Читать книгу Mao und das Vermächtnis von Atlantis - Mario Klotz - Страница 16
Sie sind weg!
ОглавлениеObwohl Sem total müde und erschöpft war, konnte er lange nicht einschlafen. Die kräftezehrende Flucht, die schlaflosen Nächte, die Anspannung die in ihnen aufkam und die falsche Verdächtigung des Herzogs gegenüber den Kriegern, zerrten an den Nerven von allen. Es herrschte eine gereizte und gefährliche Stimmung, die den Zusammenhalt unter ihnen brechen könnte. Keiner hatte ein Wort gesprochen, während sie eine geeignete Stelle für die Nacht gesucht hatten, um hier zur Ruhe kommen zu können.
Sem lag zusammengekauert unter einem Felsvorsprung und hatte seinen selbstgeschnitzten Speer in der Hand. Schließlich übermannte den jungen Mann doch die Müdigkeit und er schlief kurz tief und fest, jedoch nicht sehr erholsam. Die Bilder von der letzten Nacht, als sie angegriffen worden waren, kamen ihm unter. Er wälzte sich unruhig hin und her, während er im Traum nochmals seinem Kumpanen zu Hilfe eilen wollte, der es letztendlich jedoch nicht geschafft hatte. Völlig verschwitzt schlug er plötzlich die Augen auf.
Wo noch zuvor seine Kammeraden gelegen hatten, fiel nun der Schein des Vollmondes auf die gähnende Leere einer Wiese. Sie waren alle verschwunden!
Er hielt erschrocken den Atem an und lauschte in die Nacht. Es herrschte absolute Ruhe, nur das leise Atmen des Herzogs war zu hören, sehen konnte er ihn jedoch nicht. Langsam und ohne ein Geräusch zu verursachen, kroch er unter dem schützenden Felsen hervor. Seine Umgebung ließ er dabei nicht aus den Augen.
Ein kalter Windhauch setzte ein und ließ ihn frösteln. Den Speer hatte er fest umklammert. In seinen Kopf kreisten mehrere Gedanken: ‚Was ist geschehen? Wo sind sie alle? Hatte wieder ein Angriff stattgefunden, oder haben sie den Pl…?‘
Plötzlich wurde er aus seinen Überlegungen gerissen. Er sah zwei Beine lautlos auf sich zukommen. Um wen es sich handelte, konnte er nicht erkennen, da sein Sichtfeld eingeschränkt war. Schlich sich ein Feind an?
Sofort war er hellwach und seine Finger umklammerten die Waffe. So leise wie möglich versuchte er aus seinem Unterschlupf zu kriechen und bereitete sich auf einen bevorstehenden Kampf vor. Hatte ihn der Unbekannte schon entdeckt, oder war dieser auf dem Weg zu dem Herzog? Konnte er einen Überraschungsangriff starten?
Sem musste sein weiteres Vorgehen abwiegen und konnte sich nicht rasch entscheiden. Mit ängstlichem Blick konzentrierte er sich auf die Beine. Kamen sie näher, oder schlugen sie eine andere Richtung ein?
Sein Herz schlug bis zum Hals, er wusste, eine falsche Entscheidung brachte ihm den Tod.
Mit Entsetzen stellte er fest, dass der Unbekannte genau auf ihn zuschritt. Er musste schnellsten aus dem Unterschlupf, sonst hätte sein Gegner ein zu leichtes Spiel, wenn er unter dem Felsen liegenbleiben würde.
Sem schmiedete gedanklich den Plan, sich aus dem Vorsprung zu rollen und sofort mit dem Speer einen tödlichen Angriff zu wagen. Dies war seine einzige Chance. Doch er durfte nicht zu früh hervorschießen und auf keinen Fall zu spät. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und trieften in seine Augen. Es brannte wie Feuer und verschleierte die Sicht. Dennoch blieb er voll kenzentriert, er wollte den Augenblick seines Angriffs nicht verpassen.
Min hatte ihm einmal geschildert, dass man in solchen Situationen den Angriff immer zu früh beginnt und somit die Chance auf einen Erfolg zunichte macht. Deshalb sollte man zu dem Zeitpunkt, an dem man den Angriff starten möchte, nochmals bis drei zählen, um schließlich schnell und entschlossen sein Vorhaben durchziehen und nicht mehr zögern. Genau daran wollte sich Sem nun halten.
Sein Herz hämmerte wie verrückt und pumpte sein Adrenalin durch seinen Körper. Nun war die Entscheidung über Tod oder Leben gekommen!
Seine Augen brannten und er sah die Beine nur noch verschwommen, dennoch beschloss er, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist und begann innerlich zu zählen.
Gerade in dem Moment, als er aus seinem Versteck hechten wollte, hörte er eine vertraute Stimme leise hauchen.
„Sem!“, flüsterte Min.
Der junge Mann atmete einmal tief durch, als ihm bewusst wurde, dass er fast seinen Hauptmann attackiert hätte.
Er schlug eine Rolle und gelangte so unter dem Felsvorsprung hervor. Wischte sich mit seinem Ärmel den Schweiß aus den Augen und erhob sich.
Erleichtert lächelte er Min an und wollte ihm leise schildern, was er eben fast getan hätte. Doch der Hauptmann schnitt ihm das Wort ab und wollte ihm etwas berichten. Genau in diesem Moment erwachte jedoch auch der Herzog.
„Aufwachen!“, befahl Min und seine Stimme klang aufgewühlt, als er hinzufügte: „Sie sind weg! Sie haben uns alle im Stich gelassen!“
„Was?“, rief der Herzog noch halbverschlafen.
„Seien Sie leise!“, fuhr Min ihn an, drehte sich zu Sem und nickte ihm unauffällig zu.