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3. Beispiel

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Sachverhalt

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Aufgrund erheblicher Überkapazitäten ist der Preis für Betonstabstahl in einem südostasiatischen Land erheblich unter Druck geraten, was zu- einem erhöhten Exportdruck geführt hat. Nach Abschluss eines Anti-Dumping Untersuchungsverfahrens wurde durch die EU-Kommission die befristete Einführung endgültiger Strafzölle von zusätzlich bis zu 22,5 % des Zollwerts (=Warenwert) beschlossen. Dies führt zu einer drastischen Verteuerung des Stahls und macht einen Import aus dem betroffenen Land grundsätzlich unwirtschaftlich.

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Wegen der regen Bauaktivität in Deutschland ist Betonstahl derzeit knapp. Die Baubranche ist auf den Import aus Drittländern angewiesen. Die Verknappung durch die Anti-Dumping Zölle führt dabei zu einer weiteren Verteuerung der Baukosten, die durch die Bauunternehmen nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden können. Diese Ausgangslage führt auch zu Problemen in einem weltweit operierenden Mischkonzern (M), der sich in die beiden Sparten Stahlproduktion und Bautätigkeit aufteilt. Der Mischkonzern betreibt unter anderem in dem betreffenden südostasiatischen Land ein Stahlwerk (A) und in Deutschland einen Baukonzern (B). B kann seit der Einführung der Anti-Dumping Zölle nicht mehr auf den günstigen Stahl seines Schwesterunternehmens A zurückgreifen. Die Auslastung des Stahlwerks ist weiter gesunken und das Management von A steht unter einem erheblichen Druck, die Auslastung, zur Nutzung der Fixkostendegression, wieder zu steigern.

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Aufgrund der schwierigen Lage entschließt sich das Management von A und B zur Zusammenarbeit. Hierzu wird die Abwicklung der Stahllieferungen über ein zwischengeschaltetes Land der ehemaligen UDSSR (C) fingiert. Dieses Land verfügt über eigene Stahlwerke und hat mit der EU eine Präferenzregelung in Form einer Ursprungspräferenz getroffen. Entsprechend dieser Präferenzregelung unterliegt Stahl, der vollständig in diesem Land erzeugt wurde, bei der Einfuhr in die EU keinem Zoll. Dies ist durch einen entsprechenden Präferenznachweis zu belegen. Im Rahmen einer fingierten Logistikkette wird der von A produzierte Stahl (Ware) in einem Mittelmeerhafen (D), der üblicherweise durch das Land C für den Export genutzt wird, umgeladen und mit gefälschten Frachtpapieren, Nachweisen sowie erkauften Präferenznachweisen in die EU importiert und in Deutschland in den freien Verkehr überführt. Die Lieferung aus dem Land C wird dabei über eine Scheinfirma in C fingiert. Diese besorgt die notwendigen Papiere sowie Präferenznachweise, nimmt die Bezahlung der Ware von B entgegen und leitet diese nach Abzug einer Kommission an A weiter. Bei A wird die Scheinfirma als Abnehmer, bei B als Lieferant der Ware geführt. In Konsequenz werden letztendlich keinerlei Zölle erhoben. Da die Ware zollfrei importiert werden kann, verpflichtet sich B zur Abführung eines Teils des so erzeugten zusätzlichen Gewinnes. Hierzu wird ein Service Level Agreement (SLA) zwischen A und B geschlossen. Gegenstand des SLA ist die Geschäftsbesorgung inkl. Übernahme der administrativen Aufgaben (Buchführung etc.) eines Tochterunternehmens der B im Heimatland der A. Obwohl das Tochterunternehmen über entsprechende eigene Strukturen zur Geschäftsbesorgung und Administration verfügt, erhält die A für ihre „Leistungen“ eine Vergütung, die ca. 20 % der in Deutschland ersparten Zölle aufweist. Hierüber wird eine umfangreiche Verrechnungspreisdokumentation angefertigt. Die Konzernzentrale der Konzernmutter in London, UK ist über die Aktivitäten ihrer Tochtergesellschaften A und B nicht informiert.

Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation

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Aufgrund eines bestehenden Verdachts, der an die Geschäftsleitung des Mischkonzerns M herangetragen wurde, werden zunächst Gespräche mit ausgewählten Mitarbeitern der Firmen A und B geführt. Gegenstand der Interviews ist vor allem die Frage, wie konkret die Importe des Stahls nach Deutschland erfolgten und ob die Konstruktion über das Land C zu importieren bekannt ist. Es sollten so viele Gespräche geführt werden, bis auch herausgefunden werden konnte, welche Mitarbeiter beteiligt waren bzw. Kenntnisse bzgl. der Sachverhalte hatten. Sollten sich Verdachtsmomente erhärten, ist, sofern datenschutzrechtlich zulässig, eine computerforensische Untersuchung mit risikoorientierten Schlagworten sinnvoll. Vermutlich wird sich die computerforensische Untersuchung auf ausgewählte Mitarbeiter der A und B beziehen, die sich mutmaßlich über die Konstruktion der Einbindung von C abgestimmt haben. Als Schlagworte für die risikoorientierte Auswahl von z.B. Laptops, Desktops, Serverdaten und Mobiltelefonen kommen beispielsweise die zollrelevanten Begriffe, der Name des betroffenen Nachfolgestaates der UDSSR, Stahl, etc. und Kombinationen aus diesen in Betracht. Auch in diesem Fall sind die sachverhaltsrelevanten Sprachen zu beachten.

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Im Rahmen einer Hintergrundrecherche sind insbesondere Informationen zu der mutmaßlichen Scheinfirma C relevant, so z.B. Gründungsdatum, Zweck der geschäftlichen Tätigkeit, Gesellschafter und Gesellschafterwechsel, Vermögen-, Finanz- und Ertragslage und Auskünfte über kriminelle Aktivitäten der Vergangenheit bzw. die Integrität.

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Im Rahmen einer detaillierten Beleguntersuchung sollten vor allem Rechnungen, Zahlungen und Liefernachweise untersucht werden, die die Transaktionen zwischen A, B und C betreffen.

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Im Rahmen der Interviews könnte auch das SLA zwischen A und B in den Fokus geraten. Hier dürfte sich die Frage stellen, aus welchem wirtschaftlichen Grund B Leistungen für die Tochtergesellschaft bei A einkauft, obwohl diese über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt und nicht auf Leistungen der A angewiesen ist. Die Untersuchung dieser ungewöhnlichen vertraglichen Vereinbarung könnte weitere wichtige Hinweise zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen.

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