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Die Rente
ОглавлениеBei einjähriger krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erwächst dem Patienten der Anspruch auf eine Rente. Diese ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gestattet sie dem Arbeitsunfähigen zu überleben, andererseits verschafft sie diesem einen sekundären Krankheitsgewinn und beraubt ihn mindestens teilweise der Motivation, sich zu neuer Erwerbsfähigkeit und Erwerbstätigkeit aufzuraffen. Die Einstellung des berenteten Patienten zu seiner Rente ist oft zwiespältig. Eine gewisse Scham ob der eigenen Schwäche mischt sich mit anklammerndem Interesse aus der Angst, das existenzsichernde Fundament zu verlieren. Beargwöhnen wir die Rentenfreudigkeit des Patienten und stellen seinen Anspruch in Frage, so sehen wir oft unsere Rehabilitationsfortschritte mit einem Mal vertan. Der Patient verliert seine Stelle und sichert sich so von neuem Invalidität und Rentenanspruch. Klüger ist es da, in der Rente einen Förderungsbeitrag zu sehen, die ihm Mut gibt, neue Arbeitsversuche zu wagen. Die Angst, er könnte nach einem gescheiterten Arbeitsversuch für die Dauer eines neuen Jahres den Rentenanspruch einbüßen, ist oft die Wurzel einer hartnäckigen Stagnation in der Resozialisierung; eine Rentenzusicherung für den Fall gescheiterter Arbeitsversuche führt in vielen Fällen zu deren Überwindung. Dies ist ein Beispiel für unsere Haltung gegenüber dem schizophrenen Patienten: Ihm gestatten, schizophren und krank zu sein, damit er möglicherweise gesund werden kann.