Читать книгу Tax Compliance - Markus Brinkmann - Страница 244

2. Bedeutung der internen Sachverhaltsaufklärung bei Umsatzsteuerkarussellen

Оглавление

115

Interne Sachverhaltsaufklärungen können i.d.R. dann von Bedeutung sein, wenn das Risiko besteht, dass ein Unternehmen unwissentlich Teil eines Umsatzsteuerkarussells geworden ist oder Gesellschaften eines Konzerns durch verantwortliche Führungskräfte oder Mitarbeiter für derartige Straftaten missbraucht werden, um sich persönlich zu bereichern.

„Unwissentliche“ Teilnahme am Umsatzsteuerkarussell

116

Als Unternehmen unwissentlich Teil einer Lieferkette zu werden, die in ihrer Gesamtschau als kriminelles Umsatzsteuerkarussell zu definieren ist, stellt auch ohne Vorsatz ein Risiko für Unternehmen dar, da neben der rein steuerstrafrechtlichen Konsequenzen auch immer steuerliche Haftungs- und Abzugsbeschränkungen zu berücksichtigen sind. Hierzu führt der BFH aus, dass die Vorsteuer bei Leistungen in einem Umsatzsteuerkarussell dann gezogen werden kann, wenn ein Unternehmer „(…] alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug – sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug – einbezogen sind (…)“.[39] Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner, dass der Nachweis für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen durch das Vorsteuerabzug begehrende Unternehmen zu erbringen ist, was auch das „Wissen oder Wissenkönnen vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten“ beinhaltet.[40]

117

Insofern wird deutlich, dass es unter präventiven Gesichtspunkten zwingend geboten erscheint, sich durch entsprechende Hintergrundrecherchen im ausreichenden Maße über die Integrität seiner Geschäftspartner zu informieren.

118

Ziel solcher anlassbezogenen Recherchen ist es, Informationen zu gewinnen, anhand derer man die Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit potenzieller Geschäftspartner bestimmen und belegen kann und infolge dessen die Entscheidung über die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen bzw. zu der Etablierung entsprechender Sicherungsmaßnahmen getroffen werden kann.

119

Käme bei einer solchen Recherche etwa zum Vorschein, dass der potentielle Geschäftspartner bereits häufiger wegen Wirtschaftsdelikten in der Presse stand oder gar (straf-)rechtlich verurteilt wurde, könnte dies entsprechende Entscheidungen gegen eine Aufnahme von Geschäftsbeziehungen bzw. für die Aufnahme nur unter engen Auflagen (z.B. Compliance-, Prüfungs- oder Exit-Klauseln) begründen. Insbesondere bei Umsatzsteuerkarussellen spielt etwa auch das Gründungsdatum eine Rolle, da in solchen Modellen die Existenz von Gesellschaften häufig nur von kurzer Dauer geprägt ist. Bei besonders verschachtelten Gesellschaftsstrukturen lohnt sich der Aufwand für die Ermittlung des wirtschaftlich berechtigten Personenkreises, da – nicht überraschend – am Kopf von kriminellen Organisationen nicht selten ein und dieselbe Person steht.

120

Um auf Informationen eines mannigfaltiges Repertoires an validen Quellen zurückgreifen zu können, empfiehlt sich für die Durchführung solcher Hintergrundrecherchen („Business Intelligence“ Dienstleistungen) die Einschaltung von darauf spezialisierten Dienstleistern, sofern dies nicht durch eigene Ressourcen bewältigt werden kann.

121

Ferner kann unter Umständen auch bei Gutgläubigkeit der Vorsteuerabzug des Lieferungsempfängers versagt werden, da nicht der Lieferant und förmlich handelnde Rechnungssteller als umsatzsteuerlicher Leistungserbringer anzusehen ist, sondern die kollusiv im Hintergrund handelnde kriminelle Gruppe, mit der dieser zusammen in krimineller Weise umsatzsteuerliche Vorteile erschlichen hat.[41] Voraussetzung für den Vorsteuerabzug wäre indes die vollständige, tatsächliche Anschrift des leistenden Unternehmers oder der – um dem FG Saarland zu folgen – „kriminellen Gruppe“ (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG).[42] Diese Rechtsprechung sollte jedoch nicht anwendbar sein, wenn tatsächlich Warenbewegungen stattgefunden haben, sondern vielmehr in Fällen, in denen Scheinrechnungen ausgestellt wurden.

Vorsätzliche Teilnahme am Umsatzsteuerkarussell

122

Denkbar sind an dieser Stelle Konstellationen, in denen insbesondere leitende Angestellte einer Tochtergesellschaft die Gesellschaft bewusst für derart kriminelle Machenschaften missbrauchen. Die Motivation kann hierbei in der unmittelbaren Abschöpfung der nicht abgeführten Umsatzsteuer liegen. Möglich ist aber auch, dass das Unternehmen insbesondere zu Verschleierungszwecken gebraucht wird und der leitende Angestellte von den Initiatoren des Umsatzsteuerkarussells hierfür eine entsprechende Gegenleistung erhält.

123

Die Planung und Durchführung von Untersuchungshandlungen hat sich, insbesondere vor dem Hintergrund der vielfältigen Variationsmöglichkeiten eines Umsatzsteuerkarussells, stets auf den konkreten Einzelfall auszurichten. Auslöser für eine Investigation im Hinblick auf eine potentielle Verwicklung in ein Umsatzsteuerkarussell werden regelmäßig interne oder externe Hinweise sein (vgl. Rn. 4). In dem folgenden Beispiel könnte der Ausgangpunkt für eine Investigation sein, dass die Konzernmutter durch eine zeitnahe und vollständige Sachverhaltsklärung mögliche finanzielle oder reputative Schäden gering halten möchte.

Tax Compliance

Подняться наверх