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Freitag, 11:05

Irgendwo lächelt gerade ein Engel

Der sich gedacht hat, wir beide wären ein tolles Paar

Aber es wird Zeit, sich der Realität zu stellen:

Ich werde nie mit dir zusammen sein

Ich verlasse die Wache der Bundespolizei am Dortmunder Hauptbahnhof und die Zeilen von „you’re beautiful“ von James Blunt geistern durch meinen Kopf. In diesem Moment ist mir klar, dass ich Marie nie wiedersehen werde. Die Unannehmlichkeiten des Verhörs mit dem Bundespolizeibeamten machen mir nichts aus, berühren mich gar nicht. In meinem Kopf ist nur das Bild von Maries hübschem, engelsgleichem Gesicht. Doch ich kann, sollte mir nichts vormachen. Es ist wirklich Zeit der Wahrheit ins Auge zu blicken und zu begreifen, dass ich sie nie wiedersehen werde. Zu groß alleine schon der Zufall unseres Zusammentreffens.

Ich fühle mich leer und überlege, ob ich noch zur Arbeit gehen soll. Es ist Freitag. Wenn ich heute mal nicht da bin, macht das keinen großen Unterschied. Zumal ich sonst kaum fehle, besonders pflichtbewusst bin. Eine kurze Nachricht an meinen Chef und schon ist Marie wieder in meinem Kopf und lässt mich keinen klaren Gedanken mehr finden.

Mein Handy klingelt. Ein Telegramm von Nathaniel. Wir waren zusammen auf dem Gymnasium. Danach haben sich unsere Wege getrennt. Er arbeitet jetzt bei einer Bank. Doch wir sind die ganze Zeit immer in Kontakt geblieben. So habe ich ihn während ich auf der harten Bank vor dem Verhörraum in der Bundespolizeiwache warten musste mein morgendliches Erlebnis geschildert.

Mein Mund klappt vor Erstaunen auf, als Nathaniel mir schreibt, was seiner Verlobten heute Morgen passiert ist.

Marie!

In der Gewalt ihres skrupellosen Zuhälters. Ich überlege, ob ich mit diesen Informationen zurück zur Polizei gehen soll. Das wäre mit Sicherheit die beste Entscheidung. Doch was, wenn sie Marie in diesem Zusammenhang auch verhaften würden? Einen ganz kurzen Moment rät mir mein Verstand, dass ich Marie einfach vergessen, dass ich mich nicht mit solchen Leuten anlegen sollte. Doch mein Herz widerspricht und gewinnt. Doch was kann ich bloß machen? Sie können überall mit Marie sein. Das Ruhrgebiet ist nicht klein. Unmöglich sie zu finden. Ich klammerte mich an den letzten Strohhalm, der mir bleibt und frage Nathaniel, wo seine Verlobte jetzt ist.

Eine halbe Stunde später bin ich in dem Krankenhaus, in dem der junge Mann eingeliefert worden ist, den Marie bewusstlos auf der Bank an der S-Bahn Haltestelle gefunden hat und eile auf Rebecca zu, die ich auf dem Flur vor dem Zimmer, in dem der junge Mann nun gut versorgt liegt, entdecke.

„Hi, du hast Marie gesehen. Was ist passiert, weißt du, wo sie mit ihr hingefahren sind?“

Rebecca starrt mich erstaunt an. „Was?“

„Oh, entschuldige. Ich bin Titus. Nathaniel hat mir geschrieben, was dir vorhin passiert ist. Und du wirst es nicht glauben. Aber ich saß mit Marie in der S-Bahn, als diese die Notbremse zog und geflohen ist.“

„Etwa vor dir?“

„Nein, vor einem Typen, der sie im Auftrag ihres Zuhälters zurückholen sollte.“

„Zuhälter?“ Ich sehe in Rebeccas Gesicht, dass es ihr schwerfällt, mir auch nur ein Wort von der wirren Geschichte zu glauben. „Und was hat dieser junge Mann mit all dem zu tun?“

Ich brauche einen Moment, bevor ich begreife wen Rebecca meint. Ich sehe die geschlossene Zimmertür an und antworte. „Das weiß ich auch nicht. Aber es geht mir um Marie. Wir müssen sie finden. Sie ist in Gefahr.“ Davon bin ich fest überzeugt.

„Es tut mir wirklich leid“, erwidert Rebecca und sieht mich ehrlich betroffen an. „Aber ich kann beim besten Willen nicht sagen, wo sie mit Marie hin sind.“

„Die Uni! Ich sollte mich dort mal umsehen. Vielleicht gibt es noch irgendeine Spur."

Ich muss Marie wiederfinden. Das wird mir in diesem Moment klar. Der Engel hat schon Recht, wenn er denkt, dass wir ein gutes Paar wären, und dafür, dass wir eines werden, bin ich bereit alles zu geben. Verwundert blickte ich Rebecca an, doch mein Blick nimmt sie gar nicht war, sondern ist in mein Inneres gerichtet. Solche Gefühle, wie ich sie für Marie empfinde kenne ich gar nicht von mir. Ich bin unsicher, ob mir das gefällt, oder ob es mich erschrecken sollte.

„Ich glaube nicht, dass das etwas bringen wird. Diese Typen waren professionell und skrupellos. Ich denke nicht, dass du an der Universität noch irgendeine Spur von ihnen finden wirst“, gibt Rebecca zu bedenken und erstickt meine letzte Hoffnung im Keim. In diesem Moment öffnet sich die Zimmertür. Ein junger Mann mit zerzausten Haaren und blassem Gesicht steht uns plötzlich gegenüber und sieht uns unschlüssig an.

„Ward ihr das, die mich an der S-Bahnhaltestelle gefunden und den Notarzt gerufen hab“, fragt er unsicher.

„Nein, nicht ganz. Marie hat dich gefunden und mich gebeten einen Notarzt zu rufen. Doch bevor ich mit meinem Handy überhaupt Empfang hatte, kam schon die Polizei. Einer der Polizisten hat dann den Notarzt gerufen“, erklärt Rebecca.

„Geht es dir wieder besser?“ Sie sieht den jungen Mann besorgt an. Ich folgte ihrem Blick und etwas an seinem Gesicht überrascht mich. Doch ich kann nicht sagen, was es ist. Irgendwie hängt es mit Marie zusammen, doch ich kann es nicht erklären.

„Der Arzt meint, dass ich eine ordentliche Gehirnerschütterung habe. Doch es ist nicht so schlimm, dass ich noch länger hierbleiben müsste. Ich soll nur auf den schnellsten Weg nach Hause und mich dann die nächsten Tage schonen.“

„Ich kann dich nach Hause fahren“, schlägt Rebecca vor, „Aber was ist denn bloß passiert?“

„Tja, das ist ja das Verrückte, ich kann mich an nichts mehr davor erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich mich fürchterlich mit meiner Freundin gestritten habe. Aber danach weiß ich nichts mehr. Nur habe ich ständig das Gesicht einer alten Frau vor meinen Augen, doch ich weiß wirklich nicht… Ich kenne sich gar nicht… Es ist wirklich alles sehr seltsam.“

Das Mädchen im Regen

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