Читать книгу Die Straße der Ritter - Marlin Schenk - Страница 15
13. Training
ОглавлениеAm nächsten Morgen war es soweit. Nach Absprache mit dem Kapitän nahm Francis den jungen William unter sein Kommando. Zunächst einmal erforschte er dessen Erfahrungen im Umgang mit Waffen und stellte fest, dass gute Grundkenntnisse in dieser Rüstung steckten. Aber es war eben nicht genug. Sie mochten zwar ausreichen, um Klosterbrüder umzubügeln, aber für den harten Kampf an der Stadtmauer von Rhodos war es ein wenig spärlich. Also musste er hier ansetzen, wo Williams Kenntnisse ihre Grenzen hatten. Harter Drill konnte auch aus diesem Johanniter einen guten Kämpfer machen. Irgendwann würde Williams Kampfkunst von Bedeutung sein, für sein Leben, als auch für das Leben der Stadt Rhodos.
„Unsere Hauptwaffe ist das Schwert“, erklärte Francis. „Wir unterscheiden zwischen dem Langschwert und seiner kürzeren Form. Das Langschwert hat zwar eine Spitze, eignet sich aber kaum zum Stoß. Bei Kämpfen an Stadtmauern werden jedoch hauptsächlich Schlagwaffen eingesetzt, neben den Bogenschützen natürlich.“
William stand regungslos da. Er hatte sein Schwert mit der Spitze auf den Boden gestellt und stützte sich auf den Knauf. Francis' Erklärungen kommentierte er wortlos durch Nicken.
„Das Langschwert wird mit zwei Händen gepackt und halbkreisförmig geführt.“ Francis nahm sein Schwert mit einer Hand und führte es William vor. „Zeig mir, wie du es machst.“
William nahm sein Schwert auf. Auch er versuchte, die Halbkreisbewegung mit nur einer Hand auszuführen, aber seine Handgelenke waren für das Gewicht zu schwach und knickten durch, so dass er die zweite Hand zu Hilfe nehmen musste. Er hieb von unten quer nach oben, schlug in Hüft- und Kniehöhe, holte weit nach hinten aus, um einen wuchtigen Schlag auf Kopf oder Schulter landen zu können und sah sich unvermittelt mit dem Hals an Francis' Schwertspitze.
„Nicht schlecht, William, aber du musst auch immer darauf achten, dass deine Deckung stimmt. Wenn du die Arme über den Kopf hebst, um jemandem die Schultern zu spalten, dann legst du deinen ganzen Körper frei. Das ist eine Einladung für jeden Gegner, dich zu durchbohren.“
William schielte auf das Metall an seinem Hals und fragte: „Aber wie soll ich es denn sonst machen?“
Francis nahm das Schwert wieder weg. „Pass auf: Wenn der Gegner mürbe geworden ist und er alle Kraft für seine Waffe aufbringen muss, dann kannst du ihn spalten, denn dann kannst du sicher sein, dass er sein Schwert nicht mehr hochbringt.“
William nickte. „Das leuchtet mir ein.“
„Und was ist noch wichtig?“
„Ich denke, dass Kraft und Ausdauer von Bedeutung sind.“
„Und? Besitzt du diese kostbaren Güter?“
„Wenn ich mir Francis Townsend ansehe, dann bezweifle ich es.“
„Du siehst es ein, und das ist gut so“, lobte der Schwarze Ritter. „Denke an den französischen Blechzwerg, diesen de Lastic. Ich mag ihn nicht, und ich könnte ihn erschlagen, wie ich einen Hasen erlege. Aber eines muss man ihm lassen: Er legt seine ganze Energie in sein Schwert. Das ist bewundernswert an ihm. Mach es ihm nach, William. Trainiere und übe, bis du mit dir selbst zufrieden bist. Du kannst nur gewinnen, wenn du dem Gegner an Schwung und Ausdauer überlegen bist. Zunächst einmal wirst du dir Kraft aneignen. Trainiere, bis du hechelst wie ein Hund, und wenn du denkst, du brichst zusammen, dann mach' weiter. Du musst erst einmal dich selbst besiegen, bevor du einen Feind fällen kannst. Du musst deinen Körper foltern, William. In einer Woche will ich Ergebnisse sehen.“ Damit steckte Francis sein Schwert ein und ging.
William stand da, allein, und er blickte in die Sonne, die über Portugal aufgegangen war. Er fühlte sich schwach und deprimiert, daran änderte auch Francis‘ bescheidenes Lob nichts. ‚Nicht schlecht‘, was sagte das schon aus. Er hatte so viele Fehler gemacht, dass er im Ernstfall schon unter der Erde liegen würde. Aber das sollte sich ändern. Francis wollte Erfolge sehen, und er würde ihm nicht noch einmal als Schwächling begegnen. Nie mehr!!! Zielstrebig packte er sein Schwert und ging zu Albrecht. Zwar schlief der Deutsche, aber William war es in diesem Moment so ernst mit seinem Ziel, dass er ihn an der Schulter packte und schüttelte. Als Albrecht benommen die Augen öffnete, sagte er ohne große Einleitung: „Willst du mir helfen?“
Albrecht starrte den Engländer an und fragte erstaunt und noch etwas verschlafen: „Ich soll dir helfen, Junge? Wie denn?“
„Ich will ein guter Kämpfer werden und brauche jemanden, der mich trainiert. Bei Tag ist niemand hier unten, und du könntest mir raten, wie ich es am besten mache. Du könntest mich anfeuern, wenn die Kräfte mich verlassen, und du könntest mich loben, wenn ich endlich ein Etappenziel erreicht habe. Allein schaffe ich das nicht.“
„Gar keine Frage, mein Freund. Ich warte nur auf eine Gelegenheit, dir helfen zu können. Dir diesen Dienst zu erweisen, ist das Mindeste, was ich für dich tun kann.“
„Ich brauche kräftige Arme. Wie kann ich sie trainieren?“
„Such dir ein paar Gewichte, William. Egal, was es ist, es muss nur handlich sein. Komm damit her, und wir werden mit dem Training beginnen.“
William durchstöberte die Galeere, wo immer es ihm erlaubt war und suchte nach geeigneten Gegenständen. Bald kam er mit einigen Dingen zurück, die er den Handwerkern abgeschwatzt hatte. Ein Trainingsgerät, das ihm sehr wichtig erschien, war ein Stück Balken, an den er nun zwei Schlaufen aus Stricken knotete. All diese Sachen legte er vor der Pritsche ab, auf der sein neuer Freund lag. William hatte seine langen Haare mit einem Stück Kordel zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und strahlte den Deutschen herausfordernd an.
„Gut so“, sagte Albrecht. „Und nun nimmst du den Balken in beide Hände. Lass die Arme hängen. Die Oberarme ruhen am Körper. Zieh das Gewicht nach oben, aber langsam.“
William nickte, und einen Moment später schwollen seine Halsschlagadern an. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, den Balken hoch zu drücken, schaffte es aber nur bis zur Hälfte.
„Das Gewicht ist zu groß“, sagte Albrecht. „Hast du denn nichts anderes gefunden?“
„Nein“, keuchte William.
„Pass auf, Junge. Es ist einfacher, ein Gewicht herabzulassen, als dass man es hoch drückt. Nimm den Balken vors Kinn, und dann lässt du ihn langsam runter.“
William tat, wie ihm geheißen. Er quälte sich. Jede Zelle seines Körpers, jede Faser seiner Muskeln war daran beteiligt, Albrechts Rat auszuführen, und als er den Balken endlich vor dem Kinn hatte, sprudelten Bäche aus seiner Haut. In den Armbeugen störten ihn die Falten seines Kettenhemds, das er nicht ablegen durfte, weil die Statuten es so vorschrieben.
„Lass ihn runter, William, aber langsam.“
Die Arme senkten sich. William musste all seine Kraft aufbieten, um das schwere Holz nicht fallen zu lassen. Er begann zu zittern und hielt den Atem an, den er befreiend herauspresste, als er den ersten Schritt zum Kämpfer zurückgelegt hatte.
„War schon nicht schlecht“, sagte Albrecht, „aber du darfst die Luft nicht anhalten. Atme langsam aus, wenn du das Gewicht herablässt. Los, noch mal.“
William wuchtete den Balken wieder hoch und ließ ihn erneut langsam herab. Sein Herz begann am Kettenhemd zu rütteln. Er wollte hecheln, aber Albrecht sprach ruhig auf ihn ein: „Langsam ausatmen! Gut so. Noch mal.“
William begann zu keuchen. Wieder drückte er das Stück Mast hoch, wieder ließ er es herab. Diesmal ging es schneller, als er es gewollt hätte, und schon beim fünften Mal verließen ihn seine Kräfte. Es war, als lägen elastische Bänder unter seiner Haut, die dem Gewicht nachgaben wie Spinnweben. Er fühlte die Muskeln unter seiner Kleidung schwellen und glaubte, Arme zu haben wie ein Gladiator. Er war zufrieden mit seiner Leistung und grinste erschöpft.
„Du bist ein Weichling“, sagte Albrecht. „Fünf Durchgänge hätte sogar meine Zofe geschafft. Nimm die beiden Säcke da. Was ist da drin?“
William schluckte. Sein Grinsen verrann wie der Schweiß auf seinem Gesicht. Er holte tief Luft und antwortete: „Nägel, Sir.“
„Die Beutel können nicht mehr wiegen als eine Schweineblase voll Sand. Nimm einen Beutel in jede Hand, und dann bewegst du sie auf und ab, diesmal aber schnell, denn Ausdauer brauchst du auch. Außerdem verhindert diese Übung, dass das Blut aus deinen Armen weicht. Dadurch wachsen die Muskeln. Auf geht's.“
William nahm die Beutel auf und fing an, die Beutel auf und ab zu bewegen. Sein Enthusiasmus war geschmolzen und bei weitem nicht mehr so ausgeprägt, wie zum Zeitpunkt seiner Zielsetzung auf Deck. Aber Albrecht scheuchte ihn. Immer und immer wieder pumpte William die Beutel hoch, bis seine Arme lahm wurden und zu schmerzen begannen. Die Bewegungen wurden langsamer. Ihm wurde schwarz vor Augen. Wasser sammelte sich im Mund. Übelkeit plumpste ihm in den Magen. Dann sank er in die Knie. Mit metallischem Platsch klatschten die Beutel auf die Planken.
„Los, weiter“, zischte Albrecht energisch. „Streck die Arme aus. Wir machen Kniebeugen.“
„Ich kann nicht“, hechelte William.
„Wird's bald?“
„Mir ist speiübel. Ich muss kotzen.“
„Kotzen kann er“, sagte eine raue Stimme. „Da kannst du meine Rüstung fragen.“ Aus Francis' Stimme tropfte beißender Hohn. Er bückte sich, packte den Balken an den Schlaufen und hob ihn hoch. Dann warf er ihn quer durch den Schlafsaal, bis er krachend auf eine Koje schlug. Francis streckte seine Hand aus. „Schlag dagegen, los.“ William schaute den Schwarzen Ritter an. Er stand über ihm wie einst der Kolossos von Rhodos über der Hafeneinfahrt. Der Junge hustete und drückte sich hoch. Er schaute in Francis' Augen wie in einen magischen Spiegel, der ihm zeigte, was für ein schwacher Mensch er war.
„Überwinde den Schwächepunkt, William.“
William schlug zu, immer und immer wieder, bis er glaubte, seine Lunge ausspucken zu müssen, doch je mehr er sich verausgabte, umso wilder wurde er. Francis sollte nie wieder über ihn lästern können. Irgendwann war er nicht mehr er selbst. Seine Fäuste schlugen ungesteuert auf Francis' Hand ein. Und dann hörte er dessen Stimme wie aus einer fremden Welt: „Das reicht.“
William sank in die Knie. Er stützte sich auf dem Boden ab und hustete und spuckte das Wasser auf den Boden, das sich in seinem Mund gesammelt hatte. Irgendwann wurde die Brühe weniger und er kam wieder zu sich. Er schaute zu Albrecht auf, der ihm anerkennend zunickte.
„Ich bin ein Würmchen, nicht wahr?“ keuchte William leise.
„Wir werden sehen“, sagte Albrecht. „Ich würde aber nicht so tief sinken. Sagen wir, du bist ein Lind-Würmchen. Ob daraus ein Drache wird, liegt an dir.“
„Ich werde es schaffen“, schwor William.