Читать книгу Evangelisch für Dummies - Marco Kranjc - Страница 9
ОглавлениеEinführung
Worte und Papier – mehr brauchte Martin Luther zunächst einmal nicht, um die damals herrschende Weltordnung zu erschüttern. Als er am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte, sollten sie zunächst nur eine Art Diskussionspapier sein. Die Tür der Schlosskirche – das war so etwas wie das Facebook des Mittelalters. Allerdings reichte eine Kirchentür für die Postings aus, weil kaum jemand schreiben konnte.
Heute, so ziemlich genau 500 Jahre später, sind die Folgen von Martin Luthers Tun rund um die Welt zu sehen. Evangelisch nannte man bald die Christen, die den Gedanken Martin Luthers und seiner Mitstreiter folgten – und irgendwann Protestanten.
Evangelisch für Dummies wird Sie durch Geschichte und Gegenwart der evangelischen Kirchen führen. Es geht nicht nur darum, den evangelischen Glauben darzustellen. Denn der Inhalt des evangelischen Glaubens wird nicht einfach von jemandem festgelegt, wie man das von der katholischen Kirche her kennen mag. Evangelischer Glaube hat seine Grundlage in der Bibel (im Gegensatz zu Bibel und Tradition in der katholischen Kirche). Dann aber auch darin, wie jeder einzelne Gläubige die Bibel versteht. Hierin äußern sich Besonderheit, Freiheit und Problematik des evangelischen Glaubens: Jeder einzelne Gläubige sollte seinem Gewissen folgen, wenn er die Bibel liest, und nicht blind Autoritäten. Vom Wort Gottes, vom Gewissen und von der Freiheit wird in diesem Buch oft die Rede sein.
Deshalb ist die Geschichte zum Verständnis des evangelischen Glaubens genauso wichtig wie die Inhalte des Glaubens. Er entstand aus dem Widerstand gegen menschliche Autoritäten und Bevormundung der Gläubigen, aus dem Wunsch heraus, Gott persönlich, ohne menschlichen Vermittler begegnen zu können, und auch aus dem Wunsch heraus, dem Menschen die Angst vor Gott zu nehmen.
Und so informiert Sie dieses Buch:
über die Geschichte der Reformation und die Entstehung des evangelischen Glaubens,
über evangelische Theologie und wichtige Glaubensinhalte,
über viele verschiedene evangelische Kirchen und ihre Entstehungsgeschichte,
über die Vielfalt des Glaubenslebens evangelischer Christen.
Über dieses Buch
Evangelisch für Dummies ist das richtige Buch für Sie,
wenn Sie keine Ahnung vom evangelischen Glauben haben, aber immer schon mal wissen wollten, was »evangelisch« eigentlich bedeutet.
wenn Sie generell allen Kirchen fernstehen, aber einmal genauer wissen möchten, was es mit dem Zeitalter der »Reformation« eigentlich auf sich hat.
wenn Sie evangelisch sind und gern mehr über die Grundlagen Ihrer Kirche und Ihres Glaubens wissen möchten.
wenn Sie evangelisch sind und sich schon immer mal gefragt haben, warum es auch andere evangelische Kirchen gibt und was diese überhaupt glauben.
Ist dieses Buch für Theologen, Pfarrer oder Theologiestudenten geeignet? Es gibt keine Fremdwörter, keine komplizierten theologischen Diskussionen und vieles könnte man sicher ausführlicher darstellen. Fachleute werden Auslassungen schmerzen und manche Zusammenfassungen zu grob sein. Andererseits: Wer von den Fachleuten sich nicht scheut, ganz einfach und ohne Fachsprache von seinem Glauben und seiner Kirche zu reden, der wird in diesem Buch vielleicht manche Anregung finden.
Konventionen in diesem Buch
Dieses Buch brauchen Sie nicht von vorn bis hinten durchzulesen. Es gibt Teile zur Geschichte der Reformation, zu den einzelnen Kirchen und zu den Inhalten evangelischen Glaubens. Wer zum Beispiel etwas über die Taufe wissen möchte, findet im entsprechenden Kapitel Erklärungen zu Ansichten, Diskussionen und Praxis in den verschiedenen evangelischen Kirchen. Wer eher etwas zu Martin Luther oder Johannes Calvin wissen möchte, findet das in den historischen Kapiteln.
Internetadressen von Kirchen und Organisationen sind in Schreibmaschinenschrift
gedruckt.
Übrigens schadet es nicht, wenn Sie bei der Lektüre dieses Buches auch eine Bibel griffbereit haben. Wenn Sie sich mit den verschiedenen Bibelausgaben und dem Auffinden von Bibelstellen nicht auskennen, finden Sie in Kapitel 16 entsprechende Tipps.
Törichte Annahmen über den Leser
Und welchen Leser habe ich jetzt vor Augen? Das sind ganz verschiedene:
Menschen, die sich einfach einmal darüber informieren möchten, was evangelischer Glaube eigentlich ist und wie die evangelischen Kirchen entstanden sind
Menschen, die den Anschluss an ihr evangelisches Erbe verloren haben und sich ein wenig eingehender mit der Frage beschäftigen wollen, woher sie eigentlich kommen
jeden, der nicht evangelisch ist und sich fragt, was es denn mit den Evangelischen so auf sich hat – historisch oder spirituell oder beides
evangelische Christen, die sich fragen, warum es denn noch so viele andere evangelische Kirchen gibt
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Das Praktische an einem … für Dummies-Buch ist, dass Sie es nicht von vorn bis hinten durchlesen müssen. Sie können zwar die Kapitel der Reihenfolge nach lesen, wenn Sie das Thema ganz erfassen möchten. Aber die einzelnen Kapitel sprechen auch für sich. Sie können das Inhaltsverzeichnis und das Stichwortverzeichnis dazu benutzen, genau das zu finden, was Sie gerade interessiert. Im Folgenden gebe ich Ihnen einen kleinen Überblick darüber, welche Themen Sie in den einzelnen Teilen erwarten.
Teil I: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders!« – Die Geschichte eines Gewissens
In diesem Teil geht es um die Geschichte der Reformation. Und da war nicht nur Martin Luther beteiligt. Es geht auch um Johannes Calvin, Philipp Melanchthon, Huldrych Zwingli und einige weitere, oft unbekanntere Reformatoren. Keine Angst vor Geschichte – einige Leute waren so außergewöhnlich, dass die Lektüre nicht nur anregend, sondern auch kurzweilig sein kann.
Teil II: In der Kirche und im stillen Kämmerlein: Leben als evangelischer Christ
Das persönliche Glaubensleben, die private Spiritualität und das öffentliche Gemeindeleben kommen in diesem Teil zur Sprache. Was bedeutet das Gebet und wie liest man die Bibel? Wozu der Gottesdienst und wie hört man eine Predigt? Welchen Einfluss hatte der evangelische Glaube auf die Kunst und wie ist die Nächstenliebe praktisch organisiert?
Teil III: Der evangelische Glaube
Hier werden Inhalte des evangelischen Glaubens erklärt. Neben vielen Gemeinsamkeiten der verschiedenen evangelischen Kirchen wird hier auch auf evangelische Streitpunkte eingegangen.
Teil IV: Die evangelischen Kirchen und Gemeinden
In diesem Teil schreibe ich über Herkunft und Gegenwart der evangelischen Kirchen. Welches sind die großen evangelischen Kirchen, welches die kleinen? Was glauben sie und warum bilden sie nicht gemeinsam eine evangelische Kirche? Wer sich auf diesem Gebiet nicht auskennt, findet in diesem Teil Orientierung im Dschungel der vielen evangelischen Gemeinden. Evangelische Christen soll dieser Teil dazu ermuntern, den Blick über den Horizont der eigenen Kirche hinwegzuheben und die Gläubigen anderer Kirchen akzeptieren und schätzen zu lernen.
Teil V: Der Top-Ten-Teil
Natürlich – ohne Top-Ten-Teil kein … für Dummies-Buch. Lassen Sie sich überraschen!
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Zu Ihrer raschen Orientierung dienen die Symbole, die das Buch leichter lesbar machen und strukturieren.
Dieses Symbol kennzeichnet Tipps, die Ihnen das Verständnis der Geschichte der Reformation oder den Besuch einer evangelischen Kirche erleichtern.
Bei diesem Symbol finden Sie wichtige Aussagen zusammengefasst. Es markiert auch Aussagen und Sachverhalte, die man sich besonders merken sollte.
Abschnitte mit diesem Symbol sollen helfen, Missverständnisse zu vermeiden oder wichtige Sachverhalte nicht zu übersehen.
Der evangelische Glaube ist eine Religion des einen Buches, der Bibel, und der vielen Bücher. Ohne Bücher keine Reformation und keine protestantische Kirche. Um der besseren Übersicht willen gibt es in diesem Buch kein eigentliches Literaturverzeichnis. Wichtige Bücher der protestantischen Geschichte oder empfehlenswerte, weiterführende Literatur werde ich gleich am passenden Ort neben diesem Symbol aufführen.
Wie es weitergeht: Ein paar Worte zum Thema Religion, Wahrheit und Toleranz
Die Sache mit jeder Religion ist die, dass sie die Wahrheit sein will. Und schon kommt der gläubige Mensch in Schwierigkeiten mit seinen Mitmenschen: Logisch gesehen kann man schlecht von seiner Wahrheit sprechen und die sich davon unterscheidende »Wahrheit« anderer Menschen ebenso akzeptieren. Dann wäre die Wahrheit keine Wahrheit, sondern nur eine Meinung unter vielen. Was also tun? Wie soll ein gläubiger Mensch alle »Wahrheiten« als gleichwertig nebeneinander ansehen können? Entweder es gibt Gott, oder es gibt ihn nicht. Entweder Allah ist der eine Gott, oder Christus ist der eine Weg. Ein Nebeneinander gibt es da ganz logisch gesehen nicht, und Beispiele gäbe es noch viele. Ein »Du hast mit dem, was du glaubst, genauso recht wie ich mit dem, was ich glaube!« kann einen zutiefst gläubigen Menschen (gleich welcher Religion) nicht zufriedenstellen.
Hier kommt der viel gebrauchte Begriff der Toleranz ins Spiel:
Das Wort Toleranz stammt aus dem Lateinischen (tolerare) und bedeutet erdulden oder ertragen. Somit hat es also nichts mit Gleichberechtigung, Anerkennung oder Zustimmung zu tun. Es hat eher etwas damit zu tun, sich Mühe mit Mitmenschen zu machen.
Jemanden gleichberechtigt neben sich stehen zu lassen, weil man nicht sicher ist, wer recht hat, ist eine Sache. Das ist aber keine Toleranz. Es zeigt eher Unentschiedenheit, manchmal vielleicht auch Gleichgültigkeit.
Toleranz bedeutet, jemanden mit Achtung und Respekt zu behandeln, obwohl man davon überzeugt ist, dass er unrecht hat. Jemand, der seinen Mitmenschen mit Respekt und Achtung begegnet, obwohl er denkt, dass sie falschliegen – der erst ist wirklich tolerant. Es sind nicht Unentschiedenheit oder schwache Überzeugungen und Toleranz, die zusammengehören. Es sind der Glaube an die eine Wahrheit und die Toleranz, die zusammengehören. Wirklich tolerant sein kann nur jemand, der jeden Menschen als wertvoll ansieht und ihn respektiert. Und in diesem Sinne ist ein toleranter Mensch jemand, der große persönliche Reife und eine Zuneigung zu allen Menschen beweist. Jemand, der die eigene Religion als alleinige Wahrheit betrachtet, kann also ein sehr toleranter Mensch sein.
Dass es so wenige wirklich tolerante Menschen gibt, liegt nicht an der Religion, sondern eher an fehlender persönlicher Reife und mangelnder Einsicht darüber, dass jeder Mensch wertvoll ist und unsere Achtung verdient.
Die »evangelische Welt« kann für Außenstehende ziemlich unübersichtlich sein. Evangelisch für Dummies wird ein bisschen Ordnung für Sie schaffen, damit Sie sich nicht so ganz fremd fühlen, wenn Sie zum ersten Mal eine evangelische Kirche besuchen oder vielleicht gelegentlich eine andere als Ihre eigene Kirche besuchen möchten. Mein Wunsch ist in beiden Fällen, dass für Sie Unverständliches verständlich wird und Sie die Unterschiede nicht als Trennung, sondern als Reichtum der evangelischen Kirchen kennenlernen.