Читать книгу Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон - Страница 21
VI.
ОглавлениеVon Verrichtung der Geschäfte zieht das Greisenalter ab. Von welchen? Etwa von denen, welche in der Jugend und mit Leibeskräften verrichtet werden? Gibt es nun keine Geschäfte für den Greis, welche selbst bei schwachem Körper doch mit dem Geiste besorgt werden können? Nichts that also Quintus Maximus 67? nichts Lucius Paullus 68, dein Vater, der Schwiegervater meines trefflichen Sohnes? Die anderen Greise, ein Fabricius 69, ein Curius 70, ein Coruncanius 71, thaten sie Nichts, wenn sie den Staat durch ihren Rath und ihren Einfluß vertheidigten?
16. Bei Appius Claudius 72 kam zu dem Greisenalter auch noch die Blindheit; und dennoch war er es, der, als die Meinung des Senates sich zum Abschlusse des Friedens und Bündnisses mit Pyrrhus hinneigte, kein Bedenken trug die Worte zu sagen, welche Ennius in folgende Verse gebracht hat:
Wohin hat sich eure Gesinnung so sinnlos gewendet,
Die vordem beständig sich aufrecht zu halten vermochte?
Und so das Folgende in den nachdrücklichsten Worten. Das Gedicht ist euch ja bekannt; doch auch die Rede des Appius selbst ist noch vorhanden. Und dieß that er siebzehn Jahre nach seinem zweiten Consulate, nachdem zwischen beiden Consulaten zehn Jahre verflossen waren, und er vor seinem ersten Consulate Censor gewesen war. Hieraus erhellt, daß er im Kriege des Pyrrhus recht bejahrt war; gleichwol haben uns dieses unsere Väter von ihm berichtet.
17. Man sagt also damit Nichts, wenn man behauptet, das Greisenalter befasse sich nicht mit Verrichtung von Geschäften, und die Sache verhält sich ähnlich, wie wenn man behaupten wollte, der Steuermann thue bei der Schiffahrt Nichts, weil, während Andere auf die Mastbäume stiegen, Andere in den Gängen umherliefen, Andere das Grundwasser ausschöpften, jener, das Steuer haltend, ruhig auf dem Schiffshintertheile sitze. Freilich thut er nicht das, was die jungen Leute thun; aber wahrlich ungleich Wichtigeres und Besseres thut er. 18. Es ist nicht Leibesstärke oder körperliche Behendigkeit und Schnelligkeit, womit man große Dinge ausführt, sondern Ueberlegung, Ansehen und Urtheil: Eigenschaften, die dem Greisenalter nicht entzogen, sondern sogar noch vermehrt zu werden pflegen. Ihr müßtet denn etwa glauben, daß ich, der ich mich als gemeiner Krieger, als Tribun, als Unterfeldherr, als Consul in verschiedenen Arten des Krieges bewegt habe, jetzt, wo ich keine Kriege führe, euch unthätig zu sein scheine. Aber ich schreibe dem Senate vor, welche zu führen sind, und wie; Karthago, das schon lange Böses im Schilde führt, kündige ich lange zuvor den Krieg an, und ich werde nicht eher aufhören um seinetwillen besorgt zu sein, als bis ich seine Zerstörung erfahren habe 73. 19. Möchten doch die unsterblichen Götter dir, Scipio, diesen Siegespreis vorbehalten, damit du das vollendest, was dein Großvater 74 noch zu thun übrig gelassen hat. Seit seinem Tode sind fünfunddreißig Jahre verflossen; aber das Andenken an diesen Mann wird sich auf alle kommenden Jahre fortpflanzen. Ein Jahr vor meinem Censoramte starb er, neun Jahre nach meinem Consulate, unter dem er zum zweiten Male zum Consul erwählt wurde. Würde er nun wol, wenn er bis zum hundertsten Jahre gelebt hätte, mit seinem Alter unzufrieden gewesen sein? Freilich mit Laufen, mit Springen, mit Speerwerfen in die Ferne oder dem Schwerte im Nahkampfe würde er sich nicht befaßt haben, wohl aber mit Rathgeben, Ueberlegen und Urtheilen.
Fänden sich diese Eigenschaften nicht bei alten Leuten 75, so hätten unsere Vorfahren ihre höchste Rathsversammlung nicht den Rath der Alten genannt. 20. So werden auch bei den Lacedämoniern die Männer, welche das höchste Staatsamt bekleiden, wie sie es wirklich sind, Greise 76 genannt. Und wenn ihr die Geschichte des Auslandes lesen oder hören wollt, so werdet ihr finden, daß die größten Staaten von jungen Männern erschüttert, von alten hingegen aufrecht erhalten und wiederhergestellt worden sind.
Ei sagt, wie kam's, daß euer großer Staat so schnell verloren ging?
So fragt man in dem Scherzspiele des Dichters Nävius 77, und man antwortet unter Anderem besonders Folgendes:
Es tauchten neue Redner auf, gar junge Leut' voll Unverstand.
Natürlich, denn Unbesonnenheit ist dem blühenden Alter, Einsicht dem Greisenalter eigenthümlich.