Читать книгу Ilya Duvent - Manuela Maer - Страница 13
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ОглавлениеKaja hatte Maledin so lange hinterher gesehen, bis sie gänzlich am Horizont verschwunden war. Gedankenverloren stand sie da. Sie hörte den jungen Stallburschen im Hintergrund, der mittlerweile seiner täglichen Arbeit nachging. Ihr Sohn lag friedlich schlafend mit einem großen Tuch an ihre Brust gebunden. Schützend lagen ihre Hände um den kleinen Körper. Die Worte aus Maledins Mund hatten ihr Angst gemacht. Ihr mütterliches Gefühl drängte sie zum Handeln, um ihren Sohn zu schützen. Die Vorahnung, die sie antrieb, wollte sie in diesem Moment noch nicht einmal ihrem Gatten anvertrauen.
Sie fasste einen Entschluss.
Kurzerhand eilte sie zu ihrem Pferd in die Stallungen.
Etwa eine viertel Stunde später machte sie sich auf den Weg hinunter ins Dorf. Eindringlich erbat sie sich zuvor vom Stalljungen das Versprechen ab, dass er niemandem darüber berichten möge.
In der Ebene angelangt ritt sie nicht direkt ins Dorf. Eher außenherum, bis sie fast vorbei einen Weg einschlug, der an den Waldrand führte. Eine kleine Hütte stand davor, großzügig umringt von Zäunen. Unzählige Hühner und Ziegen befanden sich innerhalb dieser teils baufälligen Umrandung. An den Außenwänden der Hütte hingen die unterschiedlichsten Holzwerkzeuge. Am Dachsims waren farbenfrohe Perlenmobiles angebracht, die verspielt im Wind schaukelten, und bunte Tücher zierten die Fenster.
Es war Kaja durchaus bewusst, dass sie befremdliches Gebiet betrat. Zu dieser Dame kam nur, wer sich mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr zu helfen wusste. Sie war eine Meisterin der Kräuterkunde und manch einer behauptete, dass sie magische Kräfte besäße. Kaja jedoch war auf eine ganz spezielle Art mit dieser Frau verbunden.
Wie dem auch sei ... vorsichtig rutschte Kaja vom Rücken ihres Pferdes herunter. Der kleine Esok wurde derweil ziemlich unruhig. Sie suchte sich einen Zaunbalken aus, von dem sie nicht das Gefühl hatte, ihr Pferd würde ihn mit der kleinsten Bewegung mitreißen, und band es an. Interessiert kamen einige der Ziegen näher, um zu schauen, was da am Zaun vor sich ging.
Ohne Scheu jedoch drängte sich Kaja durch das Gatter und streichelte dabei einige der Ziegen, die wiederum rasch das Interesse verloren, als sie feststellten, dass Kaja ihnen nichts zu fressen gab. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sachte an die Tür klopfte. Jetzt wurde der kleine Esok endgültig wach. Er spürte die Unruhe seiner Mutter und prompt begann er zu wimmern.
Es dauerte einen Moment, dann öffnete sich langsam, mit einem Ächzen in den Scharnieren, die Tür und tiefbraune Augen blickten Kaja freundlich an. Das ebenmäßige gebräunte Gesicht erhellte sich noch mehr, als die Frau das wimmernde Bündel wahrnahm. »Ja wen haben wir denn da?« Sie wollte das Tuch zur Seite ziehen, um besser sehen zu können. Kaja ließ es nicht zu. Unmittelbar zog sie ihre Hände zurück, schaute Kaja allerdings auffordernd an. »Du sagtest einst, dass ich dich um Hilfe bitten dürfte«, begann Kaja vorsichtig. »Du versprachst mir einst, mir immer beizustehen. Heute komme ich, dich zu bitten, dein Versprechen einzulösen.« Abschätzend blickte die Frau, der man deutlich ansah, dass sie aus einem weit entfernten Land stammen musste, Kaja an. Ihre unglaubliche schwarze Haarpracht hing ihr wirr und strähnig bis zu den Kniekehlen. Sie trat einen Schritt zur Seite, zog die Tür ganz auf und gab so ohne Worte zu verstehen, dass Kaja eintreten durfte.
Während Kaja die Kate betrat, in der es nach den unterschiedlichsten Kräutern roch, band ihre Gastgeberin sich gekonnt die Haare mit einem bunten Tuch zu einem großen Knäul zusammen. Es gab nur diesen einzigen Raum, der mit unzähligen Tüchern in mehrere Bereiche unterteilt war. Hinter einer dieser Tücherwände verschwand die wunderliche Frau. Als sie wieder erschien, hatte sie ein anderes Kleid übergezogen und in der Kombination mit den aufgeräumten Haaren sah sie jetzt recht manierlich aus. Im Handumdrehen band sie einige der Tücher, die den Raum unterteilten, zur Seite, so wirkte der mittlere Bereich größer. Infolgedessen kamen ein kleiner Holztisch und ein Hocker zum Vorschein. »Setz dich Kaja. ... Lang her, meine ich, dass wir uns gesprochen.« Sie selbst zog sich eine Truhe näher an den Tisch und setzte sich darauf. Ihre tiefe Stimme, gepaart mit dem gebrochenen Dialekt, dem bräunlichen Teint und diesen Haaren, ließen keine Zweifel offen, diese Frau stammte nicht aus dieser Gegend.
»Danke Sahila, sehr freundlich von dir. Ich weiß, ich raube dir Zeit mit meinem Anliegen. Ich wäre nicht hier, wenn es nicht sehr wichtig wäre. Du kennst mich gut genug, als dass du dies nicht schon ahnst.« Vorsichtig holte sie den kleinen Esok hervor, der inzwischen aufgeregt wimmernd an seinen Händen schmatzte. »Gib ihm Trinken«, meinte Sahila. Lachend reichte sie Kaja ein Tuch. »Ich habe dir einst gegeben mein Versprechen. Wenn du mir nicht geholfen hättest, ich lebe sicherlich nicht mehr. Du hast mir geholfen von diesem Schiff, versteckt vor diesem schrecklichen Kapitan. Sicher, ich wäre heute noch Sklavin oder ein Futter für die Fische im Meer. ... Für meinen Bruder hatte ich kaum Bedeutung.« Sie zuckte mit den Schultern. »Sag mir, was treibt dich um für Sorge?« Aufmerksam schaute sie Kaja an, die den kleinen Esok gerade an die Brust angelegt hatte. »Gute Sahila, ich weiß, dass du eigentlich nicht auf die Burg möchtest. Aber ich brauche deine Hilfe. Ich glaube, Maledin führt etwas Finsteres im Schilde. Etwas Bedrohliches, etwas, dass meinen kleinen Esok in Gefahr bringt.« Sahila erschrak, als Kaja sie angsterfüllt ansah. Sie spürte die Sorge der Frau, die offensichtlich um das Leben ihres Kindes bangte. Sachte strich Kaja dem Milchschmatzenden Baby über den kleinen Kopf. »Ich möchte, dass du Esoks Amme wirst. Dass du ihn beschützt, mit all deinen Kräften, die du zur Verfügung hast.« Mit großen bittenden Augen blickte sie Sahila an. Sie wollte was sagen, allerdings sprach Kaja unbeirrt weiter. »Bitte denk darüber nach. Komm mit mir auf die Burg. Hilf mir meinen Sohn zu beschützen. Er ist in Gefahr, ich spüre es. Es braut sich Unheilvolles zusammen in diesen Gemäuern.« Nur das angestrengt schmatzende Baby war zu hören, als Kaja ihre Rede beendete. Eine Träne kullerte ihre Wange herunter. Die dunkle Schönheit rutschte ganz nah an die beiden heran und legte sachte ihre Hände auf die von Kaja. »Meine Liebe, natürlich ich helfe dir. Nicht nur, weil dankbar ich dir bin für deine Hilfe damals, sondern auch, weil ich spüre, dass ein dunkler Schatten sich zusammenzieht über den kleinen Esok. Ich denke, dass dein Gefühl die Wahrheit spricht. ... Hast du schon gesprochen mit meinem Bruder?«, wollte sie wissen. Kaja schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe das Gefühl, dass sie mit Maledin unter einer Decke stecken. Roog ist mir unheimlich, auch wenn er den Vater meines Gatten immer gut beraten hat in der Vergangenheit. Ich fürchte mich vor ihm und seinen Helfern.« Ihre Arme lagen nun mehr als beschützend um den kleinen Esok geschlungen, bei dem Gedanken an Roog. »So lange ich nicht weiß, was sie mit Maledin zu schaffen haben, möchte ich mich ihnen nicht anvertrauen.«
Das Baby war fertig und so nahm Kaja es hoch an ihre Schulter und tätschelte ihm sachte den Rücken. Nach einer Weile stellte sich der Erfolg ein und die Luft entwich geräuschvoll aus seinem Magen, sodass es den beiden Frauen ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Sahila stand auf und begann einige Habseligkeiten in ein Tuch zu legen. Nachdem sie es geschickt zusammengebunden hatte, wandte sie sich wieder Kaja zu. »Roog hat mir auch geholfen damals, weil du ihn darum gebeten hattest. Frauen sind da, wo ich kommen her, nicht viel wert. Wegen dir hat er mir geholfen. Durch ihn musste ich auch lernen viel dazu.« Sahila deutete mit den Armen einen großen Kreis an. »Er kennt sich aus mit den dunklen Mächten. So wie eure Maledin mit weißer Magie weiß umzugehen.«
»Wie meinst du das?« Kaja wurde hellhörig. »Weiße Magie? Maledin? ... Ich weiß, dass die Druiden seltsame Götter beschwören, aber Maledin? Magie? ...«
Sahila verließ ohne etwas zu sagen ihr Haus. Kopfschüttelnd eilte Kaja ihr hinterher. »Sag schon, weißt du mehr als ich?« Während sie zu ihrem Pferd ging, wartete sie auf Antwort. Sahila drückte beide Gattertore weit nach außen. Dort klemmte sie diese fest. Sogleich drängten sich einige Ziegen hindurch und begnügten sich am Gras außerhalb der Umzäunung. »Was machst du da?«, wollte Kaja wissen. Inzwischen hatte sie den kleinen Esok wieder in das Tuch fest an ihren Körper gebunden. »Keine Sorge, die kommen wieder«, lachte Sahila. »Sie müssen sich versorgen können so lange ich bin fort.« Endlich wandte sie sich Kaja zu. »Maledin hat die Macht der weißen Magie geerbt, von ihrer Mutter. Sie ist eine mächtige Frau, das glaube mir. Ich habe sie gesehen, wie sie mit Bruder im Wald hat gespielt. Sie kann aus dem Boden Wurzeln hervorsprießen lassen«, erneut bewegte sie ihre Arme wie ein Zauberer in der Luft. Ihre Stimme war leiser geworden. »Der kleine Bruder, der weiß Bescheid. ... Und ich bin sicher, dass mein Bruder Roog das weiß auch. ... Lass uns gehen.« Sie ging voraus, ohne noch weitere Worte zu verlieren. Kaja nahm das Seil und führte ihr Pferd. Sie gingen zu Fuß den Weg zurück zur Burg.