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A. Grundlagen
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I. Examensrelevanz der strafprozessualen Revision
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I. Examensrelevanz der strafprozessualen Revision
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In Bundesländern mit zwei strafrechtlichen Klausuren im zweiten Staatsexamen – also allen bis auf Niedersachsen und dem Saarland – ist eine dieser beiden Aufsichtsarbeiten ganz überwiegend die Revisionsklausur. In Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein ist dies sogar immer der Fall, ebenso wie in Berlin und Brandenburg seit Mitte 2015.
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Daneben kann die strafprozessuale Revision natürlich auch im Aktenvortrag der mündlichen Prüfung thematisiert sein. Dies ist allerdings nicht annähernd so häufig der Fall. Da auch in diesem Rahmen üblicherweise die Erfolgsaussichten einer eingelegten Revision zu begutachten sind, gelten die folgenden Ausführungen für derartige Aktenvorträge entsprechend.
A. Grundlagen › II. Klausurtypen
II. Klausurtypen
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1. Es existieren vier Typen strafprozessualer Revisionsklausuren:
Am Gang des Revisionsverfahrens orientiert können entweder
– | die Begutachtung der Erfolgsaussichten einer bislang lediglich eingelegten – und noch nicht begründeten – Revision, |
– | die Fertigung einer Revisionsbegründung, |
– | die Begutachtung der Erfolgsaussichten einer bereits begründeten Revision |
– | oder schließlich der Entwurf der Entscheidung des Revisionsgerichts auf Grund einer vorliegenden Revisionsbegründung |
verlangt sein.
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2. Mit Ausnahme von Bayern wird in den einzelnen Bundesländern allerdings fast ausschließlich die erstgenannte Aufgabe gestellt. Grund hierfür dürfte die Vorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO sein, nach der Verfahrensrügen zulässig nur dann erhoben sind, wenn „die den Mangel enthaltenden Tatsachen“ in der Revisionsbegründung angegeben sind. Eine Klausuraufgabe mit bereits vorliegender Revisionsbegründung hat damit den Nachteil, dass die eigenständige Rechtsfehlersuche des Prüflings im zentralen Bereich der Verfahrensfehler – und damit ein hochinteressanter Prüfungsaspekt – vollständig entfällt. Überdies stellen die Revisionsgerichte an die Vollständigkeit und Genauigkeit des nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO geforderten Tatsachenvortrags für jede einzelne Verfahrensvorschrift individuelle, in der Regel äußerst strenge und zudem nicht immer einheitlich gehandhabte Anforderungen, an deren Einhaltung selbst erfahrene Verteidiger nicht selten scheitern.[1] Da von Referendaren, die sich sowohl bei der Fertigung oder Begutachtung einer Revisionsbegründung als auch bei dem Entwurf eines Revisionsurteils mit den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO auseinanderzusetzen hätten, entsprechende Kenntnisse aber erst recht nicht erwartet werden können, ist die beschriebene Übung der Prüfungsämter – zumal auch eine qualifizierte Ausbildung im revisionsrechtlichen Bereich nicht immer gewährleistet erscheint – zu begrüßen.
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Natürlich ist nicht zu verkennen, dass die vorbezeichnete Prüfungspraxis nirgendwo festgeschrieben ist und sich – unter Inkaufnahme der den übrigen Aufgabenstellungen anhaftenden Nachteile – jederzeit ändern kann. Sie ist jedoch so verfestigt, dass es zur Ermöglichung einer wirklich effektiven Examensvorbereitung angezeigt erscheint, von der Darstellung der übrigen Klausurtypen und der mit § 344 Abs. 2 S. 2 StPO zusammenhängenden Detailfragen vollständig abzusehen. Im Übrigen enthält auch der im Examen zur Verfügung stehende StPO-Kommentar von Meyer-Goßner/Schmitt für jede einzelne Verfahrensvorschrift Hinweise zum erforderlichen Revisionsvorbringen (vgl. M-G/S § 344 Rn. 28).[2]
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Im Oktober 2006 hatte das LJPA Nordrhein-Westfalen eine Examensklausur gestellt, in der neben der Begutachtung der Erfolgsaussichten der Revision auch eine – allerdings nur auf eine einzige Verfahrensrüge bezogene – Revisionsbegründung zu fertigen war. Auf entsprechende Anfrage teilte mir das LJPA Nordrhein-Westfalen seinerzeit mit, dass sich aus dem bisherigen Verzicht auf die Anfertigung von Revisionsbegründungen kein Vertrauenstatbestand dahin herleiten lasse, „dass auch in Zukunft nicht in geringem Umfange schriftliche Ausarbeitungen zu einer Revisionsbegründung verlangt werden würden“. Wie bei „seltenen Aufgabenstellungen in anderen Rechtsgebieten“ gehöre es zu den Prüfungsleistungen, „mit Hilfe der zugelassenen Hilfsmittel (hier vor allem die Kommentierung bei Meyer-Goßner, StPO zum § 344) einen brauchbaren Lösungsansatz zu entwickeln“. Das LJPA Nordrhein-Westfalen werde „bei der Konzeption seiner Aufgaben auch zukünftig berücksichtigen, ob Aufgabenstellungen originärer Gegenstand der Ausbildung sind und dem Rechnung tragen, wenn dies nicht zutrifft“. Dementsprechend stellte das LJPA Nordrhein-Westfalen erst über sieben Jahre später im Dezember 2013 eine Examensklausur, in der die Erfolgsaussichten einer zu verschiedenen Verfahrensrügen vom Verteidiger bereits begründeten Revision zu begutachten waren. Dieser Hintergrund rechtfertigt es aus meiner Sicht nach wie vor, die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bei der späteren Darstellung der einzelnen verfahrensrechtlichen Gesetzesverletzungen auszusparen. Generell ist der betreffende Verfahrensmangel nach dieser Vorschrift nur dann zulässig gerügt, wenn das Revisionsgericht allein auf Grund der zu fertigenden oder bereits vorliegenden Revisionsbegründung – und damit ohne Blick in das Hauptverhandlungsprotokoll – prüfen kann, ob der Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (vgl. M-G/S § 344 Rn. 21). Zum insoweit „notwendigen Revisionsvorbringen“ finden sich Einzelheiten im Abschnitt „Revision“ am Ende der Kommentierung von Meyer-Goßner/Schmitt zur jeweiligen Verfahrensvorschrift – wie etwa in Rn. 106 zu § 244 StPO.
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3. Konkret lautet die regelmäßige Klausuraufgabenstellung, „die Erfolgsaussichten der (eingelegten) Revision zu begutachten“, „Erwägungen zur Zweckmäßigkeit des Vorgehens“ anzustellen sowie „etwaige Revisionsanträge auszuformulieren“. Der Text der Klausuraufgabe besteht hier üblicherweise aus einem nach der Hauptverhandlung gefertigten Vermerk des Verteidigers[3], der Anklageschrift, dem Hauptverhandlungsprotokoll und den schriftlichen Urteilsgründen. Ganz überwiegend sind Revisionen des Angeklagten thematisiert. Daneben geht es bisweilen um die Erfolgsaussichten einer Revision der Staatsanwaltschaft, für die sich prüfungstechnisch keine großen Besonderheiten ergeben. Die Begutachtung einer Revision des Nebenklägers ist der ganz große Ausnahmefall. Daneben hat es in der Vergangenheit folgende „Ausreißer“ gegeben:
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Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen Diebstahls verurteilt und die Entscheidung soeben mündlich begründet. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls unterbrach der Angeklagte die anschließende Rechtsmittelbelehrung, indem er „Revision“ ein- und ein Teilgeständnis ablegte. Das Amtsgericht trat daraufhin sofort „nochmals in die Hauptverhandlung ein“, führte eine weitere Beweisaufnahme durch und verurteilte den Angeklagten – was anschließend wiederum mit der Revision angefochten wurde – wegen Begünstigung u.a. Laut Bearbeitungsvermerk waren „die Erfolgsaussichten revisionsrechtlichen Vorgehens zu Gunsten des Mandanten“ zu begutachten. Hier erkannten nur sehr wenige Prüflinge, dass zwei selbständige Urteile ergangen und beide eingelegten Revisionen in ihrer Zulässigkeit und Begründetheit zu prüfen waren. Für die Existenz des ersten Urteils war es nämlich unerheblich, dass das Gericht dieses durch das zweite Urteil ersetzen wollte. Denn schon mit dem letzten Wort der mündlichen Bekanntgabe der Urteilsgründe, zu denen die Rechtsmittelbelehrung nicht mehr gehörte, war die Verkündung des Urteils gemäß § 268 Abs. 2 S. 1 StPO abgeschlossen, so dass inhaltliche Änderungen dieser Entscheidung oder sogar ihre Aufhebung durch das erkennende Gericht ausgeschlossen waren (vgl. M-G/S § 268 Rn. 8 ff.).
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In einem anderen Klausurfall hatte der Verteidiger gegen ein amtsgerichtliches Urteil im Wege der unbestimmten Urteilsanfechtung (zulässigerweise) „Rechtsmittel“[4] eingelegt. Laut Bearbeitungsvermerk waren die „Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels umfassend zu begutachten“. Das Gutachten sollte „auch Überlegungen zur Zweckmäßigkeit des Vorgehens enthalten“. Dem aufmerksamen Prüfling hätte dabei schon die allgemeinere Formulierung – „Rechtsmittel“ statt „Revision“ – ein Fingerzeig sein können. Hier galt es nämlich zu erkennen, dass das Rechtsmittel sowohl als Revision als auch als Berufung durchgeführt werden konnte und damit Zulässigkeit und Begründetheit beider Rechtsmittel zu prüfen waren. I.R. der Zulässigkeit der Berufung waren deren Statthaftigkeit (§ 312 StPO), die Voraussetzungen des § 314 StPO (Einlegungsform, -frist und -adressat) sowie der Umstand klarzustellen, dass es einer Begründung der Berufung nicht bedarf (§ 317 StPO). Die Begutachtung der Begründetheit der Berufung führte dann zu einer vollständigen materiell-rechtlichen Prüfung der Strafbarkeit des Angeklagten auf Grundlage der im Hauptverhandlungsprotokoll enthaltenen Beweisergebnisse. Es war also – in strengem Gegensatz zur ausschließlich revisionsrechtlichen Aufgabenstellung[5] – eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen. I.R. der abschließend aus Verteidigersicht vorzunehmenden Zweckmäßigkeitserwägungen konnte dann darauf abgestellt werden, dass die Wahl der (ebenfalls begründeten) Revision den Vorteil gehabt hätte, dass dem Angeklagten nach vollständiger Urteilsaufhebung und Zurückverweisung gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO gleich zwei weitere tatrichterliche Instanzen offen gestanden hätten.
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In einem weiteren Klausurfall war – wenngleich auch hier der Verteidiger für den Angeklagten Revision eingelegt hatte – in der Begründetheit gar nicht dessen Rechtsmittel zu prüfen. Die vom Verteidiger eingelegte Revision war nämlich wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist des § 341 Abs. 1 StPO unzulässig. Der von den Prüflingen in dieser Situation verzweifelt geworfene Rettungsanker einer gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 StPO von Amts wegen zu gewährenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte allerdings mangels entsprechender tatsächlicher Anknüpfungspunkte nicht greifen. Der gleichwohl ohne Hilfsgutachten mögliche Weg in die Begründetheitsprüfung führte über eine parallel zum Rechtsmittel des Angeklagten rechtzeitig und unbeschränkt eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die wegen § 301 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten wirkte. Mit den laut Bearbeitungsvermerk zu begutachtenden „Erfolgsaussichten der Revision“ waren also eigentlich diejenigen des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittels gemeint, was allerdings so gut wie keiner der Prüflinge erkannte.
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4. Inhaltlich haben Revisionsklausuren ihren Schwerpunkt überwiegend im verfahrensrechtlichen Teil. Aber auch die sachlichrechtliche Überprüfung der Urteilsgründe berührt Rechtsfragen, die aus dem ersten Staatsexamen meist nicht bekannt sind. Gleichwohl überwinden Referendare eine anfangs möglicherweise vorhandene Scheu vor der neuen Thematik erfahrungsgemäß sehr schnell. Revisionsrechtliche Examensarbeiten beziehen sich nämlich wie kaum ein anderes Prüfungsgebiet auf klar strukturierte und eingegrenzte Themenkreise, die sich zudem häufig wiederholen. Überdies haben sie den Vorteil, dass sie eine Vielzahl völlig isoliert zu betrachtender Rechtsfragen zum Gegenstand haben – negative „Dominosteineffekte“ durch Verkennung einzelner Probleme also ausgeschlossen sind.