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Teil 1 GrundlagenII. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts › 4. Innerstaatliche Geltung und Wirkung des Völkerrechts

4. Innerstaatliche Geltung und Wirkung des Völkerrechts

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Völkerrecht gilt grundsätzlich nur zwischen den Subjekten des Völkerrechts. Zahlreiche völkerrechtliche Normen beziehen sich jedoch auf das Verhalten von Staaten gegenüber Individuen (z.B. im Wirtschaftsvölkerrecht) oder auf das Verhalten von Individuen untereinander (z.B. im materiellen Einheitsrecht). Damit diese Normen in einer innerstaatlichen Rechtsordnung beachtliches Recht werden (innerstaatliche Geltung), müssen sie in das nationale Recht umgesetzt werden.[1] Das Völkerrecht verlangt nur, dass derartige Normen umgesetzt werden, lässt den Staaten aber die Freiheit, wie sie dies tun.

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Das „Wie“ der Umsetzung von Völkerrecht in innerstaatliches Recht bemisst sich regelmäßig nach nationalem Verfassungsrecht. In der Staatenpraxis haben sich im Wesentlichen drei Methoden herausgebildet.

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Adoption Sämtliche völkerrechtliche Verpflichtungen des Staats werden ipso iure, d.h. ohne einen weiteren innerstaatlichen Rechtsakt, Bestandteil des nationalen Rechtes. Die Norm verliert auf diese Weise ihren völkerrechtlichen Charakter nicht. Völkerrecht gilt somit als Völkerrecht in der innerstaatlichen Rechtsordnung.

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Transformation Zur innerstaatlichen Geltung einer völkerrechtlichen Norm muss diese durch einen konkreten Umsetzungsakt in nationales Recht umgewandelt werden. Typischerweise geschieht dies durch den Erlass eines dem Völkerrecht entsprechenden Gesetzes. Dadurch verliert die Norm ihren Charakter als Völkerrecht.

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Vollzug Ein Mittelweg zwischen Adoption und Transformation besteht darin, dass eine (konkrete oder allgemeine) Norm des nationalen Rechts das Völkerrecht in der innerstaatlichen Rechtsordnung für anwendbar erklärt. Das Völkerrecht verliert somit nicht seinen Charakter als Völkerrecht, gilt aber – anders als bei der Adoption – nicht ipso iure, sondern bedarf eines Rechtsanwendungsbefehls in der nationalen Rechtsordnung.

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Für die Einbeziehung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik in das innerstaatliche Recht ist zwischen den allgemeinen Regeln des Völkerrechts auf der einen Seite und völkerrechtlichen Verträgen auf der anderen Seite zu unterscheiden.

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Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts werden nach Art. 25 GG in die innerstaatliche Rechtsordnung einbezogen. Danach sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen im Rang den einfachen Bundesgesetzen vor. Unter den allgemeinen Regeln des Völkerrechts werden das universelle Gewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze verstanden. Die h.A. geht davon aus, dass diese Normen nach Art. 25 GG ohne weiteres Teil des innerstaatlichen Rechts werden. Insoweit kann von einer Adoption gesprochen werden.

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Völkerrechtliche Verträge bedürfen zu ihrer innerstaatlichen Geltung grundsätzlich der Umsetzung durch ein Bundesgesetz in Form des Zustimmungsgesetzes gem. Art. 59 Abs. 2 GG.[2] Nach h.A. wird der Vertrag dadurch nicht in nationales Recht umgewandelt, sondern behält seine völkerrechtliche Qualität. Für völkerrechtliche Verträge wird insofern ein konkreter Vollzugsbefehl erteilt.

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Die Einbeziehung einer völkerrechtlichen Norm in die innerstaatliche Rechtsordnung bedeutet, dass sie als beachtliches Recht gilt und von den Behörden und Gerichten angewandt werden kann. Hiervon ist die Frage, ob sich Individuen vor Gericht unmittelbar auf eine Völkerrechtsnorm berufen können (unmittelbare Anwendbarkeit) strikt zu trennen. Eine solche Berufung ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Norm nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck und nach dem Willen der Vertragsparteien Einzelne berechtigen soll. Ein Vertrag, auf den sich Individuen ohne weiteres unmittelbar berufen können, wird auch als „self-executing“ bezeichnet. Während die unmittelbare Anwendbarkeit z.B. bei der Europäischen Menschenrechtskonvention allgemein akzeptiert wird, ist sie bzgl. der Normen des Wirtschaftsvölkerrechts, vor allem des WTO-Rechts, umstritten. Die Rechtspraxis in der EU, den USA und anderen wichtigen Handelsnationen wendet diese Normen nicht unmittelbar an, was vor allem in der deutschen Rechtswissenschaft stark kritisiert wird.[3]

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Im Fall einer Kollision zwischen innerstaatlichem Recht und Völkerrecht ist nach dem Rang der völkerrechtlichen Norm in der innerstaatlichen Rechtsordnung zu fragen. In der deutschen Verfassungsordnung stehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG) im Rang zwischen Verfassungsrecht und einfachem Bundesrecht. Völkerrechtliche Verträge stehen auf derselben Stufe wie einfache Bundesgesetze (Art. 59 Abs. 2 GG). Im EU-Recht stehen völkerrechtliche Verträge und Völkergewohnheitsrecht im Rang zwischen primärem und sekundärem Unionsrecht (Art. 218 Abs. 2 und Art. 218 Abs. 11 AEUV).[4]

Lösungshinweise zum Ausgangsfall:

Der Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts war rechtmäßig. Archaien konnte sich in diesem Verfahren nicht auf seine staatliche Immunität berufen, da es sich um Ansprüche aus wirtschaftlichen Tätigkeiten des Staates (acta jure gestiones) handelt, für die nach Völkergewohnheitsrecht keine Immunität besteht. Zudem dürfte Archaien durch die Schiedsklausel im Vertrag auf seine Immunität verzichtet haben.

Fraglich ist, wie die Staatenimmunität im Vollstreckungsverfahren zu beurteilen ist. Ein Vollstreckungsverbot könnte sich aus Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität ergeben. Dies ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der gem. Art. 59 Abs. 2 GG im deutschen Recht Anwendung findet. Als völkerrechtlicher Vertrag gilt er aber nur zwischen den Vertragsparteien. Deutschland ist Vertragspartei; Archaien hat den Vertrag zwar unterschrieben, ihn aber nicht ratifiziert. Damit ist Archaien nicht Vertragspartei geworden, so dass der Vertrag zwischen Deutschland und Archaien keine Anwendung findet. Auf die Frage, ob die Norm unmittelbar anwendbar ist und welchen Inhalt sie hat, kommt es daher nicht an. (Hinweis: Andernfalls wäre der Inhalt durch eine Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsinterpretation, Art. 31 und 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention, zu ermitteln gewesen.)

Die Immunität im Vollstreckungsverfahren könnte jedoch völkergewohnheitsrechtlich gelten. Die allgemeinen Grundsätze des Gewohnheitsrechts, zu denen die Regeln der Staatenimmunität zählen, sind gem. Art. 25 GG Teil des Bundesrechts (s. BVerfGE 46, 342). Es ist daher zu prüfen, ob die Nutzung des Archaischen Hauses der Wissenschaft und Kultur als hoheitliche Nutzung angesehen werden kann. Nach Ansicht von BGH, NJW 2010, 769 und KG, Rpfleger 2010, 658 kann dies auch bejaht werden, wenn eine derartige Einrichtung teilweise kommerziell betrieben wird.

Lern- und Wiederholungsfragen zu Teil 1 II.:

1. Erläutern und bewerten Sie den Unterschied zwischen Rechtssubjekten des Wirtschaftsvölkerrechts und den Akteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen.
2. Welche Rechtsquellen des Wirtschaftsvölkerrechts kennen Sie und wie entstehen diese?
3. Welches sind die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen eine völkerrechtliche Norm?
4. Wie finden völkerrechtliche Normen Eingang in die innerstaatliche Rechtsordnung?
5. Unter welchen Umständen können sich Individuen vor einem innerstaatlichen Gericht auf die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrags berufen?
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