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3.3 Beispiele christlicher Unternehmer in Deutschland

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Welche konkreten Beispiele bereits erforschter christlicher Unternehmer gibt es nun? Im Folgenden werden christliche Unternehmer porträtiert, die in der Forschung gründlich untersucht worden sind. Dabei soll vorerst auf Beispiele aus dem Protestantismus, anschliessend auf solche aus dem Katholizismus eingegangen werden. In der Zeit vor 1870 sind im Protestantismus in Deutschland215 unterschiedliche Lösungsansätze zu beobachten, mit denen versucht wurde, auf die soziale Frage mit dem Konzept einer christlichen Fabrikgestaltung zu antworten. Die propagierten Lösungen beinhalteten anfänglich |69| zumeist Aspekte genossenschaftlicher Selbsthilfe.216 Die beiden prominentesten Persönlichkeiten, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden, sind Carl Mez (1808–1877) und Gustav Werner (1809–1887)217. Der süddeutsche Pietist Mez war politisch als Abgeordneter in der badischen Kammer engagiert und versuchte als Unternehmer «den Privatkapitalismus durch das Experiment einer Genossenschafts- bzw. Bundesfabrik zu überwinden».218 Der württembergische Radikalpietist Werner hingegen wollte durch eine «eigenwillige christokratische Begründung»219 die Grossindustrie mit dem Reich Gottes zusammenbringen. Es gelang ihm jedoch trotz grossem Engagement und vielen Spenden nicht, Gewinn zu erwirtschaften, und so musste er seine Unternehmen in gemeinnützige Stiftungen umwandeln.

Es gab jedoch nicht nur Versuche, die soziale Frage mit Hilfe genossenschaftlicher Ideen zu lösen. Die überwiegende Mehrzahl der christlichen Unternehmer war nämlich der Überzeugung, dass sie als christliche Unternehmer mit dem Konzept des Patriarchalismus auf die soziale Frage antworten sollten. Nur wenige christliche Unternehmer zeigten Ansätze, die über den Patriarchalismus hinausgehen.220 Ein prominenter und auch kämpferischer Vertreter eines solchen Patriarchalismus war der bereits erwähnte Carl-Ferdinand Stumm (1836–1901).221 Stumm gehörte – zusammen mit Sarasin – zu den Initiatoren der Bonner Konferenz.222 Auch der bereits erwähnte christliche |70| Unternehmer Ernest Mehl kann als Vertreter des Patriarchalismus gesehen werden. Mehl hat sich vor allem mit betrieblicher Sozialpolitik für seine Arbeiter engagiert, gerade auch weil er in der patriarchalen Fürsorge für seine Arbeiter eine Möglichkeit zur Missionierung sah.223 Ähnlich patriarchal dachte auch der christliche Unternehmer Carl Bolle (1832–1910) in Berlin – genannt «Bimmel-Bolle» – welcher sich ebenfalls mit Frömmigkeit und betrieblicher Sozialpolitik profilierte.224

Neben diesen gut erforschten, christlichen Unternehmern gibt es im Protestantismus unzählige weitere, deren Betriebsführung jedoch nicht direkt mit dem Christentum in Verbindung gebracht wird,225 oder auch solche, die noch nicht derart gründlich wie die oben genannten untersucht worden sind, aber in der Forschung erwähnt werden.226 |71|

Auch im Katholizismus gab es viele Versuche, auf die soziale Frage mit einer christlichen Fabrikgestaltung zu reagieren.227 Anknüpfungspunkt für eine christliche Fabrikgestaltung waren im Katholizismus meist nicht genossenschaftliche Ideen oder der Patriarchalismus, wie im Protestantismus, sondern «Humiliatenbruderschaften, d. h. fromme Laien, Männer und Frauen und solche, die in ihren Familien ein religiöses Leben führten»228. Im Katholizismus sind daher verschiedene Versuche einer klösterlichen Gestaltung des Fabrikwesens zu beobachten.229 Grundsätzlich fokussierten sich die Initiativen zur Gründung christlicher Fabriken im Umfeld des Katholizismus weniger auf die Person eines christlichen Unternehmers, sondern vielmehr auf die Institution der Fabrik. So steht denn in einer der gründlichsten Untersuchungen zur christlichen Fabrikgestaltung im Katholizismus auch nicht ein einzelner christlicher Unternehmer im Zentrum, sondern die «Firma Villeroy & Boch als Modell [einer] christlich inspirierten betrieblichen Institution»230. Selbst­verständlich spielte «die religiös-christliche Orientierung der Fabri­kanten­familie»231 eine zentrale Rolle bei der Schaffung der christlich inspirierten betrieblichen Wohlfahrtsinstitutionen, eine Fokussierung auf eine Einzelperson als christlichen Unternehmer fand jedoch nicht statt. Ein weiteres herausragendes Beispiel einer christlichen Fabrik ist die Textilfabrik des französischen Industriellen Léon Harmel (1829–1915). Harmel schuf in seinem Betrieb eine beeindruckende Vielfalt an Wohlfahrtseinrichtungen, von ihm kamen ausserdem wichtige Impulse für die Entwicklung der katholischen Soziallehre.232 Selbstverständlich gibt es wie im Protestantismus auch im Katholizismus unzählige weitere Beispiele christlicher Unternehmer, beispielsweise den Textilfabrikanten und Vorsitzenden des Verbandes katholischer Industrieller |72| Franz Brandts (1834–1914);233 auf sie kann in diesem Rahmen jedoch nur am Rand hingewiesen werden.

Protestantische Unternehmer in der Schweiz des 19. Jahrhunderts

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