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ОглавлениеTeil 2 Welthandelsrecht › II. Theorie des Außenhandels und der Handelspolitik › 2. Erweiterungen und Modifikationen der klassischen Theorie
2. Erweiterungen und Modifikationen der klassischen Theorie
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Die klassische Theorie der komparativen Kostenvorteile wurde im Laufe der Zeit erweitert und ausdifferenziert.[1] Nach dem sog. Heckscher-Ohlin-Theorem unterscheiden sich die Länder vor allem durch unterschiedliche Kosten der Produktionsfaktoren. Für die Erklärung des internationalen Handels wird nicht mehr auf komparative Kostenvorteile für bestimmte Güter abgestellt, sondern auf komparative Kostenvorteile für Produktionsfaktoren (Faktorausstattung). Demnach sollte sich ein Land auf die Produktion derjenigen Güter konzentrieren, die eine intensive Nutzung der Produktionsfaktoren erfordern, für die ein Kostenvorteil besteht. Länder mit einem komparativen Kostenvorteil für Kapital sollten sich auf kapitalintensive Güter spezialisieren und Länder mit einem Kostenvorteil für Arbeit sollten sich auf arbeitsintensive Produkte spezialisieren.
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In der neueren Außenwirtschaftstheorie werden weitere Aspekte in die Betrachtung mit einbezogen. Es wurde z.B. erkannt, dass das Vorhandensein komparativer Kostenvorteile nicht ausreicht, um die Ursachen des internationalen Handels bzw. Art und Umfang dessen zu erklären, da andere Faktoren die Bedeutung komparativer Kostenvorteile relativieren oder ergänzen. So erhöhen steigende Skalenerträge (economies of scale) Produktionsvorteile und sichern die Marktposition bestehender Produzenten ab. Unter Skalenerträgen versteht man sinkende Pro-Stück-Kosten bei steigenden Produktionsmengen, z.B. aufgrund eines effizienteren Einsatzes von Ressourcen oder Maschinen. Weiterhin sind in der Realität häufig keine vollkommenen Märkte anzutreffen, die von der Theorie der komparativen Kostenvorteile vorausgesetzt werden. Stattdessen verfälschen nationale und internationale Monopole oder Oligopole den Wettbewerb und führen zu unvollkommenen Märkten.
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Zu einer Relativierung der klassischen Theorie führte auch die Beobachtung, dass ein großer Teil des internationalen Handels zwischen Ländern mit ähnlicher Faktorausstattung stattfindet und oft ähnliche Produkte betrifft (intra-industrieller Handel). So exportiert z.B. Deutschland Autos nach Japan und in die USA; beide Länder exportieren jedoch auch Autos nach Deutschland. Eine derartige Handelsbeziehung kann nicht durch unterschiedliche komparative Kostenvorteile erklärt werden, sondern beruht auf zunehmenden Differenzierungen von Produkten und Präferenzen.
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Deutliche Einschränkungen hat die klassische Theorie auch mit Blick auf die Teilnahme von Entwicklungsländern am internationalen Handel erfahren: Zunächst ist zu sehen, dass die Faktorausstattung von Industrie- und Entwicklungsländern und damit auch die Bedingungen für die Teilnahme am internationalen Handel unterschiedlich sind, was auch historische Gründe hat (Kolonialismus). Außerdem schafft der Export von landwirtschaftlichen Produkten und Rohstoffen größere Abhängigkeiten von den Entwicklungen auf dem Weltmarkt als der Export von Industriegütern. Die Handelsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind daher strukturell ungleich. Dies hängt auch mit einer Verschlechterung der terms of trade für Entwicklungsländer zusammen. Unter den terms of trade versteht man die tatsächlichen Austauschverhältnisse auf dem Weltmarkt, d.h. das Verhältnis von Exporterlösen zu Importkosten. Durch den Verfall der Weltmarktpreise für Rohstoffe und landwirtschaftliche Güter und die steigenden Kosten von Investitionsgütern (z.B. Maschinen) müssten viele Entwicklungsländer ihre Exportmenge erheblich mehr steigern, um eine gleichbleibende Menge an Investitionsgütern importieren zu können. Trotz einer Steigerung des Handelsvolumens kann es so zu Wohlfahrtsverlusten kommen, wenn die terms of trade sich deutlich verschlechtern.
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Umstritten sind auch die Auswirkungen von Freihandel auf die Bestrebungen von Entwicklungs- und Transformationsländern, eigene Industrien aufzubauen. Bereits im 19. Jahrhundert vertrat Friedrich List die These, dass die Heranführung junger Industriezweige („infant industries“) an den internationalen Wettbewerb durch vorübergehende Schutzinstrumente gefördert werden kann. Dieses Argument wurde seitdem häufig wiederholt, obwohl es von der Außenwirtschaftstheorie immer wieder kritisch bewertet wurde. Unabhängig von seiner theoretischen Fundierung, entspricht es jedenfalls der historischen Erfahrung vieler Industrieländer, die während ihrer Industrialisierung häufig hohe Schutzzölle verhängten und erst nach Abschluss dieser Phase Verfechter von Handelsliberalisierungen wurden.[2]
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Auf Basis der verschiedenen Beobachtungen und Erkenntnisse sind immer komplexere Modelle zur Erklärung und Analyse des internationalen Handels entwickelt worden. Diese haben an der grundsätzlich positiven Bewertung des internationalen Handels zwar wenig geändert. Es können jedoch zahlreiche Situationen aufgezeigt werden, in denen handelspolitische Schutzinstrumente sinnvoll sein können und uneingeschränkter Freihandel schädlich sein kann. Insofern gelangt die moderne Wirtschaftswissenschaft heute zu deutlich differenzierteren Aussagen, als es zuweilen in der öffentlichen Auseinandersetzung über die Vor- und Nachteile des Freihandels erscheint.
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Die Außenwirtschaftstheorie befasst sich in der Regel allerdings nicht mit der Verteilung der Gewinne aus dem internationalen Handel innerhalb eines Landes. Der Wohlfahrtsgewinn durch Handel wirkt sich nicht in allen Sektoren der Volkswirtschaft gleich aus, sondern einige Sektoren profitieren mehr von einer Teilnahme am Handel als andere. Die Teilnahme am Welthandel kann auch zu Einkommensverlusten führen, wenn einheimische Produktion durch ausländische Konkurrenz verdrängt wird. Internationaler Handel teilt eine Gesellschaft häufig in Gewinner und Verlierer.
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In der Wohlfahrtsökonomie wird vertreten, dass es auf die tatsächlichen Effekte nicht entscheidend ankommt. Viel eher sei darauf abzustellen, ob die Gewinne, die auf internationalem Handel beruhen, die Verluste ausgleichen, so dass es zu einer Kompensierung der Verlierer durch die Gewinner kommen könnte (sog. Kaldor-Hicks Kriterium). Solange dies der Fall sei, sei die Teilnahme am Handel gesamtwirtschaftlich sinnvoll. Ob ein Ausgleich tatsächlich stattfindet, spielt dagegen für dieses Kriterium keine Rolle. Insofern führt auch die Möglichkeit von wirtschaftlichen Verlusten für Teile der Volkswirtschaft bzw. der Gesellschaft nicht zu einer Einschränkung der grundsätzlich positiven Bewertung des internationalen Handels durch die Außenwirtschaftstheorie.