Читать книгу Tax Compliance - Markus Brinkmann - Страница 249

3. Beispiel

Оглавление

Sachverhalt

160

Der deutsche Anlagenbaukonzern A ist unter anderem in Südamerika tätig und hat dort seit Jahrzehnten hohe Marktanteile. Durch massive Patentrechtsverletzungen asiatischer Konkurrenten sind die hochwertigen Produkte des Anlagenbauers A unter erheblichen Margendruck geraten. Die Marktanteile sind in den letzten zwei Jahren um rund 20 Prozentpunkte eingebrochen. Die argentinische Vertriebstochter B ist in die Verlustzone geraten und kann ihre Verbindlichkeiten an die konzerneigene Produktionsgesellschaft C mit Sitz in Deutschland, die gleichzeitig die Muttergesellschaft von B ist, nicht mehr vollständig bedienen. Es drohen hohe Abschreibungen auf die bei C aktivierten Forderungen im folgenden Geschäftsjahr, wenn B ihren neuen Businessplan nicht erreicht.

161

In einer Krisensitzung der Geschäftsleitung von B und C wird analysiert, dass sich die Produktionsreife der neuen Produkte, die Gegenstand des Businessplans der B sind, nicht planmäßig bei C realisieren lassen. Zudem wird analysiert, dass Verkäufe in der Vergangenheit insbesondere dann realisiert werden konnten, wenn Entscheider bei den Kunden der B durch „Bonifikationen“ wie z.B. Ferienreisen, Einladungen zu Veranstaltungen oder anderen Annehmlichkeiten an das Unternehmen gebunden werden konnten. Aufgrund eines prominenten Korruptionsskandals bei einem Konkurrenten der B in Argentinien war B jedoch gezwungen, dieses Programm einzustellen, was zu weiteren Verlusten von Marktanteilen geführt hatte. Um dieses „Kundenbindungsprogramm“ wieder aufnehmen und ausweiten zu können, wird eine Finanzierungsmöglichkeit ohne direkten Bezug zu B gewählt.

162

Die B vertreibt seit Jahren die Anlagen des Konzerns in Argentinien unter einem eigenen Markennahmen, der in Argentinien, jedoch nicht weltweit, markenrechtlich geschützt ist. Es wird durch C eine Gesellschaft D mit Sitz in Panama gegründet, deren einziger Zweck die Beantragung des Markenrechtes für weitere wichtige Absatzmärkte in Südamerika ist. Die B, die eigentlich dieses Markenrecht durch seine unternehmerische Aktivität geschaffen hat und gegen die Eintragung des Markenrechtes durch D rechtlich vorgehen könnte, lässt D gewähren und legt keine Rechtsmittel gegen die Eintragung des Markenrechtes ein. An D ist C als 100 %ige Gesellschafterin beteiligt. Um Mittel zu generieren, lizensiert D das Markenrecht und bietet es C zum zeitlich befristeten Erwerb (15 Jahre) an. C vertreibt über ihre in den jeweiligen Ländern ansässigen Vertriebstöchter ihre Produkte nun auch unter dem eingetragenen Markennamen. Die Lizenzaufwendungen werden als Betriebsausgaben geltend gemacht. Zur Eintragung und Pflege der Markenrechte werden in den Ländern, in denen die Markenrechte beantragt wurden, lokale Rechtsanwaltskanzleien beauftragt, die entsprechende Rechnungen an die D stellen. Hierdurch wird sichergestellt, dass in Panama keine Gewinne anfallen.

163

Als Begründung für die Lizensierung durch D wird dokumentiert die C in ihren internen Besprechungen, dass es für die markenrechtliche Eintragung in Südamerika eines besonderen Know-hows rechtlicher Natur bedürfe, das die Einbindung lokaler Rechtsanwälte bedingt, die jedoch nur mit Gesellschaften zusammenarbeiten würden, die in Mittel- oder Südamerika tätig wären. Zur Begründung, warum die Markenrechte nicht direkt durch die Vertriebsgesellschaften in den jeweiligen Ländern beantragt wurden, wird ausgeführt, dass hierzu bei den Tochtergesellschaften nicht das notwendige Know-how vorhanden sei und für C durch die Nutzung des Markenrechtes ja in ganz Südamerika insgesamt ein erheblicher Wettbewerbsvorteil durch den einheitlichen Markenauftritt bestünde.

164

Die Mittelzuflüsse bei den lokalen Rechtsanwaltskanzleien werden nach Abzug einer Gebühr auf Anweisung eines Mittelsmannes, der von B und C eingesetzt wurde, verwendet, um kundenbindende Maßnahmen bei Entscheidern wichtiger Kunden der B zu finanzieren.

165

Der hier dargestellte Sachverhalt ist insgesamt schwierig und nicht nur in Hinblick auf den Sinn und Zweck des Konstruktes, nämlich der Erzielung von Mitteln zur Begünstigung potentieller Entscheider bei Kunden (möglicherweise Bestechung) steuerlich hoch „brisant“. Es ergeben sich zahlreiche Ansatzpunkte, die zu überprüfen wären und deren steuerliche Konsequenzen jeweils unterschiedlich sind. Zu prüfen wäre z.B. ob hier nicht ein Scheingeschäft nach § 41 Abs. 2 AO vorliegt, das für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich ist. Wird ein Scheingeschäft verneint, wäre zu überprüfen, ob man aufgrund der obigen Konstruktion nicht zu dem Ergebnis kommt, dass der Ort der (tatsächlichen) Geschäftsleitung im Inland liegt und die Gesellschaft somit nach § 1 Abs. 1 KStG bereits unbeschränkt steuerpflichtig ist. Wird der Ort der Geschäftsleitung im Inland verneint, wäre zu überprüfen, ob hier ggf. eine reine Briefkastenfirma vorliegt und das gesamte Konstrukt nach § 42 AO als missbräuchlich einzustufen ist. Sofern hier kein Ansatzpunkt gefunden ist, wären die Vorschriften der §§ 7 ff. AStG zu untersuchen. Diese dürften hier besonders „vielversprechend“ sein, da die inländische Gesellschaft C zu 100 % an D beteiligt ist und die Verpachtung der Markenrechte nach § 8 Abs. 1 Nr. 6a AStG im Umkehrschluss passive Einkünfte darstellt. Die Rückausnahme für den Fall, dass das Markenrecht durch die D „entwickelt“ wurde, dürfte hier in keinem Fall einschlägig sein. Zudem ist D in einem „Niedrigsteuerland“ tätig, so dass auch § 8 Abs. 3 AStG greift. Die Voraussetzungen für hinzuzurechnende Einkünfte einer Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG dürften vorliegen. Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nach § 10 Abs. 4 AStG sind Betriebsausgaben nur dann anzusetzen, wenn sie mit der Einkünfteerzielung in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies dürfte bei den Rechnungen der ausländischen Rechtsanwälte mehr als zweifelhaft sein. Im Ergebnis dürften die durch D erzielten Lizenzeinnahmen weitgehend ohne Abzug von Betriebsausgaben dem Einkommen der C hinzuzurechnen sein. Aufgrund des bestehenden Konstrukts besteht neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für die handelnden Akteure ein erhebliches finanzielles Risiko, das unter bestimmten Umständen auch auf die deutsche Konzernmutter durchschlagen kann. Darüber hinaus sind weitere finanzielle Belastungen, wie z.B. Zinsen denkbar.

Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation aus der Perspektive des A

166

Aufgeschreckt durch einen prominenten Korruptionsskandal in Brasilien (Odebrecht-Fall[55]) hat die Konzernholding A angewiesen, sämtliche Aktivitäten in Lateinamerika auf den Prüfstand zu stellen und möglichen korruptiven Verdachtsmomenten nachzugehen. Hierbei gelangen auch die Gründung der neuen Tochtergesellschaft D durch die Produktionstochter C sowie die Zahlungen der Lizenzentgelte in den Fokus. Des Weiteren werden die aktuellen und vergangenen Vertriebsaktivitäten der B untersucht. Es werden zahlreiche Interviews geführt, um die Vertriebsgepflogenheiten der Gesellschaft B in Argentinien und die Konstruktion mit der Erlangung und Verpachtung von Markenrechten über die Gesellschaft D mit Sitz in Panama besser zu verstehen. Im Rahmen der Interviews werden die Vertriebsaktivitäten der B in der Vergangenheit kritisch betrachtet, da diese in die Nähe korruptiver Handlungen gerückt werden könnten. Die Mitarbeiter der B verweisen im Rahmen der Interviews darauf, dass dieses Risiko ja erkannt wurde und deshalb diese Vertriebsaktivitäten ja auch eingestellt wurden. Auf die kritischen Fragen, wie es ohne die neue Produktpalette der C, also mit der relativ alten Produktpalette und ohne nennenswerte Vertriebsaktivitäten gelingen konnte, den Marktanteil wieder deutlich zu steigern und sogar die Margen zu verbessern, werden keine plausiblen Erläuterungen vorgetragen. Im Rahmen dieser Interviews trägt C immer wieder vor, dass die Gesellschaft D benötigt wurde, um in ganz Südamerika den in Argentinien durch B so erfolgreich vertriebenen Markennamen zu schützen und als zusätzliches Vertriebsargument einzusetzen. Auf die Frage, warum B das Markenrecht nicht selbst für ganz Südamerika eingetragen hat, verweist das Management der C auf die internen Besprechungsprotokolle, denen zufolge die B und auch die anderen Vertriebstöchter ja gar nicht über das notwendige Know-how hierzu verfügen würden. Auf die Frage, welches Know-how denn die Tochtergesellschaft D habe, das sich von den Vertriebsgesellschaften unterscheidet, kommt keine befriedigende Antwort. Zudem wird im Rahmen der Interviews die Höhe der Rechnungen der lokalen Rechtsanwaltskanzleien an die D hinterfragt, warum keine echten Leistungsnachweise vorliegen und warum scheinbar der gesamte Ertrag der D abschöpft wird. Dies bringt auch die Ermittlung der Lizenzaufwendungen in den Fokus.

Weitere Maßnahmen zur Aufklärung

167

Aus den geführten Interviews lassen sich zahlreiche Anhaltspunkte für weitere Untersuchungshandlungen gewinnen. In Erweiterung zu den ersten Interviews sollte zunächst geklärt werden, ob auch Mitarbeiter der A in die Entscheidung die Gesellschaft D zu gründen, mit einbezogen waren oder davon Kenntnis hatten. Sofern dies nicht der Fall ist, sollte untersucht werden, ob die fehlende Information der A über die Gründung einer Tochtergesellschaft ggf. gegen interne Vorgaben verstößt. Der plötzliche ökonomische Erfolgt der Vertriebsgesellschaft B ohne neue Produkte oder nennenswerte Vertriebsaktivitäten ist ein schwerwiegender Indikator für mögliche Unregelmäßigkeiten. Die Untersuchungen dürften sich daher zunächst auf die B konzentrieren, wobei mangels Zahlungen durch die B an Entscheider bei Kunden wahrscheinlich zunächst keine direkten Hinweise auf korruptives Verhalten identifiziert werden können. Sobald sich die Untersuchungen auf D konzentrieren, werden wieder die Zahlungen an die Rechtanwälte ohne ausreichende Leistungsnachweise in den Fokus rücken. Hier dürfte sich zunächst eine Hintergrundrecherche mit Bezug auf die Rechtsanwaltskanzleien sinnvoll sein. Sollten hier Hinweise erlangt werden, dass einzelne oder mehrere der eingeschalteten Kanzleien bereits in aufgedeckte oder vermeintliche Steuerstraftaten oder korruptive Handlungen verwickelt waren oder zumindest der Verdacht besteht, dass eine Verwicklung besteht, könnte dies ein erster Hinweis dahingehend sein, dass die D als Vehikel für korruptives Verhalten oder Steuerstraftagen verwendet wurde. Dies dürfte den Fokus auf die Mitarbeiter bei C und – sofern involviert A – lenken, die an der Gründung der D beteiligt waren.

168

Bezogen auf diese Mitarbeiter sollte, sofern datenschutzrechtlich zulässig, eine computerforensische Untersuchung der Daten erfolgen, z.B. Laptop, Desktop, Server und Mobiltelefone. Dabei sollten risikoorientiert sachverhaltsbezogene Schlagworte gebildet werden, um das Untersuchungsvolumen einzugrenzen und auch den datenschutzrechtlichen Anforderungen zu genügen, z.B. Begriffe wie Pacht, Anwalt, Marken, Patente, usw. Die Suchbegriffe können zur Filterung in den dafür geeigneten forensischen IT-Anwendungen auch logisch kombiniert werden. Ähnlich könnte mit ausgewählten Mitarbeitern der B verfahren werden, wobei dort auch Schlagworte hinzugenommen werden müssten, die auf die Aufklärung korruptiver Sachverhalte ausgerichtet wären, z.B. Begriffe die sich auf landestypische Geschenke und Einladungen beziehen. Aufgrund der Internationalität des Falls muss darauf geachtet werden, dass die Suchbegriffe ggf. in mehreren Sprachen gebildet werden, z.B. Deutsch, Englisch und Spanisch. Dies gilt auch für die Sprachkenntnisse der Mitarbeiter, die die betroffenen Daten im Detail untersuchen müssen.

169

Schließlich werden die Erträge und die Kostenarten der D einer genauen Datenanalyse unterzogen, um zu erkennen, welches Geschäftsmodell tatsächlich betrieben wird. Auffällige Buchungen werden im Detail untersucht, z.B. Anwaltskosten aus dem Ausland und die Einkünfte aus der Verpachtung von Markenrechten.

170

Im Rahmen einer detaillierten Untersuchung werden dann die in der Datenanalyse als auffällig erachteten Erträge und Aufwendungen geprüft. Dazu gehören z.B. bei der D die Frage, ob die Anwaltskosten dem arm´s length-Prinzip unterliegen und ob die Erträge aus der Verpachtung der Markenrechte wirtschaftlich angemessen sind.

171

Weiterhin werden zu B und D Hintergrundrecherchen durchgeführt, um zu erkennen, welche wirtschaftlichen und persönlichen Verflechtungen vorhanden sein können. Bei B wird auch darauf zu achten sein, ob persönliche oder wirtschaftliche Verflechtungen zu ausgewählten Kunden bestehen.

172

Im Kern dürfte eine Lösung des Sachverhaltes davon abhängen, ob es gelingt, Kommunikation mit dem Mittelsmann zu identifizieren, der auf Anweisung von B und C über die von D eingesammelten Gelder verfügt und zur Begünstigung der Entscheider bei den Kunden der B einsetzt.

Tax Compliance

Подняться наверх