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Einleitung

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Das kirchliche Arbeitsrecht ist als Teilrechtsgebiet des Arbeitsrechts einzuordnen, das zugleich Staatskirchenrecht ist und durch die besondere Beziehung zwischen Kirche und Staat geprägt wird. Es umfasst alle Rechte und Pflichten eines zwischen einem kirchlichen Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsverhältnisses. Eine besondere Stellung nehmen dabei die arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln ein. Bei ihnen handelt es sich um eine weder im kirchlichen noch im säkularen Arbeitsrecht normierte Möglichkeit, außerhalb des Arbeitsvertrages stehende arbeitsrechtliche Bestimmungen eine individualvertragliche Geltung zu verleihen. Bezugnahmeklauseln erklären vor allem bestimmte kollektive Arbeitsrechtsregelungen – unabhängig von ihrem Rechtsgehalt – für anwendbar und machen diese Regelungen zum Bestandteil des Arbeitsvertrages. Die Klauseln müssen daher immer im Zusammenhang mit den auf sie verweisenden Bezugnahmeobjekten beurteilt werden. Bei den Bezugnahmeobjekten des kirchlichen Arbeitsrechts handelt es sich für gewöhnlich um die in Tarifverhandlungen mit kirchlichen Arbeitnehmerverbänden beschlossenen Tarifverträge des „Zweiten Weges“ oder um die kollektiven Arbeitsbedingungen, die in paritätisch mit Dienstnehmer- und Dienstgebervertretern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen des „Dritten Weges“ festgelegt werden. Die auf einem dieser Wege zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen enthalten Bestimmungen zum Abschluss, Inhalt und zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Die Klauseln bilden die Schnittstelle zwischen Individualarbeitsrecht und kollektivem Arbeitsrecht. Neben den Arbeitsrechtsregelungen des „Zweiten und Dritten Weges“ können die Bezugnahmeklauseln aber auch auf gesetzliche oder betriebliche Regelungen verweisen.

Die Verwendung und der Abschluss von Bezugnahmeklauseln unterliegen grundsätzlich keinen über die Grenzen der allgemeinen Privatautonomie hinausgehenden Beschränkungen. Einerseits führt das dazu, dass die Bezugnahmeklauseln in ihrer Formulierung stark voneinander abweichen und sich – mit Ausnahme der grundlegenden typologischen Einordnung, wie etwa dem Grad ihrer Dynamik – nur selten pauschal beurteilen lassen. Andererseits treten dadurch aber auch viele Probleme, Unsicherheiten und Fragen auf, die durch die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts geprägt sind.

Diese Probleme und Unsicherheiten sind vielschichtig und haben weitreichende Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers, betreffen aber auch die Interessen des Arbeitgebers.

Neben den allgemeinen Fragen nach Auslegung, Anwendbarkeit und Wirkung von Bezugnahmeklauseln sind in letzter Zeit vor allem Probleme im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle, Reichweite und Rolle von Bezugnahmeklauseln beim Betriebsübergang mit kirchlicher Beteiligung aufgekommen: Weisen Bezugnahmeklauseln auf die Arbeitsrechtsregelungen des „Dritten Weges“ einen kontrollfähigen Inhalt gem. §§ 307 ff. BGB auf? Erstrecken sich Bezugnahmeklauseln auch auf kirchenarbeitsrechtliche Vorschriften, wenn der Wortlaut der Klausel hierfür keine Anhaltspunkte enthält? Wie sind Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB einzuordnen? Wirkt eine dynamisch in Bezug genommene kollektive Arbeitsrechtsregelung des kirchlichen Arbeitsrechts auch nach einem Betriebsübergang auf einen weltlichen Betriebserwerber dynamisch weiter? Insbesondere die zuletzt aufgeworfene und aus dem weltlichen Arbeitsrecht bekannte Problematik der dynamischen Fortgeltung ursprünglich dynamischer Bezugnahmeklauseln hat in letzter Zeit bei Betriebsübergängen mit kirchlicher Beteiligung vermehrt für Diskussionen gesorgt.

Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen kann nicht pauschal erfolgen, sondern muss stets im Einzelfall geprüft werden. Im Zuge dessen kann zwar als Ausgangspunkt regelmäßig auf allgemeine Grundsätze des säkularen Arbeitsrechts zurückgegriffen werden, dennoch darf das kirchliche Proprium, basierend auf dem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV, dabei nicht außer Acht gelassen werden. Die Überschneidung der staatskirchenrechtlichen und arbeitsrechtlichen Ebene begründet viele Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts. So ist es häufig gerade die Eigenart des kirchlichen Dienstes, die eine vom weltlichen Arbeitsrecht abweichende Beurteilung der Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts erfordert.

Ziel der Arbeit ist eine umfassende Aufarbeitung und Darstellung der Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Arbeitsverhältnissen. Dabei sollen nicht nur die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts gegenüber dem weltlichen Arbeitsrecht, sondern auch innerkirchliche Unterschiede, abhängig davon, ob eine Bezugnahme auf Arbeitsrechtsregelungen des „Zweiten Weges“ oder des „Dritten Weges“ vereinbart wurde, herausgearbeitet und aufgezeigt werden. Zwar muss jede Bezugnahmeklausel für sich ausgelegt und auf den konkreten Einzelfall angewendet werden, dennoch soll die Handhabung der Bezugnahmeklauseln im kirchlichen Arbeitsrecht durch die Darstellung mehrerer verallgemeinerungsfähiger Grundsätze vereinfacht und übersichtlicher gestaltet werden.

Im 1. Kapitel wird beschrieben, wie sich die Bezugnahmeklauseln in das allgemeine kirchliche Arbeitsrecht einfügen. Überblicksartig wird dabei auf die für die Bezugnahmeklauseln relevanten Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts eingegangen.

Im 2. Kapitel wird die kollektive Arbeitsrechtssetzung des „Zweiten und Dritten Weges“ in ihren Grundzügen erarbeitet. Hier stellt sich vor allem die Frage nach dem Rechtsgehalt der Regelungen des „Zweiten und Dritten Weges“. Diese Problematik ist eng verbunden mit der grundsätzlichen Frage nach der Notwendigkeit von Bezugnahmeklauseln in kirchlichen Arbeitsverhältnissen.

Das 3. Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen und Grundtypen der Bezugnahmeklauseln. Die Darstellung erfolgt an Beispielen mehrerer unterschiedlicher Bezugnahmeklauseln aus kirchlichen (Muster-)Arbeitsverträgen. Neben der Erarbeitung von Typologie, Wirkung und Auslegung von Bezugnahmeklauseln werden auch die Bezugnahme auf Tarifwerke des öffentlichen Dienstes und das Verhältnis zu tarifdispositiven Vorschriften erörtert.

Im 4. Kapitel wird vertiefend auf die Inhaltskontrolle von Bezugnahmeklauseln nach §§ 305 ff. BGB eingegangen. Bei der Inhaltskontrolle muss zwar strikt zwischen der Kontrolle der Bezugnahmeklausel und der Kontrolle des Bezugnahmeobjekts differenziert werden, dennoch ist die Frage nach der Inhaltskontrolle von Bezugnahmeklauseln eng mit der Frage nach der Inhaltskontrolle des Bezugnahmeobjekts verbunden. Folglich stellt sich auch im kirchlichen Arbeitsrecht unter anderem die Frage, ob zum Schutz der Besonderheiten des kollektiven kirchlichen Arbeitsrechts das aus dem weltlichen Arbeitsrecht bekannte Verbot einer „mittelbaren Tarifzensur“ ebenfalls berücksichtigt werden muss.

Darauf folgend wird im 5. Kapitel als erster Schwerpunkt die Reichweite der Bezugnahmeklauseln untersucht. Mit Blick auf Verfahrensvorschriften zur kollektiven Arbeitsrechtssetzung im kirchlichen Arbeitsrecht besteht hierzu in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit. Demgegenüber hat die Frage nach der Reichweite von Bezugnahmeklauseln hinsichtlich kirchlicher Dienstvereinbarungen bisher kaum Beachtung in der arbeitsrechtlichen Diskussion gefunden. Hierzu muss zunächst die vorgelagerte Frage nach dem Rechtsgehalt der Dienstvereinbarung geklärt werden.

Als zweiter Schwerpunkt der Arbeit wird im 6. Kapitel auf die Rolle der Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang eingegangen. Nach der grundlegenden Einordnung der Klauseln im Gefüge des § 613a BGB liegt der Fokus auf der Frage nach der Weitergeltung kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang von einem kirchlichen auf einen weltlichen Rechtsträger. Ausgehend von der Handhabung im weltlichen Arbeitsrecht, das in diesem Bereich stark durch die Rechtsprechung des EuGH und einer richtlinienkonformen Auslegung geprägt ist, wird die Übertragbarkeit der dort geltenden Grundsätze auf das kirchliche Arbeitsrecht geprüft.

Bezugnahmeklauseln im Kontext des kirchlichen Arbeitsrechts

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