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b) Struktur und Funktion des GATT 1947

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Das GATT 1947 war ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der aufgrund seiner geplanten Integration in die Rechtsordnung der ITO über keine institutionelle Struktur, insbesondere über keine eigenen Organe, verfügte. Als sich herausstellte, dass die Havanna Charta nicht in Kraft treten würde und das GATT 1947 somit nicht in eine institutionelle Struktur eingegliedert werden würde, entstand bei den Vertragsparteien das Bedürfnis, ihren Handelsbeziehungen einen gewissen organisatorischen Rahmen zu geben. Aus den zunächst nur informellen Strukturen entstand im Laufe der Jahre eine de facto-Organisation. Ob das GATT 1947 aus völkerrechtlicher Sicht als internationale Organisation angesehen werden konnte, war umstritten. Gegen die Einordnung als Organisation wurde eingewandt, dass die Vertragsparteien keine ausdrückliche Organisationseigenschaft vorgesehen hatten. Dieser Streit ist durch die Gründung der WTO gegenstandslos geworden.

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Hauptorgan des GATT 1947 war die Versammlung der Vertragsparteien. Um diese Versammlung der Vertreter der Vertragsparteien von den tatsächlichen völkerrechtlichen Vertragsparteien (d.h. den Staaten, die dem GATT beigetreten waren) zu unterscheiden, wurde die Versammlung der Vertragsparteien als „VERTRAGSPARTEIEN“ (Schreibweise in Großbuchstaben) bezeichnet.

Art. XXV:1 GATT

Die Vertreter der Vertragsparteien treten periodisch zusammen, um die Durchführung derjenigen Bestimmungen dieses Abkommens sicherzustellen, die ein gemeinsames Vorgehen erfordern, und um allgemein die Durchführung dieses Abkommens und die Erreichung seiner Ziele zu erleichtern. Sooft in diesem Abkommen die gemeinsam handelnden Vertragsparteien erwähnt sind, werden sie als VERTRAGSPARTEIEN bezeichnet.

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Die Vertragsparteien trafen periodisch und ad hoc zusammen und erfüllten die Funktion, die in internationalen Organisationen typischerweise von einer Mitgliederversammlung erfüllt wird. Die Aufgaben und Befugnisse der VERTRAGSPARTEIEN wurden mit Gründung der WTO gemäß Ziffer 2 b) GATT 1994 entweder von der WTO als Organisation oder von der Ministerkonferenz der WTO[1] übernommen.

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Im Laufe der Jahre entstanden weitere Organe, die den VERTRAGSPARTEIEN untergeordnet waren und die verschiedene institutionelle Aufgaben übernahmen. So wurde 1960 der GATT-Rat geschaffen, der regelmäßiger als die Vertragsparteien tagte. Ebenso entwickelte sich ein institutionalisiertes Streitbeilegungssystem. Als Grundlage der Streitschlichtung im GATT 1947 galten Artikel XXII, XXIII GATT. Danach sollten bei Streitigkeiten zunächst die betroffenen Parteien miteinander Konsultationen führen. Erwiesen sich diese als erfolglos, waren Konsultationen der VERTRAGSPARTEIEN mit den Streitparteien vorgesehen. Statt direkter Konsultationen der VERTRAGSPARTEIEN wurden seit Mitte der 1950er Jahre ad hoc Schiedsgerichte (Panel) eingesetzt, denen ein Streit zur Entscheidung vorgelegt wurde. Allerdings bedurfte sowohl die Einsetzung eines Panels als auch die Annahme seiner Entscheidung einer Entscheidung der VERTRAGSPARTEIEN, die im Konsens ergehen musste. Damit kam der beklagten Partei für die Einsetzung des Panels ein faktisches Vetorecht zu. Ebenso konnte die unterlegene Partei die Annahme einer Entscheidung verhindern. Dies beeinträchtigte die Effektivität des Verfahrens deutlich.

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Die materiell-rechtlichen Vorschriften des GATT 1947 enthielten in erster Linie Diskriminierungsverbote und Verpflichtungen zum Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. Da das GATT 1947 heute als Kern des GATT 1994 weiterbesteht, wie sich aus Ziffer 1 GATT 1994 ergibt, sind die materiell-rechtlichen Regeln des GATT 1947 auch Teil des WTO-Rechts. Sie werden daher in diesem Zusammenhang dargestellt.

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Die Rechtsordnung des GATT 1947 enthielt eine Besonderheit, die an dieser Stelle kurz erwähnt werden muss. Das Protokoll über die vorläufige Anwendung des GATT verpflichtete keine der Vertragsparteien zu einer Änderung bestehender Gesetze. Daraus folgte, dass nationales Recht, das dem GATT entgegenstand und bereits vor dessen Inkrafttreten galt, beibehalten werden durfte (sog. „grandfather rights“).

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