Читать книгу Bruckmann Wanderführer: Zeit zum Wandern Meraner Land - Mark Zahel - Страница 13
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Abseits des Trubels
Über die Karlscharte, 2666 m
Zwischen historisch bedeutsamen Bergbaurelikten und alpiner Urlandschaft verläuft die vielfältige Rundtour über die Karlscharte im hintersten Winkel des Passeier. Die Gegensätze manifestieren sich besonders stark zwischen St. Martin am Schneeberg und dem Timmler Schwarzsee.
Tourencharakter
Ordentlich markierte Bergwege, in höheren Lagen teils Blockschutt oder leicht felsig. Dementsprechend elementare Trittsicherheit, bei ungenügender Sicht auch Orientierungsvermögen nötig. Tagfüllende Tour.
Ausgangspunkt
Bei der Timmelsbrücke (1759 m) an der Timmelsjochstraße, GPS: 46.896378, 11.129868.
Anfahrt
Von Meran durchs Passeiertal über St. Leonhard und Moos bis kurz hinter Schönau. Linienbus nur bis Moos, von dort verkehrt in der Hauptsaison ein spezieller Wanderbus.
Einkehr
Obere Gostalm (1990 m), Schneeberghütte (2355 m, Tel. 0473/647045), Timmelsalm (1979 m).
Wie gemalt bettet sich der Timmler Schwarzsee in eine Karwanne.
Der Wegverlauf
Bei der Timmelsbrücke können wir noch kurz rechts zu einem Parkplatz hinauffahren, dann werden die Wanderschuhe geschnürt. Mit Nr. 29 geht es über eine freie Almfläche in den Wald, dort vorerst ein Stück aufwärts und später nahezu horizontal um einen weiten Hang herum. Über die knapp unterhalb gelegene bewirtschaftete Obere Gostalm (1:00 Std.) kann je nach Gusto ein kleiner Umweg gewählt werden. Wir lassen die Waldgrenze nun allmählich hinter uns und nähern uns dem Kessel von Seemoos, der reiche Zeugnisse aus der Bergbauzeit offenbart. Auffällig ist vor allem die steile Trasse eines sogenannten Bremsberges, mit dessen Hilfe seinerzeit auf sehr pfiffige Weise der Abtransport des Erzes gelöst wurde; eine ingenieurtechnische Meisterleistung!
Vom Fuß des Bremsberges geht es entweder mit dem Normalweg Nr. 29 links ausholend oder über einen speziell ausgewiesenen Montanwanderweg direkter im Zickzack über den Steilriegel hinweg. Damit treffen wir im ehemaligen »Knappendorf« St. Martin und bei der heutigen Schneeberghütte (2:15 Std.) ein. Kaum zu glauben, dass die Bergkämme zwischen Passeier- und Ridnauntal von einem verzweigten Stollen- und Grubensystem quasi durchlöchert worden sind wie ein Schweizer Käse. Markantester Gipfel im Kessel ist die Gürtelwand, die man an ihrem hellen Marmorstreifen sofort erkennt. Aber auch an Schneeberger und Moarer Weißen tritt dieses äußerst brüchige Gestein auf und sorgt für optische Kontraste im ansonsten dunklen Kristallin.
Relikte des Bergbaus im Angesicht der Gürtelwand
Freud & Leid
Abraumhalden, Stollen, Relikte alter Förder- und Transportanlagen – was rund um die Schneeberghütte zu sehen ist, lässt sich mit allzu lieblichen Vokabeln kaum umschreiben. Gleichwohl hinterlässt die Szenerie einen nachhaltigen Eindruck, findet sich hier doch eines der interessantesten Kapitel Tiroler Industriegeschichte. Näheres dazu im Kasten »Das Bergwerk am Schneeberg«.
Hinter der Schneeberghütte, die seinerzeit übrigens als Herrenhaus fungierte und inzwischen zu einer Unterkunft für Wanderer umgebaut wurde, orientieren wir uns kurz hinunter in eine Senke und steigen aus dieser linker Hand über Weidehänge wieder aufwärts. Im Angesicht der nahen Gürtelwand schwenkt man in eine Karmulde ein und peilt über Schotter die Karlscharte (3:30 Std.) an. Neue Eindrücke tun sich am höchsten Punkt der Tour auf, die Blicke schweifen bereits hinüber zum Grenzkamm nach Österreich. Von der Einsattelung lenken wir unsere Schritte nordseitig hinab, wobei man sich über Blockschutt, Gletscherschliffe und teilweise auch über den von den Schneeberger Weißen herabbröckelnden hellen Kalkschotter nun mehr und mehr rechts hält. Dieser Abstieg läuft auf die weitläufigen Hochböden der Timmelsalm, dem Ursprung des Passeiertals, aus. Eine wunderbare Ursprünglichkeit umgibt uns hier – ganz im Gegensatz zum von Menschenhand stark umgestalteten Gelände um St. Martin.
In dem unübersichtlich kupierten Gelände schlagen wir einen großen Bogen, überqueren einige Bachläufe und gewinnen im Gegenanstieg die Schwelle des stattlichen Timmler Schwarzsees (4:45 Std.): der Glanzpunkt schlechthin! Wir sind umgeben von Bildern voller Harmonie, die uns im Innersten anrühren! Während rückseitig die Gipfel der Botzergruppe prangen und die Schneeberger Weißen mit ihrer Nordflanke herüberschauen, steht in der Ferne die vergletscherte Mauer um den Hohen First Parade. Wir werden ihr bei Tour 2 noch näher kommen …
Vom Südwestufer des bezaubernden Schwarzsees, an dem man nur allzu gern lange verweilen möchte, leiten wir den Schlussabstieg ein. Dieser steht ganz im Zeichen einer Wildbachlandschaft, im spannungsreichen Wechsel zwischen ungestüm brausend und lieblich gurgelnd, wie er eigentlich nur einem jungen Gebirgsbach zu eigen sein kann. Über die erste Geländestufe steigen wir zu den grünen Böden von Ober- und Unterkrumpwasser ab, wo mustergültige Mäander zu beobachten sind. Dann folgt eine zweite Stufe am Rande eines klammartig eingeschnittenen Bachabschnitts mit kleinen Kolken und Wasserfallkaskaden, der unten auf den Anger der Timmelsalm (5:45 Std.) ausläuft. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Gerichtsalm, wohin jeder Bauer aus dem Tal sein Vieh auftreiben darf. Wer mag, kann hier nochmals einkehren, bevor es die letzte halbe Stunde auf breitem Kiesweg zum Parkplatz bei der Timmelsbrücke (6:15 Std.) hinausgeht.
Das Bergwerk am Schneeberg
Im Hinterpasseier befand sich einst das höchste Bergwerk Europas und zeitweise auch eines der bedeutendsten. Die Anfänge gehen mindestens auf das Jahr 1237 zurück, aus dieser Zeit stammt nämlich das älteste schriftliche Zeugnis, in dem »gutes Silber vom Schneeberg« Erwähnung findet. Im 15. und 16. Jahrhundert stand die Förderung in höchster Blüte. Sterzing kam als Stadt der Gewerke zu Ansehen und Macht, die Verbindungen reichten bis zu den Augsburger Fuggern, die hier Zweigniederlassungen gründeten und aus dem Bergsegen ordentliche Gewinne schöpften. In der Hauptsache wurden zunächst Silber und Blei, ab 1871 dann Zinkblende als das am häufigsten vorkommende Erz gefördert. In dieser Zeit bekam auch die ganzjährig bewohnte Knappensiedlung St. Martin ihr heutiges Gesicht.
Den Schlusspunkt unter fast 800 Jahre Bergbauaktivität am Schneeberg markiert das Jahr 1979, als der Förderbetrieb wegen mangelnder Rentabilität eingestellt wurde. Seit ein paar Jahren sind die Anlagen im Rahmen des Südtiroler Bergbaumuseums für interessiertes Publikum zugänglich. So konnte ein kulturgeschichtliches Denkmal beachtlichen Ausmaßes gerade noch rechtzeitig vor dem Verfall bewahrt werden.