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b) Die Doha Development Agenda
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Nach dem Misserfolg von Seattle wagten sich die WTO-Mitglieder erst Ende 2001 erneut an den Versuch, eine neue Handelsrunde zu eröffnen. Diese sollte zum einen ein gegenüber dem Programm der Millenniumsrunde deutlich reduzierten Umfang haben und zum anderen die Stellung der Entwicklungsländer verbessern. Auf der Ministerkonferenz von Doha (2001) einigten sich die Mitglieder auf eine neue Runde, der der programmatische Titel Doha Development Agenda (DDA) gegeben wurde. In Doha verabschiedeten die WTO-Mitglieder auch eine Erklärung zu TRIPS und öffentlichem Gesundheitswesen, mit der die inhaltliche Klärung einiger Bestimmungen des TRIPS angestrebt wurde, die den Zugang zu dringend von den Entwicklungsländern benötigten Medikamenten betraf.[1]
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Die Verhandlungen der DDA umfassen eine Reihe von Themenbereichen, wobei jeweils die Interessen von Entwicklungsländern besonders beachtet werden sollten. Zu den wichtigsten Themen zählt der verbesserte Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte und nicht-landwirtschaftliche Produkte. Für landwirtschaftliche Produkte spielt dabei der Abbau von Exportsubventionen und inländischen Unterstützungsmaßnahmen eine zentrale Rolle, während im Bereich nicht-landwirtschaftlicher Produkte nach wie vor der Abbau von Zöllen, insbesondere der sog. Zolleskalation im Mittelpunkt steht. Unter Zolleskalation wird eine Staffelung der Zölle verstanden, bei der für unverarbeitete Produkte niedrigere Zölle gelten als für verarbeitete Produkte. Zolleskalation in Industrieländern behindert insbesondere in Entwicklungsländern die Weiterverarbeitung von Produkten für den Export.
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Ein weiteres wichtiges Element sind die in der DDA integrierten Verhandlungen über die weitere Liberalisierung des Dienstleistungshandels.[2] Andere Verhandlungsthemen betreffen Technologietransfer, Maßnahmen zur Unterstützung der personellen Kapazitäten von Entwicklungsländern (capacity building) und Verschuldung. Daneben finden auch Verhandlungen über regionale Integrationsabkommen und die Reform des Streitbeilegungssystems statt. Die Verhandlungen der DDA werden als sog. „single undertaking approach“ geführt, d.h., sämtliche Verhandlungsergebnisse sollen Teil eines Gesamtergebnisses werden.
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Einen Rückschlag erlitten die Verhandlungen der DDA nach dem Scheitern der Ministerkonferenz von Cancún im Jahr 2003. Neben einer Bewertung des bis dato erreichten Stands der Verhandlungen, sollte die in Doha vertagte Entscheidung über den Beginn von Verhandlungen über ein Investitionsabkommen in der WTO getroffen werden. Aufgrund fundamentaler Interessensgegensätze zwischen Industrie- und Entwicklungsländern fanden die WTO-Mitglieder jedoch keinen Konsens und gingen – wie schon in Seattle – erneut ohne Abschlusserklärung auseinander.
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Der fehlende Konsens in Cancún führte auch dazu, dass in den Verhandlungen der DDA kaum Fortschritte erzielt wurden. Dies zwang die WTO-Mitglieder im Sommer 2004 und erneut auf der Ministerkonferenz von Hong Kong im Dezember 2005 dazu, den Fahrplan für die DDA zu überarbeiten. Trotz dieser Bemühungen bleiben zahlreiche Details offen. Die Hauptstreitpunkte waren zuletzt – wieder einmal – im Landwirtschaftssektor zu suchen. Die USA, die EU und einige große Entwicklungsländer konnten sich nicht auf einen erweiterten Marktzugang und den Abbau von Subventionen für landwirtschaftliche Produkte einigen. Da die Positionen der WTO-Mitglieder zu weit auseinanderlagen, wurden die Verhandlungen der DDA Ende Juli 2006 ausgesetzt.
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Die formelle Wiederaufnahme der Verhandlungen im Februar 2007 führte zu keiner neuen Dynamik. Erst im Juli 2008 gelang den Verhandlungsführern unter erheblicher Beteiligung von WTO-Generaldirektor Pascal Lamy eine Annäherung in den kontroversen Fragen (sog. „July 2008 package“). Sowohl die EU als auch die USA waren zu deutlichen Reduzierungen ihrer landwirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen bereit. Allerdings konnte diese Kompromissbereitschaft nicht für eine endgültige Einigung genutzt werden.
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Im Juli 2009 unternahmen die WTO-Mitglieder einen neuen Anlauf zur Fortsetzung der Verhandlungen. Der damalige WTO-Generaldirektor Pascal Lamy legte einen Plan vor, der intensive Verhandlungen im Herbst 2009 und einen Abschluss der DDA im Jahr 2010 vorsah. Hintergrund der erneuten Bemühungen war auch die Furcht vor einem erstarkenden Protektionismus in Folge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007. Gleichwohl gelang es nicht, die Verhandlungen abzuschließen. Auch die Ministerkonferenzen von Genf in den Jahren 2009 und 2011 änderten an dem kaum fortschreitenden Prozess nichts.
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Ein gewisser Fortschritt wurde im Dezember 2013 auf der Ministerkonferenz von Bali erreicht (sog. „Bali package“). Die Ministerkonferenz beschloss Richtlinien für Ursprungsregeln[3] zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder und das Übereinkommen über Handelserleichterungen (Trade Facilitation Agreement), mit dem praktische Hindernisse bei der Einfuhr von Waren durch Bürokratieabbau beseitigt und verbesserte Warenabfertigungen erreicht werden sollen. Dieses Abkommen trat am 22. Februar 2017 in Kraft und ist damit die erste Erweiterung des Welthandelsrechts seit Gründung der WTO.
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Der Erfolg des Trade Facilitation Agreement kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Doha-Runde seit knapp zwanzig Jahren vor allem durch nicht eingehaltene Fristen und wiederholte Zusammenbrüche der Verhandlungen auszeichnet. Inzwischen besteht die Runde nur noch formal. Inhaltliche Fortschritte sind nicht mehr zu verzeichnen. Auf den Ministerkonferenzen von Nairobi (2015) und Buenos Aires (2017) standen die Themen der Doha-Agenda nicht mehr im Mittelpunkt. Die Interessengegensätze der WTO-Mitglieder scheinen zu groß zu sein, um einen globalen Konsens herstellen zu können. Es stellt sich die Frage, ob eine Fortsetzung der Doha-Runde sinnvoll und möglich ist, oder ob die WTO zukünftig darauf beschränkt sein wird, den bestehenden Regelbestand zu verwalten und anzuwenden. Während der Doha-Runde hat auch die Bedeutung von bilateralen und regionalen Handelsabkommen zugenommen[4], da die Staaten – trotz anders lautender offizieller Erklärungen – gegenüber dem multilateralen Handelssystem zunehmend skeptisch geworden zu sein scheinen.
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Insgesamt zeigt die Entwicklung der WTO seit 1999, dass sowohl unter ihren Mitgliedern, insbesondere zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, als auch in den Bevölkerungen der WTO-Mitglieder tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten bestehen. Diese beziehen sich sowohl auf die Vor- und Nachteile von Handelsliberalisierungen für Entwicklung, Umwelt und soziale Gerechtigkeit als auch auf die Struktur der internationalen Handelsbeziehungen, wie sie gegenwärtig durch die WTO geprägt werden. Zunehmend wird deutlich, dass das institutionelle System der WTO nur begrenzt zur Lösung grundlegender Fragen und Probleme, die sich in Folge der Globalisierung der Weltwirtschaft stellen, beitragen kann.
Lern- und Wiederholungsfragen zu Teil 2 III.:
1. | Auf welche historischen Erfahrungen sollte mit der Gründung der Internationalen Handelsorganisation (ITO) und des GATT reagiert werden? |
2. | Was versteht man unter „GATT à la carte“ und auf welche Weise konnte dieser Zustand in der WTO beendet werden? |
3. | Welche Themenbereiche wurden durch die Uruguay-Runde neu in die Welthandelsordnung eingefügt? |
4. | Warum scheiterten die Ministerkonferenzen von Seattle (1999) und Cancún (2003) und welche Folgerungen kann man daraus für die Zukunft des Welthandelssystems ziehen? |