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DER ORIENT IST DIE BÜHNE, AUF DIE DER GESAMTE OSTEN BESCHRÄNKT WIRD

EDWARD SAID (1935–2003)

IM KONTEXT

SCHWERPUNKT

Orientalismus

WICHTIGE DATEN

1795 In Paris wird an der École spéciale des langues orientales die von Silvestre de Sacy beeinflusste akademische Disziplin der Orientalistik begründet.

1812/13 Der österreichische Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall übersetzt den Diwan des Hafis, der Goethe zum Westöstlichen Diwan inspiriert.

1836 Edward William Lanes Sitten und Gebräuche der heutigen Egypter wird zum bedeutenden Nachschlagewerk für Schriftsteller wie Gustave Flaubert.

1961 Frantz Fanon schreibt in Die Verdammten dieser Erde über die Entmenschlichung durch den Kolonialismus.

1981 Der syrische Philosoph Sadiq Dschalal al-Azm wirft dem Orientalismus vor, den Westen in ähnlicher Weise zu kategorisieren, wie dieser es laut Said mit dem Osten tut.

Der Gedanke des »Orients« entstammt dem westlichen Kolonialismus und ist eine politisch gefährliche und kulturell voreingenommene Idee, die bis heute die westliche Sicht auf die Welt im Osten infiziert. So lautet die zentrale These in Edward Saids einflussreichem Buch Orientalismus (1978). Das Konzept des Orientalismus, so Said, stellt den Osten als homogene Region dar und charakterisiert diese als exotisch, unzivilisiert und rückständig. Gleichzeitig konstruiert und fixiert es die westliche Idee vom Osten mithilfe vereinfachter und festgeschriebener Darstellungen.

Said sieht den Beginn des modernen Orientalismus mit der Eroberung Ägyptens durch Napoleon Bonaparte im Jahre 1798. Dieser brachte neben Soldaten auch Wissenschaftler, Philologen und Historiker mit an den Nil. Die Experten waren beauftragt, alles zu beobachten und einzuordnen. Und indem sie ihre Erfahrungen »des Orients« als objektives Wissen beschrieben, erhielten ihre Darstellungen in Europa den Rang unhinterfragter Autorität.


Kategorisierung des Ostens

Doch sie betrachteten die Menschen durch die Brille der imperialistischen Eroberung und sahen sich selbst als Repräsentanten einer überlegenen Macht und folglich als höherstehend an. So zogen sie eine fiktive Grenze zwischen »uns« und »ihnen«, zwischen West und Ost, und begannen, beide Seiten als jeweilige Gegenpole zu beschreiben. Wo die Menschen des Ostens als irrational, unzivilisiert, faul und rückständig erlebt wurden, sah man die aus dem Westen als rational, zivilisiert, hart arbeitend und fortschrittlich an. Auf diese Weise präsentierten die Berichte der »Experten« ein lückenlos verpacktes Bild. Der Osten wurde vom Westen erklärt und dabei so geformt, wie es den Europäern passte. Die Ideen darüber, was »die Orientalen« seien, wurden von vielen Literaten aufgenommen und verbreitet. Lord Byron etwa romantisierte zwar den Orient, betonte aber weiterhin den unverzichtbaren Unterschied zum Westen.

Verewigte Angst

Das Problem bestand fort, so Said, weil das Konzept vom Orient die Menschen im Westen davon abhielt, sich ein Bild vom Osten in all seiner Komplexität zu machen. Das Bildrepertoire blieb stets gleich: der Orient als Ort eines mystischen Exotismus – Heimat des Sphinx, der Kleopatra, Trojas, Sodoms und Gomorras sowie Sabas, Babylons und Mohammeds.

Der Orientalismus gibt den Rahmen für das Verstehen des Unbekannten ab, so Said.Gleichzeitig sagt er uns, dass die Menschen des Ostens anders und furchterregend sind: »der Araber« als gewalttätiger Fanatiker. Westliche Nationen denken, sie müssten sich vor der »Unterwanderung durch den anderen« schützen. Die Herausforderung ist jedoch, einen Weg zu friedlicher Koexistenz zu finden.


Eine Gedenkstätte für die Opfer des Bombenattentats 1995 in Oklahoma (USA): Bevor sich das Attentat als Tat eines weißen Amerikaners herausstellte, wurde es »Muslimen« und »Arabern« zugeschrieben.

Edward Said


Der Kulturtheoretiker und Literaturkritiker legte das Fundament für die Forschungsrichtung der Postkolonialen Studien. Geboren wurde Edward Said als Sohn christlicher Palästinenser in Jerusalem zur Zeit des britischen Mandats. Sein Vater schickte ihn auf internationale Schulen in Kairo und in den USA: Er studierte an der Princeton und an der Harvard University, bevor er als Professor für englische Literatur an die Columbia University ging. Dort lehrte er bis zu seinem Tod im Jahre 2003. Said schrieb über viele Themen, darunter zur Musik und zur Lage der Palästinenser. Nach dem Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten begann Said, sich politisch zu engagieren und wurde in den USA eine wichtige Stimme für die palästinensische Sache. 1999 gründete er zusammen mit dem Dirigenten Daniel Barenboim ein arabisch-israelisches Orchester.

Hauptwerke

1978 Orientalismus

1993 Kultur und Imperialismus

2000 Das Ende des Friedensprozesses. Oslo und danach

Big Ideas. Das Soziologie-Buch

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