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DER GOBLINMARKT, ONYXPALAST 26. März 1884

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»Schnapp ihn dir! Komm schon, reiß ihm die verdammte Kehle raus!«

Der Tote Rick fletschte knurrend die Zähne. Halb zum Hund ihm gegenüber, halb zu den Stimmen, die ihn anfeuerten. Dummer Welpe, verfluchte er sich. Hättest es besser wissen sollen, als dein Herumschnüffeln in Hundeform anzugehen. Bringt die Bastarde auf dumme Gedanken.

Er hatte reichlich Gründe, sich selbst zu verfluchen. Einerseits hatte er Rewdan gefunden: gut für ihn. Andererseits war Rewdan der sehnige Padfoot-Köter, der ihn gerade anknurrte, und die Menge johlte danach, dass einer von ihnen sterben solle.

Was der andere Fae getan hatte, dass er hier gelandet war, wusste der Tote Rick nicht. Vielleicht war er einfach in Hundeform vorbeigeschlendert, wie es der Tote Rick getan hatte, und hatte irgendeinen betrunkenen Goblin genervt, wiederum wie es der Tote Rick getan hatte. Oder vielleicht war er Nadrett in die Quere gekommen. Sie waren in der Grube außerhalb der Kammer des Herrn, und das war der Ort für zwei Dinge: Unterhaltung und Bestrafung.

Die Menge gierte nach Blut, ganz klar. Der Grubenboden war von den Leichen dreier Hunde übersät, sterblicher Tiere, die man hier heruntergeworfen hatte, um den Padfoot herauszufordern, und wenn der Tote Rick nicht vorsichtig war, würde er der vierte werden. Rewdan war allerdings müde und wartete auf seine Chance. Der Tote Rick umkreiste ihn, ging tief in die Knie und versuchte, sich eine Lösung auszudenken, die nicht einschloss, dass einer von ihnen im schmutzigen Sand der Grube verblutete. Er konnte dem Padfoot keine Fragen stellen, wenn einer von ihnen tot war.

Dem Mob gefiel die Verzögerung nicht. Ein Hühnerknochen streifte das Ohr des Toten Rick, von irgendeinem ungeduldigen Zuschauer in die Grube geschleudert, und der Tote Rick zuckte zusammen. Wie ein Blitz griff Rewdan an.

Der Tote Rick tauchte unter dem Ansturm des Padfoots weg und schaffte es gerade noch, auf den Beinen zu bleiben. Er richtete sich auf und versuchte, einen Höhenvorteil zu gewinnen, aber der andere Fae tat dasselbe. Ihre Brustkörbe prallten gegeneinander, die Pfoten suchten nach Halt, der Atem war heiß am Ohr des anderen. Der Tote Rick schaffte es, in etwas Weiches zu beißen, und Rewdan jaulte, aber dann kratzten Krallen über seine Rippen, und er machte dasselbe Geräusch. Sie trennten sich voneinander, schnappten, deuteten Angriffe an, und die Zuschauer feuerten sie an.

Nun musste er etwas Aufmerksamkeit auf alles andere richten, nicht nur auf den anderen Hund, weil er befürchtete, dass er wieder überrumpelt werden könnte. Doch der Padfoot atmete schwer. Wahrscheinlich würde er keinen derart schnellen Angriff mehr schaffen. Mach ihn noch ein bisschen müder, dann ziel auf seine Kehle …

Sie würden ihn aber nicht aufhören lassen, bis er diese herausgerissen hätte. Außer …

Ein Luftzug ließ ihn sich anspannen, weil er einen weiteren geschleuderten Knochen erwartete. Was er stattdessen brachte, war ein neuer Geruch, der über dem Blutgestank der Grube und dem seltsam sauren Geruch des anderen Hunds kaum wahrzunehmen war. Und das ließ dem Toten Rick eine sehr gefährliche Idee kommen.

Funktioniert wahrscheinlich nicht. Aber ich hab nichts Besseres.

Er deutete einen weiteren Angriff an, dann hielt er inne, als würden die blutigen Kratzer schmerzen, wo der andere Hund ihn erwischt hatte. Rewdan sprang auf den Köder an und stürzte sich wieder auf ihn.

Diesmal ließ der Tote Rick sich fallen. Er hielt seine Pfoten zwischen ihre Körper, so gut er konnte, wehrte sich gegen das Gewicht des Padfoots und hoffte, dass er recht hatte und Rewdan zu müde war, um gegen ihn anzukämpfen, wenn der Tote Rick versuchte, ihn von sich herunterzuwerfen. Doch er ließ sich auf den Rücken ringen, sodass sein verfilztes Fell sich im schmutzigen Sand rieb, und die Kiefer des Padfoots stießen nach seiner Kehle …

Ein Donnerschlag ließ das Gejohle verstummen. Rewdan stürzte zur Seite, und abrupt wich alle Kraft aus seinem Körper. Er brach über dem Toten Rick zusammen, kämpfte nicht länger, und sein Knurren verklang zu einem gequälten Jaulen. Der Gestank von Blut strömte dem Toten Rick in die Nase und übertünchte den säuerlichen Geruch: Blut und beißendes Schwarzpulver. Er wand sich unter dem zuckenden, sterbenden Körper des Padfoots heraus und blickte nach oben.

Nadrett stand oben auf der Treppe, eine rauchende Pistole in der Hand. Nach und nach verfiel die Arena in Schweigen. Sogar jene, die über ihre Verluste wegen des Padfoots fluchten, verstummten, als sie den Grund sahen.

Der Herr des Toten Rick wartete, bis er abgesehen von den letzten, japsenden Atemzügen des Padfoots Ruhe hatte. Dann fragte er: »Wer hat meinen Hund in die Grube geworfen?«

Niemand antwortete. Nadrett hob wieder seine Pistole. Diese war eine Erfindung der Galenischen Akademie, so vom amerikanischen Colt adaptiert, dass sie Elfenschuss feuerte. Der Zylinder klickte glatt weiter, als der Herr ihn ein zweites Mal spannte. » Ich entscheide, wie lange meine Hunde leben und wie sie sterben. Und ich habe keine Befehle gegeben, dass dieser andere hier sterben soll. Wer hat ihn dorthingebracht?«

Ein Geständnis würde dem Schuldigen nichts einbringen außer vielleicht eine Kugel zwischen die Augen. Verrat allerdings war profitabler. Ein Dutzend Hände machte Anstalten, auf sieben unterschiedliche Ziele zu deuten. Nadrett richtete den Revolver auf denjenigen, der die meisten Finger auf sich gezogen hatte: einen Puck in einem knielangen Ledermantel. »Nithen, steck ihn in einen Käfig. Ich kümmere mich später um ihn.«

Das Gespenst bahnte sich seinen Weg durch die Menge, um zu gehorchen. Der Tote Rick, der in der Grube hockte, sah den toten Padfoot nicht an. Er hatte gehofft, dass Nadrett den Kampf beenden würde. Er hatte gewusst, dass Nadrett ihn vielleicht durch Mord beenden würde. Das sagte ihm, was er wissen musste, nämlich, dass der Herr tatsächlich den Befehl gegeben hatte, dass Rewdan sterben musste. Was bedeutete, dass es nie irgendeine Chance gegeben hätte, ihn zu befragen, egal wie der Kampf ausgegangen wäre. Der Tote Rick hatte ihn nicht schnell genug gefunden.

Der Herr verließ den Raum, gefolgt von seinen Handlangern. Erst als er fort war, fühlten sich die Leute sicher genug, lauter zu sprechen, einander etwas zu zu brummen und ihre Wettschulden zu begleichen. Der Tote Rick zog seine Hinterfüße unter sich und wartete darauf, bis sich eine kleine Lücke in der Menge auftat. Mit einem müden Satz sprang er auf den Rand der Grube. Dann suchte er sich seinen Weg zwischen den Beinen hindurch, bis er die Wand erreichte, wo er sich sicher zurück in Menschengestalt verwandeln konnte.

»Verdammt clever von dir.« Gresh lehnte in der Nähe an der Wand und wühlte in seinen Taschen nach Pfeife und Tabak. »Nadrett dazu zu kriegen, es so zu erledigen. Hat mich ’ne Menge gekostet, du Bastard. Hatte gewettet, dass Rewdan nicht vor dem fünften Kampf schlappmacht.«

Vielleicht bestand doch noch irgendeine Hoffnung, herauszufinden, was der Padfoot getan hatte. »Wer war er eigentlich, und hat er Nadrett in den Arsch gebissen, oder was? Wie ist er da unten gelandet?«

Gresh zuckte mit den Schultern. »Hab ihn davor noch nie gesehen. Ich hab nur gehört, er sei eine Art Bote und hätte versucht, was von seiner Lieferung an die Akademie zu verkaufen. Du weißt schon, etwas Brot nebenbei zu verdienen.«

»Lieferung?« Der Tote Rick richtete sich auf, obwohl sich sein erschöpfter Rücken beschwerte. »Was hat er transportiert?«

Der Goblin hustete und spuckte aus, dann begann er an der Pfeife zu saugen. »Die Art von Zeug, das die Akademie mag. Schaue ich für dich wie ein verdammter Gelehrter aus?« Der Tote Rick hielt die Luft an, weil er seine Neugier nicht verraten wollte, indem er ihn drängte. Gresh bekam seine Pfeife richtig zum Brennen, dann sagte er: »Chemikalien irgendeiner Art. Lunarlauge, Satyrgalle – wertvoll, was ich so höre, aber nicht, wenn es dich bei Nadrett unbeliebt macht.«

Der Tote Rick wusste genug, um das als Feenchemikalien statt sterbliche zu erkennen. Aus dem Feenland selbst herbeigebracht? Vielleicht. Eine davon musste das gewesen sein, was er an dem Padfoot gerochen hatte, jener seltsam säuerliche Geruch. Der Tote Rick machte seinen Mund auf, um zu fragen, wozu Nadrett sie wollte, schloss ihn aber, ehe er so dumm sein konnte. Gresh würde es nicht wissen – aber er würde die Tatsache bemerken, dass der Tote Rick gefragt hätte. Und diese Information vielleicht an andere verkaufen.

Irgendjemand in der Akademie würde vielleicht zumindest wissen, wozu sie nützlich waren. Der, an den Rewdan zu verkaufen versucht hatte, falls jenes Gerücht wahr war. Einige der Gelehrten waren sich nicht zu fein, um ihre Materialien aus den schmutzigen Händen am Goblinmarkt zu kaufen.

Um Gresh vom eigentlichen Punkt abzulenken, fragte er: »Werden seine Freunde hinter mir her sein?«

»Freunde, pah. Denkst du, irgendjemand ist noch sein Freund, nachdem er da reingeworfen wurde?« Gresh deutete mit seinem struppigen Bart auf die Grube.

Gut, das war eine Sorge weniger. Jetzt muss ich mir bloß noch wegen Nadrett Gedanken machen. »Tut mir leid, dass du auf Rewdan gewettet hast. Ich kaufe dir ein Bier im Crow’s Head, um es wiedergutzumachen.« Eine gute Sache hatte der Zerfall des Palasts: Er hatte den Pub gezwungen, von seinem alten Platz an einen Fleck im Goblinmarkt zu ziehen, wo der Tote Rick frei hingehen konnte.

»Das macht meine Verluste nicht einmal halb wett«, jammerte Gresh, aber er war nicht der Typ, der Bier ablehnte. Und es würde ihm einen Grund geben, alles zu vergessen, was der Tote Rick gesagt hatte. Nachdem er dem Goblin mit einer Freundlichkeit, die er nicht empfand, auf die Schulter geklopft hatte, ging der Tote Rick zum Pub los.

Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit

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