der Krallen aus der Tasche und präsentierte sie den staunenden Eszgern. „Ist euch das Beweis genug?“
„Nun, es reicht, um euch Glauben zu schenken“, sagte die Frau, nachdem sie die Kralle untersucht hatte. „Mein Name ist Mirjam, ich bin die Dorfsprecherin, nachdem unser Ältester Edylf beim Angriff der Kaiserlichen ums Leben gekommen ist. Folgt mir, ich bringe euch in unser Lager.“
Doch der Katzmensch in ihrer Begleitung hielt sie zurück: „Wir haben unsere Gäste noch nicht nach ihren Namen gefragt. Bevor wir einen Fremden von meiner Rasse ins Lager lassen, möchte ich wissen, wer er ist.“
Rall verbeugte sich. „Mein Name ist Rall, jedenfalls lautet so die Kurzform.“ Er stieß ein paar zischende, mauzende Laute aus. „Das ist mein voller Name. Und dieser Junge hier heißt Macay.“
„Rall!“, sagte der Katzmensch überrascht. Er trat ein Stück zurück und musterte Rall. „Es könnte sein. Du bis sehr viel magerer geworden. Und älter. Dein Fell hat arg gelitten. Aber, ja, du bist es. Was ist dir zugestoßen, dass du sogar deinen Eigengeruch verloren hast?“
„Das ist eine lange Geschichte, die ich lieber an einem gemütlichen Lagerfeuer erzähle, als hier mitten auf dem Weg. Aber da wir schon dabei sind: Wie lautet dein Name?“
„Mazu.“
„Hm. Ich glaube, ich kannte dich, als du noch sehr klein warst, Mazu. Weit oben im Norden ... Aber das würde jetzt zu weit führen. Geht voraus, wir folgen euch.“
Während sie in den Wald hineingingen, unterhielten sich Mazu und Mirjam leise, dann wandte sich Mazu an Rall. „Du weißt, dass Zzorg seit einigen Monaten in Eszger lebt?“, fragte sie.
„Zzorg!“ Rall blieb stehen. „Warum ist er nicht hier?“
„Er wurde beim Rückzugsgefecht verletzt. Zusammen mit ein paar Tapferen hat er die Kaiserlichen daran gehindert, uns in den Wald zu folgen. Nur wenige von ihnen haben die Heldentat überlebt.“
„Wie ist sein Zustand?“
„Kritisch“, antwortete Mazu.
„Warum stehen wir dann noch hier?“, rief Rall. „Los, weiter!“
„Wer ist Zzorg?“, fragte Macay.
„Du wirst schon sehen“, sagte Rall. „Hoffentlich kommen wir nicht zu spät.“
Schneller als bisher eilten sie durch den Wald. Macay hörte, wie Mirjam zu einem ihrer Begleiter sagte: „Rall ist der berühmteste Heiler, den die Katzmenschen je hatten. Wenn er es nicht schafft, dann keiner.“
Nach langem Marsch erreichten sie die provisorischen Unterstände auf einer Waldlichtung. Männer, Frauen und Kinder sah Macay hier, wobei die Menschen in der Minderzahl waren. Macay starrte vor allem die Echser so offen an, dass er schließlich selbst bemerkte, wie unhöflich er war. Aber die Echser hatten auch einen sehr starren Blick, wahrscheinlich fiel ihnen Macays Verhalten gar nicht auf.
Echser verfügten über menschenähnliche Gestalt. Ihr Körper war von einer dicken Haut überzogen, deren Farbe je nach Körperteil von Giftgrün bis Milchig-weiß reichte. Sie gingen aufrecht, wirkten aber recht wackelig dabei. Die Beine waren kürzer als bei Menschen, der Oberkörper dafür aber länger und in den Schultern breiter. Beeindruckend war ihr ins riesige vergrößerter Eidechsenkopf mit einem großen Maul voller scharfer Zähne, aus dem eine lange Zunge herausschießen konnte.
Niemand kümmerte sich um Macay, deshalb rannte er hinter Rall her, nachdem er sich sattgesehen hatte. Man führte den Katzer zu einem Zelt, das als Lazarett diente. Mehrere Verwundete lagen hier auf Decken. Die meisten hatten Schnittverletzungen von Schwertern, einige auch Verbrennungen.
Der hintere Teil des Zeltes war durch einen Vorhang abgeteilt. Hier lag ein bewusstloser Echsenmann. Sein Körper trug viele Verbände, durch die eine gelbliche Flüssigkeit sickerte. Der Gestank war fürchterlich. Macay ging schnell wieder hinaus, weil er befürchtete, sich übergeben zu müssen. Aber er wollte unbedingt sehen, ob Rall wirklich ein großer Heiler war, deshalb holte er tief Luft und kehrte nach ein paar Minuten zurück zu dem Krankenbett.
Rall war von dem durch viele Verletzungen gezeichneten Echsenkrieger nicht beeindruckt. Er ließ alle Verbände entfernen und begann dann, jede Wunde einzeln zu untersuchen. Es war ein schrecklicher Anblick. Einige Stellen ließ er gleich wieder frisch verbinden.
„Die heilen von alleine ab“, erklärte er den Umstehenden. „Die Körper der Echsenmenschen haben eine sehr gute Selbstheilfähigkeit.“
Andere Wunden waren kritischer oder bereits von Infektionen befallen. Rall nutzte in bekannter Weise die Kräuter, die auch Macay geholfen hatten. Dann ließ er die Wunden durch starke Druckverbände verschließen. Als er damit fertig war, war auch sein Vorrat an Kräutern aufgebraucht.
Der Echser hatte während der ganzen, fast eine Stunde dauernden Behandlung kein Lebenszeichen von sich gegeben. Wäre nicht ein leichtes Pulsen in der Brust zu erkennen gewesen, hätte man ihn für tot halten können.
„Die Schreckstarre wird noch einen halben Tag anhalten“, erklärte Rall. „Echser können so ihren Körper schonen. Es wird aber mindestens eine Woche dauern, bis er aufstehen kann.“ Er begann einen leisen, mauzenden Gesang.
Mirjam drängte alle Zuschauer hinaus. „Die heilenden Gesänge dürfen nicht unterbrochen werden“, erklärte sie. „Außerdem haben wir noch mehr als genug zu tun. An die Arbeit!“
Macay wollte ebenfalls gehen, doch Mirjam rief ihn zurück. „Rall hat mir gesagt, dass du neu bist auf dem Nebelkontinent. Ich muss dich bitten, niemals alleine irgendwo hinzugehen. Falls du die Umgebung von Eszger erkunden willst, wird Mazu dich begleiten.“
„Ich kann mich selbst beschützen“, entgegnete Macay selbstbewusst. „Schließlich habe ich schon gegen einen Dämon gekämpft.“
„Wenn Mazu dich begleitet, wirst du nicht kämpfen müssen. Bitte versprich mir, dich an diese Regel zu halten. Rall wird dir zu gegebener Zeit erklären, warum es notwendig ist.“
Mirjam sah so ernst aus, dass Macay schulterzuckend zustimmte.
Später kehrten die ersten Einwohner nach Eszger zurück. Macay ging mit ihnen. Sie beerdigten die Toten und begutachteten den Schaden an den Häusern und den Palisaden. Der Aufwand für eine Reparatur oder einen Neubau wurde geschätzt, das notwendige Baumaterial herbeigeschafft.
Der Brunnen, von dem das Dorf abhängig war, weil sich das schmutzige Wasser des Pil nicht zum Trinken eignete, wurde untersucht. Es bestand die Gefahr, dass die Angreifer ein langsam wirkendes Gift oder einen Krankheitserreger darin freigesetzt hatten. Rall untersuchte das Wasser, befand es für gut und kehrt zu seinem Patienten im Wald zurück.
Macay half, wo er nur konnte, und seine Hilfe wurde von den Einwohnern auch anerkannt. Waren sie zunächst sehr reserviert ihm gegenüber, lockerte sich ihre Haltung, und bald konnte er sich als einer der ihren fühlen.
Nach einer Woche waren die Palisaden und viele der Häuser instand gesetzt. Der Alltag eines Dorfes kehrte wieder ein. Die in der Umgebung weit verstreuten Bauernhöfe begannen, Waren auf den Markt zu schicken, Jäger versorgten die Einwohner mit Wild.
Zzorg hatte das Bewusstsein wieder erlangt, war aber noch so schwach, dass er auf einer Bahre nach Eszger getragen werden musste. Macay sah nur von Ferne, wie er in das reparierte Haus des Heilers gebracht wurde. Dort arbeitete jetzt Rall.
Die Bewohner von Eszger schickten Boten aus, um von ihrem Schicksal zu berichten und die anderen Orte zu warnen. Diese Boten fragten auch herum, ob ein Heiler oder wenigstens der Lehrling eines Heilers, bereit war, diese Position künftig in Eszger einzunehmen. Da die Dorfbewohner wohlhabend waren, würde es wohl nicht lange dauern, bis ein neuer Heiler gefunden war. Bis dahin versprach Rall, im Dorf zu bleiben.
Als der Echser Zzorg aufstehen konnte, begann er sofort mit allerlei Übungen, um wieder fit zu werden. Macay beobachtete ihn, kam aber nicht ins Gespräch mit ihm. Zzorg war ein schweigsamer Typ. Schon am frühen Morgen war er draußen auf den Wiesen vor Eszger und streckte die Glieder, stärkte seine Muskeln durch Speerwerfen oder rannte auf der Stelle. Macay sah ihm oft zu, wenn er Zeit dazu hatte. Zunächst sahen die Bewegungen des Echsenmannes lächerlich aus, weil er sich auf seinen kurzen Beinen, die in einem weiten O auseinander standen, nicht wie ein Mensch bewegen konnte. Aber bald erkannte Macay eine Flinkheit und Kraft in allen Bewegungen, wie er sie noch nie gesehen hatte.
Zzorg war allerdings noch sehr schwach, verglichen mit früheren Zeiten. Das behauptete jedenfalls Rall, der sich eines Morgens diese Übungen vor dem Südtor ansah. „Er ist einer der größten Kämpfer, welche die Rasse der Echsenmenschen je vorgebracht hat. Schwäche ist etwas, das er an sich nicht duldet. Ich muss ständig aufpassen, damit er sich nicht überfordert.“
„Kennst du ihn schon lange?“
„Seit vielen Jahren. Wir waren gemeinsam …“, Rall zögerte, bevor er weiter sprach, „… lange auf dem Nebelkontinent unterwegs. Bis uns das Schicksal in einen kaiserlichen Hinterhalt führte. Zzorg konnte sich freikämpfen, ich wurde gefangen genommen. So bin ich in einem Arbeitslager gelandet und er ist alleine weiter gezogen.“
Macay betrachtete Rall aus den Augenwinkeln. Auch der Katzmensch hatte sich verändert, seit er in Eszger war. Er war kräftiger geworden. Sein Fell wuchs über die kahlen Stellen und wurde dicht und glänzend, und eindeutig hatte auch Rall an Beweglichkeit und Kraft gewonnen. Sogar seine Backen schienen voller und die Ohren spitzer zu sein.
Nachmittags ging Macay oft mit Mazu entlang des schmutzig-trüben Flusses spazieren. Die Landschaft lag friedlich vor ihnen, und wenn die Sonne schien, war die Gegend um Eszger fast ein kleines Paradies. Mazu erzählte vom Leben auf dem Nebelkontinent und Macay von seinem Erfahrungen im Arbeitslager und von seiner Kindheit in der Großstadt Mersellen auf dem Kaiserlichen Kontinent.
Eines Tages sahen sie in einiger Entfernung Zzorg beim Training. Der Echser rannte auf seinen wackelig wirkenden Beinen am Ufer entlang, als etwas Seltsames geschah: Der über den Fluss hängende Ast eines Baumes fing Feuer. Zzorg rannte auf diesen Baum zu, der Ast zerbarst in brennende Splitter, die in den Fluss fielen. Zzorg verschwand in einem Gebüsch unter dem Baum.
„Was ist da passiert?“, fragte Macay.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Mazu.
Macay kannte sie inzwischen gut genug, um zu merken, dass sie log. Vorsichtig ging er näher an die Stelle heran. Brandgeruch hing in der Luft und dazu noch ein undefinierbarer Hauch von Schwefel. Der Ast, das sah Macay an seinen Überresten, war nicht verdorrt gewesen, sondern hatte in vollem Saft gestanden. Ihn schlagartig zu entzünden und zu zerfetzen bedurfte einer enormen Hitze. Was war hier vorgefallen?
Noch vorsichtiger umging Macay nun das Gebüsch, in dem der Echsenmann verschwunden war. Mazu folgte ihm nur widerwillig. Nichts rührte sich. Schließlich fanden sie Zzorg mit verschränkten Beinen auf dem Boden sitzend. Die Augen in seinem dreieckigen Kopf starrten blicklos ins Leere. Wenn Zzorg wach war, musste er Macay und Mazu nun bemerken, doch der Echser rührte sich nicht.
Macay wagte es nicht, ihn anzusprechen. Er blieb eine ganze Weile stehen, und als Zzorg immer noch kein Lebenszeichen von sich gab, zog er sich leise zurück.
„Er kann zaubern“, sagte Macay auf dem Weg nach Eszger zu Mazu.
„Ich darf dazu nichts sagen“, wich sie ihm aus. „Frag Rall.“
Im Dorf angekommen, suchte Macay nach Rall und stellte ihn zur Rede.
„Das habe ich nie geleugnet“, sagte der Katzmensch. „Sowohl Zzorg als auch ich verfügen über eine, wenn auch schwach ausgeprägte, magische Fähigkeit. Zzorg beherrscht einfache Feuerzauber, während ich Heilzauber und einige damit verbundene Beschwörungen durchführen kann. Es ist nicht unbedingt etwas Besonderes. Es gibt wesentlich fähigere Magier als uns.“
„Gibt es auch menschliche Zauberer, oder nur Katzer und Echser?“
„Wir sind auch Menschen, jedenfalls teilweise“, wies Rall ihn zurecht. „Ja, es gibt auch Zauberer, die nicht zu den Katzmenschen oder Echsenmenschen gehören. Sie sind alle auf dem Nebelkontinent geboren worden, der die Veranlagung zur Magie begünstigt. Einige von ihnen haben aus Gier oder Dummheit ihre Dienste dem Kaiser zur Verfügung gestellt. Vielleicht waren auch Drohungen im Spiel, ich weiß es nicht.“
„Warum konnte Zzorg als Magier den Angriff auf Eszger nicht zurückschlagen?“
„Magie verlangt eine enorme Anstrengung. Es ist nicht so, dass man mit dem Finger auf einen Gegner zeigt, und schon fällt er tot um. Man gibt immer einen Teil seiner Lebenskraft ab, wenn man mit Hilfe der Magie etwas bewirkt. Mit jedem Zauberspruch wird man schwächer.“
„Ist das der Grund dafür, dass du mit Kräutern heilst, statt mit Magie?“
„Kräuter sind eine Art von Magie. Die Magie des Pflanzenreichs. Aber du hast recht, man muss in guter Verfassung sein, um mit Magie etwas zu bewirken. Deshalb ist Zzorg jetzt nicht nur dabei, seinen Körper zu trainieren, sondern auch seinen Geist. Es wird wohl noch zwei, drei Wochen dauern, bis er seine magischen Kräfte wieder voll erlangt hat. Bis dahin sollte auch der neue Heiler im Dorf sein. Dann werden wir weiterziehen.“
„So lange?“
„Warum so ungeduldig?“
„Ich will meine Schwester aus Port Hadlan befreien. Jeden Tag, den ich unterwegs aufgehalten werde, wächst die Gefahr, dass man sie übers Meer in die Karolische Republik bringt. Notfalls muss ich alleine weiterziehen.“
„Unsinn. Die Kaiserlichen sind hinter dir her, vergiss das nicht. Außerdem wollen Zzorg und ich zufällig auch hinüber zur Westküste.“
„Zufällig?“, wiederholte Macay. „Das glaube ich nicht.“
Rall wandte sich wortlos um und ging davon.