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2.2 Die Bedeutung von sozialen Gruppen

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Die Frage, wie Menschen mit Menschen, die soziale Normen verletzen, umgehen, bestand bereits bei Bildung von sozialen Gruppen und reicht weit über die Entstehung der Zivilgesellschaft zur Zeit der klassischen Antike hinaus. Das Eingehen von Beziehungen und die Bindung an andere Menschen erfüllen so grundlegende menschliche Bedürfnisse, dass davon auszugehen ist, dass es sich evolutionsbiologisch um einen für das Überleben notwendigen Vorteil handeln muss (Aronson et al. 2004, Baumeister & Leary 1995). Definitionsgemäß wird eine soziale Gruppe von mehr als zwei Menschen, die miteinander agieren, gebildet, sodass eine wechselseitige Abhängigkeit entsteht (Lewin 1948). Soziologisch gibt es darüber hinaus weitere Definitionselemente, die eine soziale Gruppe ausmachen. Diese hat z. B. ein gemeinsames Gruppenziel und ein Verhaltensmotiv für die Gruppe insgesamt wie für jedes einzelne Mitglied, und daraus entwickelt sich ein »Wir-Gefühl«, welches zur Kohäsion beiträgt. Es stellt ein System gemeinsamer Normen und Werte als Grundlage der Kommunikations- und Interaktionsprozesse dar, indem ein Geflecht aufeinander bezogener sozialer Rollen entsteht. Die sozialen Rollen sind auf das jeweilige Gruppenziel ausgerichtet und gewährleisten die Zielerreichung als auch die Lösung von dabei auftretenden Konflikten (Schäfers 2016). Die Interaktionen in einer Gruppe hängen nicht nur von der Gruppengröße, sondern auch von inneren Gruppenprozessen ab, die u. a. von der Familie als Steuerungselement geregelt werden. Außerdem werden diese von den Außenweltbedingungen der jeweiligen Gruppe und von dem abhängen, was die einzelnen Gruppenmitglieder in das Gruppenleben einbringen. Das können Wissen und Bildung sowie Interessen und Engagement sein. Sozial wird das Verhalten der Gruppenmitglieder solange sein, bis es für sie Alternativen gibt, um gleiche soziale, emotionale und sonstige Qualitäten des Gruppenlebens zu erreichen (Neidhardt 1999, Schäfers 2016).

Die Evolution der sozialen Lebensform hat gegenüber einer weitgehend solitären Lebensweise entscheidende Vorteile. Es kommt aus soziobiologischer Sicht zur Verringerung des Raubdrucks, zu einem verbesserten Schutz gegen infantizidale Männchen, zu einem deutlich effizienteren Nahrungserwerb und zu entscheidenden Kooperationsgewinnen bei der Fortpflanzung. Wenn sich aber Gruppen finden, ist das ebenso mit ökologischen und/oder sozial vermittelten Nachteilen verbunden. Neben einem erhöhten Infektionsrisiko kommt es auch zu einer vermehrten Konkurrenz um Ressourcen, vor allem um Nahrung. Es beginnt eine erhöhte reproduktive Konkurrenz, die sozialstressabhängig Frauen weniger leicht schwanger werden und diese Infantizide begehen lässt. Das infantizidale Verhalten hat dabei den weiteren funktionalen Hintergrund des Territorialgewinns. Vor diesem Hintergrund hat soziales Leben einen relativ hohen Preis, wobei eine reine Kosten-Nutzen-Analyse zu kurz greift. Denn die Selektion, die bei Bildung von immer größer werdenden Gruppen entsteht, ist evolutionsbiologisch ein sich selbst optimierender Prozess, der durch soziale Normen der jeweiligen Zeit strukturiert werden kann. Die dabei zu schließenden Kompromisse sind veränderlich und ermöglichen Zusammenleben trotz sich widersprechender Einzelinteressen (Voland 2013).

Im Laufe der raschen evolutionären Entwicklung sozialer Fähigkeiten der Spezies Homo sapiens in den letzten 20.000 bis 30.000 Jahren wurden die geltenden inner- und außergemeinschaftlichen Regeln immer differenzierter. Juristische Konstrukte wie das der Schuld, der Wahrheit und der Lüge und theologische Auffassungen zum Verhältnis von Menschlichem und Göttlichem wurden erwogen und in den Diskurs integriert. Hinzu kamen die jeweiligen philosophischen Anschauungen zum freien Willen und damit zur Verantwortung eines jeden Einzelnen. In Abhängigkeit vom jeweiligen Grundverständnis der Weltordnung und des Menschenbildes wurde das Denken und Handeln gegenüber Tätern definiert (Vasic et al. 2015). So wurde abweichendes Verhalten als eine Verhaltensweise bezeichnet, die gegen die in der Gesellschaft oder einer ihrer Teilstrukturen geltenden sozialen Normen verstößt und im Falle der Entdeckung soziale Reaktionen hervorruft, die darauf abzielen, die betreffende Person, die dieses Verhalten zeigt, zu bestrafen, zu isolieren, zu behandeln oder zu bessern. Damit das nicht passiert, d. h. um zu gewährleisten, dass sich Menschen konform verhalten, bedarf es der sozialen Kontrolle, worunter man alle Strukturen, Prozesse und Mechanismen versteht, mit deren Hilfe eine Gesellschaft oder soziale Gruppe versucht, ihre Mitglieder dazu zu bringen, ihren Normen Folge zu leisten. Soziale Kontrolle ist somit ein zentraler Bestandteil aller Prozesse der sozialen Integration (Peuckert 2016).

Forensische Psychiatrie interdisziplinär

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