Читать книгу Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts - Manuel Jäger - Страница 13
V.Keine Unzulässigkeit aus dem Spannungsverhältnis der Bezugnahmeklauseln
ОглавлениеZweifel an einer Zulässigkeit von Bezugnahmeklauseln werden, ohne jedoch eine generelle Unzulässigkeit einer einzelvertraglichen Bezugnahme zu fordern, vor allem mit Blick auf ein Spannungsverhältnis zwischen Bezugnahmeklausel und Tarifautonomie geäußert.16 Die Kritiker berufen sich darauf, dass durch eine umfassende Verwendung von individualvertraglichen Bezugnahmeklauseln Reibungen und Kollisionen mit der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG entstünden.17 Ausgangspunkt ist, dass weder ein tarifgebundener noch ein tarifungebundener Arbeitgeber nach der Gewerkschaftszugehörigkeit potenzieller Arbeitnehmer fragen darf und dementsprechend „sicherheitshalber“ mit sämtlichen Arbeitnehmern eine Bezugnahmeklausel vereinbart.18 So ist aus Sicht des Arbeitgebers gewährleistet, dass für alle in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer die gleichen Arbeitsbedingungen gelten. Dieses Vorgehen laufe den Interessen der Gewerkschaften zuwider und würde sie in Art. 9 Abs. 3 GG verletzen, so die Argumentation der Kritiker.19 Denn durch die Vereinabrung einer Bezugnahmeklausel habe auch ein Außenseiter die Möglichkeit, in den Genuss der durch Tarifvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen zu kommen. Sie bemerken weiter, Bezugnahmeklauseln würden somit zur Entbehrlichkeit eines Gewerkschaftsbeitritts führen, was eine Schwächung der Position der Gewerkschaften zur Folge habe.20 Damit gehe ein klarer Vorteil für nicht organisierte Arbeitnehmer einher, die – ohne eigenes Engagement und ohne Beitragszahlungen an die Gewerkschaft – an den erkämpften tariflichen Leistungen partizipieren könnten.21 Dieses „Trittbrettfahren“ vieler Arbeitnehmer könne durch die zunehmende Schwächung der Gewerkschaften zu einem Absinken des Tarifniveaus oder im Extremfall sogar zu Arbeitsbedingungen, die nicht auf einem Tarifvertrag beruhen, führen.22
Diese genannten Umstände berühren jedoch – wie von den Kritikern selbst hervorgehoben – nicht die Frage der Zulässigkeit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel an sich. Denn die mit Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie ist selbst dann weder mittelbar noch unmittelbar verletzt, wenn man annähme, eine weite Verbreitung von Bezugnahmeklauseln führte zu einer Schwächung der Gewerkschaften.23
Um dennoch eine Abstufung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Außenseitern zu erreichen, sind die Gewerkschaften zunehmend bestrebt, in Tarifverträgen sog. Differenzierungsklauseln zu vereinbaren. Diese Klauseln geben tarifvertragsschließenden Koalitionen die Möglichkeit, dass tarifrechtliche Leistungen allein an die Gewerkschaftsmitglieder entrichtet werden. Nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern soll die zusätzliche tarifliche Leistung dann verwehrt bleiben.24 Das BAG hält sog. einfache Differenzierungsklauseln für zulässig.25 Die sog. qualifizierten Differenzierungsklauseln26 seien jedoch, so das BAG, zwingende und damit um unwirksame Klauseln.27 Allerdings judiziert das BAG in Sachen Differenzierungsklauseln nach wie vor sehr restriktiv, was im Ergebnis dazu führt, dass die Anzahl arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge trotz zulässiger einfacher Differenzierungsklauseln nicht abnimmt.28