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II. Von den Personen, die Cicero in der Abhandlung vom Greisenalter redend eingeführt hat
Оглавление1. Die Hauptperson des Gespräches über das Greisenalter, der Cicero die Vertheidigung dieses Alters gegen die ihm gemachten Vorwürfe übertragen hat, ist Marcus Porcius Cato, der Aeltere, mit dem Beinamen Censorius, der damals fünfundachtzig Jahre alt war. Die Wahl dieses Mannes ist in der That eine höchst glückliche zu nennen. Denn im ganzen Alterthume läßt sich schwerlich eine Persönlichkeit auffinden, die geeigneter gewesen wäre dem Vortrage größeres Gewicht und Ansehen zu verleihen, als der Mann, der, im hohen Alter stehend, jugendlicher Frische genoß 4 und wegen seiner ausgezeichneten Tugenden den ehrenvollen Beinamen »der Weise« erhielt. In seinem ganzen Leben erscheint er als ein Muster sittlicher Strenge, unerschütterlicher Charakterfestigkeit, unparteiischer Gerechtigkeitsliebe, vorzüglicher Enthaltsamkeit, Mäßigkeit und Abhärtung. Gleich ausgezeichnet war er als Krieger und Heerführer, als Staatsmann, Redner und Rechtsgelehrter, als Landwirt und vielseitiger Schriftsteller. Vortrefflich ist auch die Zusammenstellung des alten Cato mit den beiden jungen Männern, Gajus Lälius und dem jüngeren Scipio Africanus. Beide waren durch die innigste Freundschaft mit einander verbunden, Beide von der edelsten Gesinnung und von dem Streben nach höherer Menschenbildung erfüllt, Beide Verehrer und Bewunderer Cato's und seiner Weisheit, und Cato hegte eine väterliche Liebe und Zuneigung gegen seine jungen Freunde 5.
2. Cato war im Jahre 234 v. Chr. zu Tusculum 6, einer Freistadt ( municipium) Latiums, geboren unter dem Consulate des Gajus Postumius Albinus und Spurius Carvilius Maximus. Die Familie, aus der er stammte, gehörte dem plebejischen Stande 7 an. Er war zweimal verheirathet. Der Sohn seiner ersten Ehe, der die Schwester des jüngeren Scipio zur Gattin hatte, starb, als er eben die Prätur erhalten hatte (152). Mit stoischer Standhaftigkeit ertrug Cato den Tod des ihm so theueren und hoffnungsvollen Sohnes. Der Sohn der zweiten Ehe war der Großvater des Cato Uticensis. In seiner frühen Jugend lebte Cato auf einem von seinem Vater ererbten Landgute im Sabinerlande; aber auf Anrathen des Lucius Valerius Flaccus begab er sich (212) nach Rom, um sich dem öffentlichen Leben zu widmen. Durch seine Beredsamkeit vor den Gerichten und durch seine Rechtschaffenheit erwarb er sich in Kurzem großes Ansehen.
3. Seine ersten Kriegsdienste machte er (217) in seinem siebzehnten Jahre. Drei Jahre darauf (214) zog er mit dem Consul Quintus Fabius Maximus als gemeiner Krieger nach Campanien 8 und fünf Jahre später (209) gegen Tarent. In dem Treffen bei Sena in Umbrien (207), in dem Hannibal's Bruder, Hasdrubal, blieb, leistete er dem Claudius Nero wichtige Dienste 9 . Unter dem Consulate des Tuditanus und Cethegus (204) erhielt er die Quästur und begleitete den Proconsul Publius Scipio, den Aelteren, nach Afrika. Unter dem Consulate des Lucius Cornelius Lentulus und Publius Villius Tappulus (199) wurde er plebejischer Aedil und unter dem Consulate des Sex. Aelius Pätus und Titus Quinctius Flaminius (198) Prätor in Sardinien.
4. Drei Jahre später (195) wurde er mit dem oben erwähnten Lucius Valerius Flaccus zum Consul erwählt. In dem diesseitigen Hispanien, das ihm als Provinz zu Theil geworden war, unterwarf er die aufrührerischen Volksstämme, ließ die Mauern ihrer Städte schleifen, kurz, er zeigte in den größten wie in den kleinsten Angelegenheiten eine unermüdliche Thätigkeit, wetteiferte mit den gemeinen Soldaten in den mühsamsten Arbeiten und Anstrengungen, war sparsam und mäßig und gegen Niemanden strenger als gegen sich selbst. Als Belohnung für seine großen Verdienste wurde ihm bei seiner Rückkehr aus Hispanien ein Triumph zuerkannt 10. Gleich darauf in demselben Jahre ging er als Unterfeldherr ( legatus) 11 mit dem Consul Tiberius Sempronius Longus nach Thracien und vier Jahre später (191) als Kriegstribun 12 mit dem Consul Manius Acilius Glabrio nach Griechenland gegen den König von Syrien, Antiochus, den gefährlichsten Feind der Römer nach Hannibal. Auch in diesem Feldzuge leistete er wichtige Dienste. Namentlich wird mit großem Lobe ein von ihm geleiteter Ueberfall der Feinde erwähnt 13, durch den in der Schlacht bei Thermopylä der Sieg über Antiochus entschieden, und dieser nach Asien sich zurückzuziehen genöthigt wurde.
5. Großen Ruhm erwarb Cato auch in der Verwaltung der Censorwürde, die er mit seinem Freunde, dem zuvor erwähnten Lucius Valerius Flaccus, im J. 184 erhielt, indem er ohne alle Rücksicht auf die Person jede Unsittlichkeit mit der größten Strenge bestrafte, der schon mehr und mehr um sich greifenden Ueppigkeit, Verschwendung und Prunksucht durch hohe Besteuerung der Luxusartikel entgegentrat und viele andere nützliche Anordnungen im Staate traf 14. Wegen der Strenge, die er als Censor ausübte, erhielt er den Beinamen Censorius.
6. Auch noch als Greis bewies er große Thätigkeit und nahm lebhaften Antheil an dem Staate. So empfahl er in einem Alter von 65 Jahren (169) mit lauter Stimme und starker Brust, wie Cicero (5, 14) sagt, den Voconischen Gesetzvorschlag. Zwei Jahre darauf (167) unterstützte er nachdrücklich die Sache der ungerecht behandelten Rhodier 15. Ein Jahr vor seinem Tode (150), also in einem Alter von fünfundachtzig Jahren, setzte er es durch, daß die Römer den Karthagern den Krieg erklärten 16 , und wenige Tage oder Monate nachher hielt er eine barsche und leidenschaftliche Rede, in der er die gegen den Proprätor Servius Galba wegen seiner treulosen Behandlung der Lusitaner erhobene Anklage unterstützte 17.
7. Cato's wissenschaftliche Bildung und Schriftstellerei war sehr vielseitig. Von den Werken, die er hinterlassen hat, besitzen wir leider fast nur einzelne Bruchstücke. Er schrieb ein Werk über die Landwirtschaft ( de re rustica), Reden, ein Buch über das Kriegswesen, Abhandlungen über Staatswissenschaft, Rechtspflege, Alterthümer, ein großes Geschichtswerk, Origines 18 benannt, das heißt eine Urgeschichte, worin er in sieben Büchern die Abstammung und Geschichte der Italischen Völker behandelte. Mit der Griechischen Litteratur machte sich Cato erst im Alter bekannt (8, 26); aber wahre Liebe zu ihr und zu der Griechischen Bildung konnte er nie fassen. Als daher im J. 158 die Athener eine Gesandtschaft nach Rom schickten, welche aus den drei Philosophen, dem Neuakademiker Karneades, dem Stoiker Diogenes und dem Peripatetiker Kritolaus bestand, und diese Männer in Rom gelehrte Vorträge hielten und von den Römischen Jünglingen mit großem Eifer gehört wurden; so war es Cato, der aus Besorgniß, die Römische Jugend möchte durch die Liebe zu den Wissenschaften von der Strenge der alten Zucht, welche die kriegerische Einrichtung des Staates nothwendig erfordern, abfallen und, von Griechischer Bildung angesteckt, sich mehr den wissenschaftlichen Studien als der praktischen Thätigkeit im Staate und im Kriegsdienste ergeben, es durchsetzte, daß die Gesandtschaft nach kurzer Zeit aus Rom entfernt wurde.
8. Der Stoischen Philosophie war Cato mit ganzer Seele ergeben. Er hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht die strengen Grundsätze der Stoischen Sittenlehre in allen seinen Handlungen zu bethätigen. Aber Cicero läßt in seiner Schrift den Cato nicht als strengen Stoiker auftreten, sondern einem gemilderten Stoicismus folgen. Ja an mehreren Stellen, wie 2, 8. 14, 46. 19, 71, neigt er sich ganz offenbar zur Lehre der Peripatetiker und Altakademiker. Aber auch in anderer Hinsicht hat Cicero dem Wesen Cato's die Starrheit und Sprödigkeit, die wir bei dem historischen Cato finden, abgestreift und ihn als einen milden, freundlichen, wohlwollenden und feingebildeten Greis dargestellt. Denn Cicero wollte weder eine Abhandlung nach rein Stoischen Grundsätzen, noch auch eine der Geschichte genau entsprechende Charakteristik Cato's schreiben, sondern ein Gespräch, in dem sich ein würdiger und angesehener Greis in freundschaftlicher und gemüthlicher Weise mit zwei edlen jungen Männern unterhält, wozu sich der Rigorismus der Stoischen Lehre und der Charakter des alten Cato schwerlich geeignet haben würde.
9. Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus der Jüngere, der Sohn des Lucius Aemilius Paullus Macedonicus, adoptirt von Publius Cornelius Scipio, dem Sohne des älteren Scipio Africanus, Bruder der Aemilia, Cato's Schwiegertochter, war einer der größten und edelsten Römer, als Krieger und Heerführer und Staatsmann ausgezeichnet, einer der liebenswürdigsten Charaktere und ein Mann von der feinsten Bildung.
10. Schon in seiner frühen Jugend zeichnete er sich als Krieger aus. In seinem siebzehnten Jahre (168 v. Chr.) nahm er unter Anführung seines Vaters Theil an dem Feldzuge gegen Perses, König von Macedonien. In dem Hispanischen Kriege (151) erwarb er sich als Kriegstribun unter dem Consul Lucius Lucullus durch seine Tapferkeit und Besonnenheit großes Lob. Ebenso zeichnete er sich bald darauf (149) in dem dritten Punischen Kriege aus, indem er in Afrika das durch Unvorsichtigkeit seiner Anführer schwer bedrängte Römische Heer von seinem Untergange rettete. Durch diese glänzenden Thaten und die Rechtschaffenheit seines Charakters hatte er sich die Vewunderung und Liebe des Römischen Volkes dergestalt erworben, daß er, als er sich in seinem sechsunddreißigsten Lebensjahre (147) um die Aedilität bewarb, vor der gesetzlichen Zeit, das heißt vor dem dreiundvierzigsten Lebensjahre, einstimmig vom Volke erwählt 19 und ihm der Oberbefehl in dem Punischen Kriege übertragen wurde. Die Eroberung Karthago's, das mit bewunderungswürdigem Heldenmuthe vertheidigt wurde, erfolgte erst im folgenden Jahre (146). Im J. 142 wurde er mit Mummius zum Censor gewählt und erwarb sich durch die gewissenhafte Verwaltung dieses Amtes großes Lob. Im J. 134 zum zweiten Male mit dem Consulate betraut, belagerte er Numantia in Spanien, das er aber erst im funfzehnten Monate (133) nach den blutigsten Kämpfen einnehmen konnte. Zwei Jahre darauf (129) starb er, nachdem er am Tage vor seinem Tode gegen die drei Volksführer, Gajus Carbo, Gajus Gracchus und Marcus Fulvius, mit großer Heftigkeit geredet hatte. Ob sein plötzlicher Tod ein natürlicher oder ein gewaltsamer gewesen sei, läßt sich nicht entscheiden 20.
11. Was Scipio's wissenschaftliche Bildung anlangt, so wird uns berichtet, er habe zu den jungen Männern gehört, welche während der Anwesenheit der oben erwähnten Athenischen Gesandtschaft die Vorträge der drei Philosophen, Karneades, Kritolaus und Diogenes, fleißig gehört 21 ; er habe den Geschichtsschreiber Polybius und den Stoischen Philosophen Panätius im Kriege wie im Frieden stäts in seiner Begleitung gehabt 22 und besonders mit dem Letzteren in freundschaftlichem Verkehre gestanden und dem Studium der Philosophie obgelegen 23 ; er habe Xenophon's Schriften fleißig gelesen 24 . Auch als vorzüglicher Redner wird er von Cicero 25 genannt.
12. Von Lälius, der dritten Person unseres Gespräches, werden wir in der Einleitung zu der Abhandlung von der Freundschaft sprechen.