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Papstgeschichte als Achterbahnfahrt
ОглавлениеDie mittelalterlichen Päpste hatten enormen Einfluss auf die Politik und die Herrscher ihrer Zeit. Den Höhepunkt der weltlichen Macht erreichte die katholische Kirche unter Papst Innozenz III. (Papst von 1198 bis 1216). Innozenz nahm den Titel »Stellvertreter Christi« an und schrieb:
»Dafür stellte er (Christus) einen an die Spitze aller, den er zu seinem Stellvertreter bestimmte. Vor diesem haben alle die Knie zu beugen wie vor Christus selbst, ihm haben alle zu folgen, wie die Herde dem Hirten.«
Dieser extreme Führungsanspruch des Papstes wird 300 Jahre später die evangelische Bewegung unter Martin Luther mit dem Rücken zur Wand stellen und den Konflikt zwischen Luther und der römischen Kirche auf einen Level heben, auf dem nur noch Gewalt regieren konnte.
Ein Lesebuch für jeden Tag ist Albert Christian Sellners Immerwährender Päpstekalender (Frankfurt, 2006). Edel in päpstliches Rot gebunden, erzählt es über ein Jahr verteilt Geschichten von allen Päpsten bis zu Papst Benedikt XVI. (Papst von 2005 bis 2013). Ein Buch voller Anekdoten, Wunder, politischer Winkelzüge – und Mord und Totschlag.
Als Innozenz 1216 starb, hatte er das Papsttum zwar zu einer der mächtigsten Größen Europas gemacht. Aber zum einen hinterließ er seinen Nachfolgern mächtige Feinde und zum anderen hatten Innozenz’ Nachfolger auf dem Papststuhl weder seinen Machtwillen noch seine Stärke. Das Papsttum legte eine demütigende Talfahrt hin: Ab dem Jahre 1309, nicht einmal Hundert Jahre nach Innozenz III., mussten sich die Päpste weltlichen Herrschern beugen und residierten von nun an bis 1377 in Avignon (Frankreich). Und mit dem Papsttum ging es weiter bergab. Denn den Franzosen gefiel nicht, dass der Papst ab dem Jahre 1377 wieder von Rom aus herrschte. Nachdem 1378 Urban VI. in Rom zum Papst ernannt wurde, wählte man in Avignon Clemens VII. zum Gegenpapst. Nun mussten die zwei Lager der katholischen Kirche bis 1409 mit zwei Päpsten vorliebnehmen. Für die Kirche und die Gläubigen war das natürlich ein unhaltbarer Zustand, denn auf welchen Papst sollte man denn nun hören? Also versammelten sich 1409 einige Kardinäle, setzten beide Päpste ab und wählten einen eigenen Kandidaten. Doch o Wunder, die beiden amtierenden Päpste sahen es natürlich nicht ein, dass gerade sie abgesetzt werden sollten – und so fand die Kirche sich plötzlich mit drei regierenden Päpsten wieder …
Jetzt hatte dann auch der Kaiser des »Heiligen Römischen Reiches«, Sigismund (Kaiser von 1410 bis 1437), genug von diesen politischen Winkelzügen. Er berief eine Kirchenversammlung (ein sogenanntes Konzil) nach Konstanz ein. Alle Kardinäle, alle Bischöfe und dazu 18.000 weitere Geistliche mussten erscheinen. Man wählte Martin V. zum alleinigen Papst, forderte die drei anderen zum Rücktritt auf und nach einigen Wirren war endlich wieder Ruhe: Nun gab es wieder nur den einen Papst in Rom. Die Kirchentrennung (auch »das große Schisma« genannt) war vorbei. Aber seine alte Macht konnte das Papsttum nie mehr wiedererlangen. In den folgenden Jahrzehnten kam es zwar zu einer nie gesehenen Prachtentfaltung der Päpste in Rom. Aber Prunk, Protz und Gier machten sie auch angreifbar. Das sollte sich in dem Moment zeigen, als die Hand des Papstes immer tiefer in die Geldbeutel der Gläubigen langte und Luthers Ideen anfingen, die Menschen zu begeistern.