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seis
ОглавлениеEs war ein warmer Mai-Nachmittag. Chiara wusste nicht, ob es Dienstag oder Mittwoch war. Sie hat sich einen langen Spaziergang am Nachmittag nach der Lektüre eines weiteren liturgischen Textes vorgenommen.
Sie hatte in diesen zehn Jahren im Kloster viel gelesen. Chiara bekam nicht genug, um von den verschiedenen Facetten des Glaubens zu erfahren, die jeder Autor mit verschiedenen Worten und Gedanken beleuchtete. Gewiss las sie aus Neugier hin und wieder nicht-kirchliche Texte zu lesen, wenn sie keiner sah. In den Ordensinstituten durfte das Lesen nicht Quelle der Freude sein. Glücklicherweise unterrichtete sie in den ersten Klassen der katholischen Schule des Dorfes und konnte dadurch ihre Kultur durch Geschichte und Erdkunde variieren, ohne sich schuldig zu fühlen. Sicher hatte die Äbtissin ihr das Unterrichten der Kinder anvertraut, um ihre Leidenschaft für Texte aller Art zu unterstützen.
Zurück zum Tag im Mai: Chiara war auf ihrem Rückweg zum Kloster und bewunderte beim Laufen die Umgebung. Die Wiesen blühten und die Bienen summten von einer Blume zur nächsten und transportierten Pollen. Die Idylle wurde begleitet vom Klang des Baches, der entlang der nicht-asphaltierten Straße verlief. Die Olivenbäume standen mit kleinen gelben und weißen Punkten in voller Blüte, als wären sie aus Schnee. Im November würden die Bauern die Oliven ernten, um sie in leckeres Öl zu verwandeln. Auch die leichten Zikaden fingen an, die Wärme zu spüren, und nutzten die Gelegenheit, zu singen.
Alles war herrlich, idyllisch und voller Düfte, so dass die junge Nonne wahre Lebensfreude verspürte.
In jenen Augenblicken fühlte sich Chiara näher an Gott denn je. Sie war sich sicher, dass all diese Herrlichkeit nicht aus einer stoischen Explosion namens Urknall entstanden sein kann.
Sie hielt inne, um sich über einen Wildrosenstrauch zu beugen und den feinen, verführerischen Duft zu riechen, während ihr das schwarze Kopftuch nach unten glitt.
In diesem Augenblick fühlte sie zum ersten Mal in ihrem Leben etwas, das alle normalen Mädchen Verlegenheit nannten.
„¿ Son perfumadas?“, Chiara sprang bei diesen Worten auf, denn sie hatte nicht erwartet, dass jemand in der Nähe ist.
Sie drehte sich ruckartig um. Ihre Pupillen waren geweitet. Als der vor ihr stehende junge Mann ihr ins Gesicht schaute, wich er einen Schritt zurück. Er war überrascht, dass eine monja (wie man sie in Spanisch nannte) so hübsch sein konnte.
„ Perdoname“, entschuldigte er sich. „ No es fácil mich zu erinnern, que ich auf Italienisch sprechen muss und en Italien bin.“
Chiara starrte ihn an, ohne ein Wort zu sagen.
„ Como no es fácil acuerdarme que no es höflich, von hinten an eine Person heranzutreten. Disculpame si te erschreckt habe.“
Chiara lächelte, denn sie war über den betont ausländischen Akzent belustigt, den sie noch nicht gehört hatte, da sie selten mit Ausländern zu tun hatte. Sie konnte ein paar Worte Spanisch, Französisch und Deutsch, da diese Kenntnisse für wohltätige Zwecke nützlich sein konnten. Bisher hatte sie aber nicht die Gelegenheit gehabt, ihre Fähigkeiten in die Praxis umzusetzen.
„¿ No me comprendes? Oh, perdoname.“ Der junge Mann schüttelte seinen Kopf und berichtigte sich: „Verstehen Sie mich nicht?“
„Ja, ja, ich verstehe ein bisschen Spanisch“, antwortete sie lächelnd. „Keine Ursache, es ist nicht Ihre Schuld. Ich war nur abgelenkt und habe mich deshalb erschrocken.“
Dieses Mal war es der Fremde, der kein einziges Wort herausbrachte, so sehr war er versunken, die monja zu beobachten.
‚ Sie ist bildhübsch‘, dachte er sich, ‚ wie ist es möglich, dass ein so hermosa Mädchen Nonne geworden ist?‘‘
Das weiße Stoffband, das ihr Gesicht unter dem Kopftuch umrahmte, brachte ihre strahlenden, verschiedenfarbigen, harmonisierenden Augen noch mehr zur Geltung. Die rosigen Lippen waren zu aufreizend, um zu einer Braut Gottes zu gehören.
Ihre sanften Gesichtszüge unterschieden sich stark von denen der anderen Frauen, die er bisher gesehen hatte. Ganz zu schweigen die Nonnen, denen er bisher begegnet ist. Sie kamen ihm stets verbittert vor.
Er nahm eine Haarsträhne wahr, die dem Kopftuch entwischen war. Vom Wind animiert tanzte die Strähne vor ihrem Gesicht hin und her, als wollte sie mitteilen, wie lebhaft und pfiffig Chiaras Seele war.
Verlegen fragte Chiara sich, ob der Fremde ihr langes Schweigen wahrnimmt. Beide waren sie tief in ihren Gedanken versunken.
Sie fühlte sich in Gegenwart von dem jungen, gebräunten Mann fremd und anders. Dieser starrte sie an, als hätte er nie zuvor eine Nonne gesehen. Sie fühlte, wie sich ihre Wangen bei seinem Blick erröteten. Den Augen des Fremden entging ihre Gefühlsregung nicht, wodurch sie noch graziöser wurde.
„ Ahora tengo que ir, ich muss gehen, sorella“, verabschiedete er sich. Chiara lächelte amüsiert, als er das doppelte L wie ein „gl“ aussprach.
„ ¿Por qué te ríes?“, fragte er verwirrt.
Chiara führte sich eine Hand vor ihren Mund, um das Lächeln und das Erröten ihrer Wangen zu verbergen.
„Entschuldigen Sie, ich lache, da es lustig ist, sie Italienisch sprechen zu hören. Es ist amüsant, wie Sie die Wörter aussprechen.“
Er schüttelte belustigt den Kopf.
„ Me vergesse siempre, wie man die Wörter ausspricht. Ich brauche tiempo, um das zu lernen“, er zuckte lässig seine Schultern und lächelte Chiara an, dessen Wangen noch mehr Farbe bekamen.
Für einen Moment hatte Chiara Mühe, diesem lächelnden Blick nicht auszuweichen und vor allem, sich auf ihren Beinen zu halten, die schwach wurden. Sie wollte möglichst schnell dieses Gespräch beenden, denn es führte zu nichts, sondern machte sie nur verlegen.
„Geduld ist die Tugend der Starken“, erwiderte sie.
Obwohl es ihm gefiel, sich mit der hübschen Monja zu unterhalten, beabsichtigte der Fremde seines Weges zu gehen, da er Wichtigeres zu erledigen hatte.
„ Hasta la vista“, verabschiedete er sich und deutete eine Verbeugung an, um seinen Weg zu nehmen.
„Auf Wiedersehen“, flüsterte sie mit trockener Stimme und klemmte die entwichene Haarsträhne unter ihr Kopftuch.
Chiara hatte noch Zeit und setzte sich an den Bach, um vor dem Sonnenuntergang die letzte Sonne zu genießen. Die Sonne war zu dieser Tageszeit nicht mehr unerträglich heiß, enthielt aber noch die Wärme des Tages.
Sie fühlte sich langsam müde und ihre Füße schmerzten vom langen Spaziergang. Sie zog sich ihre schwarzen Slipper und die dünnen, weißen Socken aus. Dann hielt sie ihre schneeweißen Füße in das Wasser des Baches, bei dessen Kontakt ihr Körper entspannte. Sie erfrischte sich ihr Gesicht und ließ ihren Blick wandern.
Sie pausierte zehn Minuten und genoss das Panorama hinter dem Bach: ein Mengsel aus angebauten Feldern und blühenden Olivenbäumen (Brüder von denen, die den Weg säumten, den sie entlang gegangen war). Sie fühlte sich außerordentlich glücklich, glücklicher als sie jemals gewesen ist.
Sie betrachtete den Himmel und lächelte: Das Leben und die Welt waren wunderschön! Wenn es nicht das Paradies wäre, das die guten Menschen empfangen werden, täte es ihr Leid, die Welt früher oder später zu verlassen.
Trotz ihres heiteren Gemüts verspürte sie eine eigenartige Müdigkeit, die ihr bis ins Knochenmark ging, unbestimmt wie eine kleine Wolke am stürmischen Himmel.
Sie schaute auf die Uhr: Du meine Güte! Es war halb Fünf. Sie musste sich beeilen, um zum Kloster zu gelangen, sonst würde sie zu spät zum Abendessen kommen. Sie musste ihren Pflichten in der Kantine an Hilfsbedürftige und Personen nachgehen, die im Kloster halfen.
Rasch zog sie sich Socken und Slipper an und rannte zum Kloster. Mit einer Hand hielt sie das Kopftuch fest, um zu verhindern, dass es herunter rutschte.
Chiara gab das Bild einer schwarzen, sich fortbewegenden Gestalt ab. Ihr Kopftuch flatterte hinter ihren Schultern, unentschlossen, ob es auf ihrem Kopf bleiben oder wegrutschen sollte, um die geschmeidigen Haare zu entblößen, die sich unter dem Stoff verbargen.
Unschuldig wie ein Kind lief sie zart wie ein Schmetterling, der seine Flügel nicht vollständig ausgebreitet hatte, unwissend, was ihr die nahe Zukunft bringen würde.
* * *
Als sie die kleine Kirche am Kloster betrat, blieb ihr das Herz stehen.
„Dies ist kein Hotel: Ihr könnt für eine begrenzte Zeit in den Wohnstätten für Hilfsbedürftige bleiben, solange Ihr in der Gemeinschaft integriert seid, wie es sich für jeden Christen gehört“, die Stimme der Äbtissin war streng und wie immer mächtig und entschlossen. „Es gehört dazu, während ihrem Aufenthalt bei uns, im Kloster zu helfen. Da Sie ein Mann sind, werden Sie bei der Feldarbeit helfen.“
„ Muchas gracias, sorella.“ Dieses Mal war seine Aussprache korrekt. „Ich werde alles tun, um Ihrer hospitalidad zu danken.“
„Das Haus des Herrn ist das Haus aller Christen“, beteuerte die Äbtissin feierlich. „Schwester Costanza wird Sie jetzt zu Ihrem Wohnbereich bringen. Das Abendessen nehmen wir abends um halb sieben ein und morgens beginnen wir um fünf Uhr mit der Arbeit.“
Der Gesichtsausdruck des jungen Spaniers fuhr zusammen als er diese Zeiten hörte, was der Äbtissin nicht entging. Obwohl sie die Präsenz eines attraktiven jungen Mannes in ihrem Kloster nicht gern sah, konnte sie einem Christen die Hilfe nicht verwehren.
„Wenn es Ihnen nicht gefällt, früh aufzustehen: Dort ist die Tür!“, sie deutete mit dem Kopf zur Kirchentür und hoffte für einen Augenblick, dass er gehen würde. „Andernfalls können Sie bleiben.“
Der junge Mann schüttelte den Kopf.
„Gracias se ñ ora, die Zeiten sind in Ordnung, ich danke Ihnen vielmals.“
„Äbtissin“, korrigierte sie ihn, „nicht Signora.“
Er stimmte mit dem Kopf zu.
„Da kommt eine weitere unserer Ordensschwestern“, kommentierte die Oberin als sie Chiara an der Kirchentür bemerkte. „Komm Chiara, ich stelle dir einen neuen Gast vor. Er wird sich für einige Zeit bei uns aufhalten und uns bei der Arbeit helfen.“
Chiara bemühte sich, ruhig zu bleiben und vor allem, ihre erneut karmesinroten Wangen unter Kontrolle zu bekommen. Diese Reaktion geschah ihr heute zu oft.
Sie machte ein paar, zaghafte Schritte, ging dann zielstrebiger zur Äbtissin und dem Fremden, der sich in diesem Moment zu ihr drehte.
Als er sie sah, hob der junge Mann eine Augenbraue. Er war überrascht, sie nach so kurzer Zeit wiederzusehen. Chiara bemerkte seinen Gesichtsausdruck sofort.
„Herr ... Wie ist ihr Name?“, fragte die Äbtissin und holte beide in die Gegenwart zurück.
„José Velasco, se ñ ora Äbtissin.“
Für einen Moment runzelte die Oberin die Stirn, versteifte den Rücken, holte tief Luft und beherrschte sich.
„Nur Äbtissin, habe ich gesagt“, verärgert schaute sie zum Himmel. „Also Herr ... José, ich stelle Ihnen Schwester Chiara vor, eine der frommsten Nonnen dieses Klosters. Chiara“, sie drehte sich zu ihr, „Herr José ist soeben aus Spanien gekommen, wie du von seiner Aussprache erkennen kannst. Jemand muss ihm bei seinem Italienisch helfen. Da du dich auf das Unterrichten spezialisiert hast, möchte ich, dass du neben deinen humanitären Aufgaben eine Stunde am Tag einplanst, ihm unsere Sprache korrekt beizubringen. Wenn ich mich nicht irre, kannst du Spanisch, oder nicht?“
„Ja, Oberin.“
„Perfekt, somit hätten wir das geregelt.“
„ Encantado, Schwester Chiara“, stellte sich José vor und verbeugte sich erneut, wie schon vor knapp einer Stunde.
„Ganz meinerseits“, erwiderte sie und verbeugte ihren Kopf.
„In Ordnung, Chiara“, beendete die Äbtissin das Gespräch bevor sie sich verabschiedete. „Wie du bereits aus der Aussprache vom Wort ‚Schwester‘ erkennen kannst, wirst du mit diesem Herren ein wenig Arbeit haben.“
Chiara konnte nichts erwidern. Sie beschränkte sich auf ein zustimmendes Nicken. Sie wusste nur zu gut, dass der Fremde absichtlich die Wörter falsch aussprach, auf die sie ihn zuvor bereits hingewiesen hatte.
„Herr Velasco, folgen sie bitte Schwester Costanza“ und damit ging die Äbtissin in die Sakristei. José setzte sich mit einem Lächeln den Rucksack auf den Rücken und folgte einer monja mit völlig anderem Aussehen als jene, der er auf dem Feld begegnet war.
Bevor er die Kirche verließ, konnte er nicht anders, drehte sich um und fühlte sein Herz springen als er Chiara sah. So hieß sie also, diese hübsche Nonne, welche regungslos dastand.
„Tschüs“, verabschiedete er sich mit heiterer Stimme.
„Tschüs“, antwortete sie und winkte schwach mit der Hand.
Schwester Costanza war scharfsinnig und still. Die wenigen Male, die sie ein Wort sprach, machte sie kein einziges Kompliment, aber scharfsinnig war sie.
Sie bemerkte etwas Ungewöhnliches im Verhalten von Chiara, der hübschen Schwester, wie der Spanier José Velasco alle sie nennen hörte. Ihr war nicht das leichte Zusammenfahren ihrer Schultern entgangen, als er sich zur Tür zurückdrehte.
„ Tschüs“, seit wann verabschieden sich zwei Fremde mit „Tschüs“? Hinzu kommt dieser liebliche Ton voller Andeutungen ...
Sie hatte sofort verstanden, dass sie sich nicht zum ersten Mal begegnet sind. Aber warum hatten sie vorgetäuscht, sich zum ersten Mal zu begegnen?
„Waren sie bereits in Italien, Herr Velasco?“, fragte sie beim Laufen, ohne sich umzudrehen.
„Nein, nunca... nie“, log José.
„Sie sprechen aber bereits gut Italienisch.“
‚ ¿Es un interrogatorio?‘ und fühlte sich ausgefragt.
„Das habe ich im Sprachkurs de los a ños gelernt , señora. Ich habe viele Italiener gennengelernt .“
‚ Señora‘ - Es war nicht nur unhöflich, sie derart unpassend für eine Nonne anzureden, zudem hatte er sie mit signora anstatt signorina angesprochen. Im Grunde hatten sie das gleiche Alter.
„ Das gilt nicht nur für die Äbtissin.“
„Was?“
„ Sie sollen mich nicht señora nennen, sondern Schwester Costanza.“
José antwortete nicht. Er wusste, wie auch immer er geantwortet hätte, seine Stimme hätte seine Abneigung durchscheinen lassen, die er mit einem Mal für diese neugierige und unbehagliche Monja verspürte . Beim Laufen kratzte er sich den Hals und blickte nach oben. Wie sehr hätte sich gewünscht, wenn Chiara ( Ordensschwester Chiara, er erinnerte sich an ihr Gelübde und korrigierte sich) ihn anstelle von Schwester Costanza begleitet hätte.
„Hier sind wir“, erklärte sie und hielt vor der Tür der Wohnstätte für Arbeiter, die nahe der Klostermauer gelegen war, die das Kloster schützte. „Die Äbtissin hat sie über den Tagesablauf des Klosters informiert und somit verabschiede ich mich von Ihnen.“
Steif nickte sie mit dem Kopf und drehte sich um.
„ Gracias ... Schwester Costanza“, bedankte sich José und betrat die Schwelle zum Gebäude, dabei gelang es ihm nicht, seine gereizte Stimme zu unterdrücken.
* * *
Chiara wusch sich die Hände, ging in die Kantine und nahm ihren Platz hinter der Theke ein, um die Tischgäste zu bedienen.
Als die Personen mit ihrem Tablett in der Hand erschienen, lud ihnen Chiara kleine Mengen der bescheidenen Gerichte auf, die das Menü des Abends umfassten.
Auch José kam an die Reihe, setzte das Tablett sanft vor ihr ab und wartete bis sie seinen Teller gefüllt hatte.
„ Gracias“, bedankte er sich höflich, aber Chiara antwortete ihm ausschließlich mit einem Lächeln.
José lächelte ihr zurück und in diesem Augenblick entstand zwischen den beiden ein gewisses, geheimes Verständnis für einander, das sie nicht erwartet hatten.
Die Äbtissin beobachtete ihn aus der Ferne und behielt alles im Auge. Sofort bemerkte sie den unruhigen Gesichtsausdruck in Chiaras Gesicht, sowie das offensichtliche Interesse von José. Sie besänftigte sich, dass kein Grund zur Unruhe bestände.
Noch nicht.
* * *
Nach dem Essen stellte José den Teller auf den Wagen für das schmutzige Geschirr und ging auf sein Zimmer, das er mit zwei Obdachlosen teilte.
Er ließ sich auf das Bett fallen. Mit den Händen im Nacken blickte er in den Sternenhimmel, den er durch ein kleines Fenster wie ein Bild in der Steinmauern über sich sah.
Gewiss war es unmoralisch, ein Bett zu belegen, das für Personen bestimmt war, die obdachlos sind und keine Arbeit haben. Er hatte aber seine Gründe und machte seine Reise für ein wichtiges Vorhaben. Es gab somit keinen Anlass für Gewissensbisse.
Selbstverständlich konnte er den Ordensschwestern nicht anvertrauen, dass wenn er gewollt hätte, es für ihn leicht gewesen wäre, eine Arbeit an Bord eines Schiffes zu finden. Seit mehr als zehn Jahren ist er Seemann gewesen.
‚ Nein ...‘, dachte er, ‚ wenn die das erfahren, würden sie mich wegschicken und ich könnte mit meinen Nachforschungen nicht weiterkommen.‘
Nicht schlecht! Er kam bei seinem Anliegen weiter und es war richtig zu bleiben. Im Grunde war es nicht schlecht, eine Weile auf diesem friedvollen Land zu verbringen. Er hatte viele Jahre auf dem Meer und in den Häfen verbracht.
„Es ist seltsam, nicht wahr?“
José drehte sich um und sah einen Mann um die Dreißig. Dieser saß auf der unteren Matratze seines Etagenbettes und schaute ihn wohlwollend an.
„Entschuldige bitte, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Jacopo“, er stand auf und reichte ihm die Hand.
„José Velasco“, stellte er sich vor, während sich Jacopo erneut auf die Matratze setzte.
José betrachtete zuerst ihn, dann den Mann auf der oberen Matratze des Etagenbettes, welcher offenbar tief schlief. Er überlegte einen Augenblick, ob er das Gespräch fortsetzen sollte, das den anderen Gast hätte stören können.
Zumindest galt auf dem Schiff: Wenn ein Kollege schlief, durften die anderen im Zimmer keinen Lärm machen. Es gab andere Möglichkeiten für ausgelassene Gespräche.
„Ah, mach dir keine Sorgen. Wenn Lorenzo schläft, hört er nichts, nicht einmal eine verstimmte Musikband.“
„ Was empfindest du für seltsam?“, fragte José, um auf den Beginn des Gesprächs zu antworten.
„Hier zu schlafen und zu leben. Am Anfang ist es immer seltsam.“
„Ja, das stimmt. Dime, wie sind die monjas? Entschuldige, die Schwestern?“
„Was meinst du damit: „Wie sie sind?“, fragte Jacopo mit einem amüsierten Ausdruck, den José sofort bemerkte.
„Vom Charakter obviamente!“
Jacopo kicherte. „Ja! War ein Scherz! Beruhige dich. Sie sind nicht besonders ... wie sagt man auf Spanisch? Bonita? Richtig?“
„Ja, es heißt bonita, aber ich bevorzuge hermosa.“
„ Hermosa“, wiederholte er. „Sie sind nett und hilfsbereit. Nicht alle, um genau zu sein. Man kann sie sicher nicht als hübsch definieren!“
José wollte ihm widersprechen, aber er dachte, es wäre unpassend. Es war Jacopo, der sich korrigierte.
„Obwohl manche dieser Nonnen, genau genommen wenige, außerordentlich hübsch sind und ihr Gelübde bedauert. Aber wir sind nicht gekommen, um unsere Traumfrau zu finden, sondern aus Not und die Ordensschwestern können hilfsbereit und nett zu uns Armen sein. Aber wie ich dir sagte, ist es eigenartig hier im Kloster zu leben, zumindest am Anfang.“
„Ja, extraño ...“
José Velasco in einem Kloster. Er musste beinah lachen.
Seine Freunde hätten sich bis zur Ratlosigkeit lustig über ihn gemacht. Sie wären überzeugt gewesen, dass er sich amüsierte, in einen Ort des Gebets Chaos zu bringen. Um ehrlich zu sein, hatte er keine Lust, mit der Unerfahrenheit und Schüchternheit jener Frauen zu spielen, die dem Zölibat bestimmt sind. Er fühlte sich aber nicht unwohl, wie Jacopo behauptet hat.
Es war eigenartig, das stimmt, aber nicht auf diese Art eigenartig.
„Gute Nacht!“, sagte der Mitbewohner als er sein Schweigen vernahm.
„ Buenas noches!“, antwortete José, dessen Gedanken woanders waren.
„ Sie sind nett und hilfsbereit“, hatte Jacopo gesagt, „nicht alle, um ehrlich zu sein.“
Hermosa.
Sein Verstand rief erneut dieses unpassende Adjektiv auf, während er an Nonnen dachte, vor allem an eine Nonne.
Ja, sie war die Netteste von allen. Ihr einfaches Lächeln zeigte wie liebenswert und entzückend sie ist, sowie hermosa und bildhübsch.
Er schüttelte den Kopf, um den dummen Gedanken zu vertreiben und drehte sich zur Wand, um zu schlafen.
Während José einschlief und an das Gesicht von Chiara dachte, war die junge Ordensschwester nach dem Abendgebet in der Gruppe in ihr Zimmer zurückgekehrt.
Sie zog sich ihr Nonnengewand aus und ein züchtiges Nachthemd an. Dann löste sie den Zopf, der ihre schulterlangen Haare zusammenband und legte sich in ihr weißes Bett.
Sie schaute an die steinerne, kahle Decke und dachte, wie sonderbar dieser Tag gewesen war, obwohl nichts Unübliches geschehen war. Warum fühlte sie sich derart emotionsvoll?
‚ Wegen was?‘, fragte sich Chiara. ‚ Im Grunde haben ich die gleichen Dinge wie alle anderen Tage auch getan. Nichts mehr und nichts weniger.‘
Es musste der Frühling sein. Sie liebte diese Saison und fühlte sich immer ausgezeichnet. Dies erklärt sicher diese seltsame Euphorie.
„ ¿Son perfumadas?”, die Stimme des jungen Spaniers hallte noch im Kopf von Chiara und ertappte sie unvorbereitet bei der Intensität dieser Erinnerung.
Chiara stand abrupt auf, ging zum kleinen Spiegel an der Wand und betrachtete ihr Gesicht, das ihr pochte und glühte.
‚ Sicherlich habe ich Fieber‘, dachte sie sich. Sie nahm den Krug, der auf der Kommode unter dem Spiegel stand. Am Waschbecken befeuchtete sie ihre Hände und legte sie auf ihr Gesicht. Sie waren angenehm und erfrischend. Ihre Wangen nahmen allmählich ihre natürliche Farbe an.
Sie ging zurück ins Bett, drehte sich auf die Seite und rollte sich unter die dünne Decke. Mit großen Augen starrte sie in die Dunkelheit des Zimmers und betrachtete jeden Schatten.
An diesem Abend atmete Chiara zum ersten Mal mit neuer Zuversicht und andersartig, was für die junge Nonne noch schwer zu verstehen war.