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1. Hintergrund

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Zunächst lässt sich grundsätzlich feststellen, dass wirtschaftliche Aktivitäten in Steueroasen und/oder das Betreiben von Briefkastenfirmen für sich selbst gesehen keine steuerrechtlichen Vergehen darstellen und somit keine steuerlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Steuerliche Risiken können sich aber aus der Art der Aktivitäten ergeben, die in der Steueroase und/oder durch die Briefkastenfirma entfaltet wird. Bei der Frage, ob solche Aktivitäten steuerlich als kritisch einzustufen sind, wird nachfolgend beispielhaft auf §§ 7 ff. AStG sowie § 42 AO eingegangen, wobei sich die Rechtsfolgen in der Anwendung erheblich unterscheiden. Wegen der großen Komplexität der Regelungen im AStG sowie in § 42 AO sollen hier nur Grundzüge und sich hieraus ergebende grundlegende Probleme dargestellt werden. Hierbei ist insbesondere der Begriff der Basisgesellschaft von Bedeutung, der in der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentierung oftmals verwendet wird. Dabei wird die Basisgesellschaft gelegentlich auch mit der Zwischengesellschaft i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG gleichgestellt.[44] Die Rechtsprechung hat sich nicht dazu durchringen können, den Begriff der Basisgesellschaft zu definieren. Den Versuch einer Definition findet man beispielhaft bei Schaumburg, der Basisgesellschaften als eine Auslandsgesellschaft bezeichnet, durch „deren Einschaltung Einkünfte und Vermögen der inländischen Besteuerung entzogen werden sollen.“[45]

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§ 7 Abs. 1 AStG umfasst Fälle, in denen unbeschränkt Steuerpflichtige (inländische Gesellschafter) zu mehr als der Hälfte an einer ausländischen Gesellschaft (i.S.d. KStG) beteiligt sind, wobei die ausländische Gesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat und damit nicht unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtig ist. Hieraus ergibt sich eine Reihe von Fragestellungen, wie z.B. die Frage, was eine Beteiligung zu mehr als der Hälfte begründet.[46] Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass ausländische Kapitalgesellschaften stets wie deutsche Kapitalgesellschaften funktionieren. So ist es durchaus möglich, dass Stimmrechte im deutschen gesellschaftsrechtlichen Sinne nicht bestehen. Dann wird nach § 7 Abs. 2 S. 3 AStG hilfsweise auf die Beteiligung am Vermögen der ausländischen Gesellschaft abgestellt.

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Damit die Rechtsfolgen des § 7 AStG eintreten können, muss die ausländische Gesellschaft eine Zwischengesellschaft sein. Eine ausländische Zwischengesellschaft liegt nach § 8 Abs. 1 AStG vor, wenn sie passive Einkünfte erzielt, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Was passive Einkünfte sind kann aus dem Umkehrschluss des § 8 Abs. 1 AStG geschlossen werden, da § 8 Abs. 1 AStG alle Einkünfte als passive Einkünfte definiert, die nicht aus den dann aufgeführten Einkunftsarten stammen. Der Katalog der aktiven Einkünfte ist umfassend, aber teilweise auch auslegungsbedürftig, da es bei der Abgrenzung zwischen aktiven und passiven Einkünften auf die jeweiligen wirtschaftlichen Sachverhalte ankommt. Die Überlassung der Nutzung von Rechten ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 6a AStG den passiven Einkünften zuzuordnen. Jedoch wird eine Rückausnahme definiert für den Fall, dass die überlassenen Rechte das Ergebnis eigener Forschungs- oder Entwicklungstätigkeit der ausländischen Gesellschaft, ohne Mitwirkung des an dieser ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 7 AStG beteiligten inländischen Gesellschafters oder einer diesem nahestehenden Personen, sind. Die sich hieran anschließenden Probleme der Führung der entsprechenden Nachweise liegen auf der Hand und stellen einen großen Problemkreis im Außensteuerrecht dar. Für Gesellschaften, die ihre Geschäftsleitung im EU-/EWR-Raum haben, ist zudem § 8 Abs. 2 AStG zu beachten. Die Einkünfte dieser Gesellschaften stellen dann keine Einkünfte einer Zwischengesellschaft dar, wenn der Nachweis gelingt, dass eine wirtschaftliche Betätigung in diesem Staat der EUR/EWR erfolgt.

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Eine niedrige Besteuerung liegt nach § 8 Abs. 3 AStG vor, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft – ohne Berücksichtigung ggf. berücksichtigungsfähiger Verlustverrechnungen – einer Belastung von weniger als 25 % unterliegen. Dem steht nach § 8 Abs. 3 S. 3 AStG gleich, wenn zwar Ertragsteuern von mindestens 25 % rechtlich geschuldet, jedoch nicht tatsächlich erhoben werden.

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Die Rechtsfolgen des § 7 AStG sind beträchtlich. Qualifiziert sich die ausländische Gesellschaft als Zwischengesellschaft, sind die Einkünfte dieser Gesellschaft nach § 7 Abs. 1 AStG den inländischen Gesellschaftern im Grundfall mit dem Betrag hinzuzurechnen, der dem Anteil am Nennkapital der Gesellschaft entspricht (Hinzurechnungsbetrag). Dabei gelten diese hinzuzurechnenden Einkünfte nach § 10 Abs. 2 AStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen bei natürlichen Personen bzw. bei einer dem KStG unterliegenden Gesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Faktisch wirkt der Hinzurechnungsbetrag somit als Dividende, wobei nach § 10 Abs. 2 S. 3 das Teileinkünfteverfahren bzw. die Steuerfreistellung der Dividende nach § 8b Abs. 1 KStG nicht zum Tragen kommen.

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Auch sind bei der Frage der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages die Besonderheiten des § 10 Abs. 3 und 4 AStG zu beachten. Vereinfacht ausgedrückt ist der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 3 AStG in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages stellt § 10 Abs. 4 AStG klar, dass Betriebsausgaben nur abgezogen werden dürfen, wenn diese in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften stehen.

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Zu beachten ist bei der Anwendung der §§ 7 ff. AStG, dass nicht nur die direkte Beteiligung des inländischen Gesellschafters an einer ausländischen Zwischengesellschaft betrachtet wird. Ist eine ausländische Gesellschaft an einer anderen ausländischen Gesellschaft beteiligt (Untergesellschaft), so ist auch für diese Untergesellschaft zu prüfen, ob ein Hinzurechnungsbetrag zu ermitteln ist. Weitere Einzelheiten für solche nachgeschalteten Zwischengesellschaften sind in § 14 AStG geregelt. Dabei ist insbesondere § 14 Abs. 3 AStG zu beachten, der klarstellt, dass auch Beteiligungen einer Untergesellschaft an weiteren ausländischen Gesellschaften zu den Konsequenzen der §§ 7 ff. AStG führen können. Als Konsequenz kann sich die Notwendigkeit ergeben, Beteiligungsketten zu untersuchen und hinsichtlich möglicher Hinzurechnungsbeträge zu beurteilen, was in der Praxis ein nicht unerhebliches Ermittlungsproblem darstellen kann.

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§ 42 AO stellt einen Auffangtatbestand dar, der verhindern soll, dass durch den Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten das Steueraufkommen gefährdet wird.[47] Die Frage, wann ein steuerlich beachtlicher Missbrauch vorliegt, stellt sich nach § 42 Abs. 2 AO dann, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehen Steuervorteil führt. Als Rückausnahme wird die wirtschaftliche Betrachtungsweise verwendet. Sofern es gewichtige außersteuerliche Gründe gibt, kann eine solche steueroptimierte Gestaltung wiederum zulässig sein. Aus dieser kurzen Ausführung wird bereits deutlich, dass § 42 AO im hohen Maße auslegungsbedürftig ist und dass für die Frage, ob eine missbräuchliche Steuergestaltung vorliegt, stets der Einzelfall zu betrachten ist.

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In der Gesetzesbegründung zu § 42 AO wird für die Frage, wann kein Missbrauch vorliegt, das Konstrukt eines „verständigen Dritten“ gewählt. Dabei soll unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des BFH untersucht werden, ob ein sachverständiger Dritter die Gestaltung in Anbetracht des wirtschaftlichen Vorteils und der angestrebten Zielsetzung auch gewählt hätte, wenn es keinen Steuervorteil gäbe.[48]

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Zusammenfassend wird regelmäßig dann von einer missbräuchlichen Gestaltung auszugehen sein, wenn die folgenden Punkte vorliegen:

unangemessene rechtliche Gestaltung,
Steuervorteil,
keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe,
keine Entfaltung einer eigenen (beachtlichen) wirtschaftlichen Betätigung (z.B. bei ausländischen Gesellschaften).

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Eine unangemessene rechtliche Gestaltung liegt nach der ständigen Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn sie „eher unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig erscheint“[49]. Während das Tatbestandsmerkmal Steuervorteil grundsätzlich einsichtig ist und daher keiner weiteren Erläuterung bedarf, stellen die (nicht) beachtlichen außersteuerlichen Gründe ein nicht unerhebliches Problem dar. Gerade wenn sich aus der „Natur der Sache“ bestimmte Konstruktionen nur durch komplizierte Transaktionen erzielen lassen (z.B. weil in den betreffenden Ländern, in denen die wirtschaftlichen Aktivitäten durchgeführt werden sollen, die rechtlichen Gegebenheiten keine einfacheren oder in Deutschland „üblichen“ Lösungen zulassen) wird auf die außersteuerlichen Gründe zu blicken sein, die wirtschaftlich betrachtet diese Konstruktion wieder sinnvoll machen und daher auch durch einen Dritten gewählt worden wären. Bezogen auf Auslandsgesellschaften hat dementsprechend auch die Rechtsprechung das Fehlen von wirtschaftlichen und sonstigen beachtlichen Gründen dann als schädlich eingestuft, wenn diese keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten.[50] Für die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften hat der BFH konkret entschieden: „Die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland erfüllt den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen.“[51]

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Die Abgrenzung der Anwendung von §§ 7 ff. AStG und § 42 AO ist nicht unproblematisch. Zunächst kann festgestellt werden, dass aufgrund der Anwendungsvoraussetzungen der §§ 7 ff. AStG dessen Anwendungsbereich eingeschränkt wird. Wird z.B. aufgrund der tatsächlichen Umstände die (tatsächliche) Geschäftsführung i.S.d. § 10 AO einer ausländischen Gesellschaft gar nicht im Ausland sondern im Inland ausgeübt, ist die ausländische Gesellschaft nach § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, so dass § 7 ff. AStG nicht mehr anwendbar ist. Ob in der Konstruktion dann noch ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vorliegt, wäre zwar im Einzelfall zu prüfen, dürfte aber mit Hinblick auf den für § 42 AO notwendigen steuerlichen Vorteil eher zu verneinen sein. Ähnlich hat sich der BFH geäußert, der im Falle einer unbeschränkten Steuerpflicht (Primäranspruch) für die Anwendung des § 42 AO keinen Raum gesehen hat.[52] Am ehesten denkbar wäre eine Gestaltung nach § 42 AO missbräuchlich, wenn im Rahmen einer die Anwendung der §§ 7 ff. AStG vermeidenden Konstruktion, aktive Einkünfte künstlich über eine ausländische „Briefkastenfirma“ der inländischen Besteuerung entzogen werden.[53] Wann eine solche Briefkastenfirma vorliegt, hat der BFH nicht positiv definiert,[54] sondern nur Fälle genannt, bei denen keine Briefkastenfirma gegeben ist, was die Abgrenzung der Frage, wann eine Briefkastengesellschaft vorliegt, nicht unbedingt erleichtert und nicht zur Rechtssicherheit bei Aktivitäten im niedrig besteuerten Ausland beiträgt.

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Unabhängig von möglichen steuerstrafrechtlichen Konsequenzen stellt das Nichterkennen des Anwendungsbereiches des § 7 ff. AStG bzw. des § 42 AO ein nicht unerhebliches Zinsrisiko dar. Werden (vermeintlich) ausländische Einkünfte im Rahmen einer Betriebsprüfung zu inländischen Einkünften klassifiziert, ergibt sich aufgrund des Zinssatzes der Abgabenordnung von 6 % nach § 238 AO ein nicht unerhebliches Zinsrisiko. Dass der Zinslauf für den Fall, dass keine Steuerhinterziehung vorliegt, nach § 233a Abs. 2 AO erst mit einer Anlaufhemmung von 15 Monaten nach der Entstehung der jeweiligen Steuer beginnt, dürfte da nur bedingt tröstlich sein, zumal dieser „Vorteil“ im Falle einer Steuerhinterziehung nach § 235 Abs. 2 AO nicht zum Tragen käme.

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