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Vorwort
ОглавлениеAls ich am 1. Dezember 1970 meine erste Arbeitsstelle als Assistenzarzt in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich antrat, sahen Lebenswelt und Psychiatrieszene anders aus als heute, weltweit und in der Schweiz. Vieles war nicht oder nur wenig bekannt: Laptops, Smartphones, Lokalradio und -fernsehen, tägliche Gratiszeitungen, Spielbanken und Spielsucht, Heroin und Heroinabhängige, Methadonbehandlungen, eine Vielzahl von heute gebräuchlichen Psychopharmaka. Die psychiatrischen Kliniken waren überwiegend geschlossen und Elektroschocks noch eine gängige Behandlung. Viele heutzutage selbstverständliche Dinge und Einrichtungen erlebte ich im Prozess ihrer Entstehung. Ich habe sowohl die Öffnung und Liberalisierung der Psychiatrie mit dem Aufschwung der Sozialpsychiatrie bis zu den neunziger Jahren als auch die seither erfolgten restaurativen Rückschritte mit dem Aufkommen einer kalten algorithmischen Diagnostik und einer repressiven Psychotherapie, besonders in der Gerichtspsychiatrie, erlebt.
Während meiner Tätigkeit als Psychiater – bis 1989 in psychiatrischen Kliniken und sozialpsychiatrischen Behandlungszentren und seither in der freien Praxis – war es mir immer wieder ein Bedürfnis, mich zu jeweils aktuellen und zum Teil umstrittenen gesellschaftspolitischen und psychiatrischen Entwicklungen zu äussern. Bei den publizierten Erfahrungsberichten, Konzeptualisierungsversuchen und kritischen Stellungnahmen war mir deren allgemeinverständliche Form Anliegen und Verpflichtung.
Der vorliegende Sammelband, der auch biografische Texte enthält, ist kein nachträglich verfasstes Erinnerungsbuch, sondern eine Zusammenstellung von unveränderten Originalbeiträgen in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern. Sie gibt dem Leser auch Anregung, sich auf die Ursprünge heutiger Gegebenheiten zu besinnen.
Zürich im Dezember 2017, Mario Gmür