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2. Galeeren in den Docks von London

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Als Peter Carpenter am Morgen sein Alehouse öffnete, schien die Sonne. Nach monatelangem Regen war der Anblick so ungewohnt wie eine Frau im Kettenhemd. Der helle Tag ließ in dem Mann fast ausgestorbene Gefühle erwachen. Seine Lebensfreude loderte auf. Er stemmte die Fäuste in die Seiten, bog das Kreuz durch und sog tief die würzige Luft ein. Er streckte sich, klatschte in die Hände und machte sich voll Tatendrang daran, sein Lokal aufzuräumen. Es glich einem Schlachtfeld, denn am Abend zuvor hatte es in London etwas zu feiern gegeben: Ein Mann namens Craig O'Neill war Vater geworden, nachdem er zwanzig Jahre vergebens darauf gewartet hatte. Nun war seine Anne niedergekommen und hatte im Alter von 44 Jahren einen gesunden Jungen geboren. Craigs Freude über den späten Spross war unbeschreiblich gewesen. Er hätte sie aller Welt zeigen mögen, beschränkte sich aber darauf, seine besten Freunde freizuhalten. Der Umtrunk auf den kleinen O'Neill war jedoch in ein Gelage ausgeartet.

Dementsprechend sah Peters Pub aus. Er hatte an diesem sonnigen Morgen alle Hände voll zu tun, um es zu reinigen. Die grob gezimmerten Tische klebten von verschüttetem Bier, das wie Sirup in den zahlreichen Kerben der Tischplatten lagerte. Diese von Messerspitzen zurückgebliebenen Wunden im Holz passten zu dem verkrusteten Blut, das seinen Duft süßlich in den Raum verströmte, denn nachdem O'Neill und seine Freunde sich die Bäuche mit gegrilltem Saubein und Ale beschwert hatten, hatte das Spiel 'Metall und Fleisch' begonnen, bei dem ein Mann die Hand auf den Tisch legt, und sein Gegenüber so schnell wie möglich die Messerspitze zwischen die gespreizten Finger hackt. Wird ein Finger getroffen, zahlt der Stecher - für einen äußeren Finger mehr als für einen der inneren - und scheidet aus. Ebenso wird der Gegner belangt, wenn ihn der Mut verlässt und er die Hand wegzieht. Wer übrig bleibt, ist Sieger.

Die Balken des Fachwerks stanken nach Urin und warteten darauf, abgewaschen zu werden. Der Boden war vollgekotzt, so dass der Sand erneuert werden musste. Überall lagen abgenagte Knochen herum, über die sich die Ameisen hermachten, und - als wären sie Teil dieses traurigen Haufens Unrat, lagen zwei Betrunkene in einer Ecke, von denen einer in gleich bleibenden Abständen aufstieß, und der andere stöhnte.

Das alles störte Peter wenig, wenn er an seinen prallgefüllten Lederbeutel dachte, der wie ein gegossener Klumpen Metall an seiner Hose baumelte, auch wenn ein volles Pub wie am vorigen Tag keine Ausnahme gewesen war. Das Alehouse lag in der Nähe der Docks an der Themse, so dass Peter Carpenter allabendlich mit regem Betrieb rechnen konnte. Täglich legten Handelsschiffe an, die entladen werden mussten, und wenn dies geschehen war, gönnten sich die Dockarbeiter ein paar Tankards voll Ale. Ebenso verhielt es sich mit der Mannschaft, die oft monatelang auf See gewesen war und nach Alkohol und fremder Gesellschaft dürstete.

Man schrieb den 3. Mai 1478. Zur sechzehnten Stunde erreichte George Smith die Themse. Er streckte sich und drückte den Rücken durch, der ihm vom langen Reiten schmerzte. Er schirmte seine Augen gegen die Sonne ab, blickte nach Westen über den Fluss und grunzte zufrieden. Er tätschelte den Hals seines Pferdes und sagte: „Wir sind da, altes Mädchen. Da drüben ist London, schätze ich. Oder ich müsste mich sehr täuschen. Wir müssen nur sehen, wie wir da rüber kommen.“

Das Pferd schnaubte, als hätte es verstanden und fiel in gemächlichen Trab, der die beiden am Fluss entlang führte. Bald trafen sie auf ein paar Bauern, die auf dem Feld arbeiteten und den Reiter neugierig musterten. Als George Smith herankam, zeigte er auf die andere Seite des Flusses und rief: „He, Leute, wie komm ich denn da rüber?“

Ein Bauer stützte sich auf seine Harke, als wäre ihm die kurze Pause willkommen. Er zog die Augenbrauen hoch und fragte: „Wollt Ihr nach Westminster?“

Der Reisende schüttelte den Kopf. „Nach London will ich.“

Ein leichter Wink mit dem Kopf deutete auf die Stadt auf der anderen Seite des Flusses. „Was Ihr da drüben seht, ist aber Westminster, Sir.“

George Smith schüttelte den Kopf. „Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen? Da ist doch klar und deutlich der Tower zu sehen.“

Die Frauen lachten, ließen sich jedoch nicht bei der Arbeit stören. „Das ist das Abbey und der Palast, Sir“, sagte der Mann. „Ihr seid wohl vom Weg abgekommen. Die Stadt da drüben heißt Westminster, und hier seid Ihr in Lambeth. Wenn Ihr aber ungefähr zwei Meilen am Fluss entlang reitet, dann kommt Ihr nach Southwark. Dort führt die London Bridge über die Themse. Es ist die einzige Brücke weit und breit.“

Nun begriff George, dass der Bauer ihn nicht vorführte. Er zog seinen Lederhut und grüßte. „Habt Dank, Freunde.“

Nach zwanzigminütigem Ritt kam er an die Brücke. George hielt darauf zu, passierte das Steintor und sah sich sogleich zwei Lanzen gegenüber, deren grimmige Träger ihm aus heiseren Kehlen ein donnerndes „Halt!“ entgegen brüllten.

Erschrocken riss George an der Zügel, so dass es dem Pferd fast den Kiefer ausrenkte und das Tier mit einem schmerzlichen Wiehern stehen blieb. „Was ist?“ fragte George ängstlich. „Kostet die Passage Geld?“

Einer der Wächter lachte hart. „Du bringst uns auf eine gute Idee, Fremder. Bis jetzt ist sie noch frei. Aber du siehst doch, dass die Brücke hochgezogen ist, oder bist du blind?“

George schaute an den Männern vorbei, nickte und machte eine Verbeugung. „Entschuldigung. Wird es lange dauern?“

Die beiden Wächter nahmen die Lanzen weg. „Du wirst nicht mal pissen müssen zwischendurch“, sagte einer.

George stieg ab und lehnte sich über die aus Bruchstein gemauerte Brüstung. Langsam ließ er seine Spucke ins Wasser fallen, als es knirschte und splitterte, als würde ein Balken brechen. Gleich darauf vernahm er drei oder vier Stimmen, die gegeneinander anbrüllten. Er wollte sehen, was da los war, aber einer der Wächter rief ihn barsch zurück. „He, weg da. Du kannst aufsteigen. Wir lassen gleich die Brücke herunter.“

George gehorchte, und wenig später senkte sich rasselnd die Brücke. „Könnt Ihr mir ein Pub empfehlen?“ fragte Smith schüchtern.

Als ob die beiden Männer inzwischen ausgetauscht worden wären, antworteten sie zu Georges Verwunderung freundlich und erschöpfend. Sie deuteten mit ihren Lanzen über den Fluss und erklärten: „An der ersten Kreuzung hinter der Brücke reitest du nach links. Das ist das Stokfisshmongerowe auf der Thames Street. Nach etwa 15 Ketten erreichst Du die Derkelane am Queenhithe. Sie führt zum Wasser hin. In dieser Lane hat Peter Carpenter sein Alehouse. Es ist empfehlenswert. Gutes Essen gibt es dort auch.“

„Habt Dank für die freundliche Auskunft“, sagte George. Er trieb sein Pferd an, passierte das Zugbrückentor und kam zur Kapelle des heiligen Thomas, die sich auf der Mitte der Brücke befand. George stieg ab, kniete nieder und dankte für den reibungslosen Ablauf seiner Reise. Als er wieder aufstieg, hörte er Peitschenhiebe und das Jammern eines Unglücklichen.

George fand anhand der Beschreibung recht schnell die Stokfisshmongerowe und die Thames Street. Als er über einen unbebauten Platz zur Themse blickte, sah er etwas, das ihn zum Augenreiben reizte. Aber auch als er ein zweites Mal zum Fluss hinblickte, blieb die Vision: Galeeren der Johanniter. George erkannte nun auch, warum jemand gepeitscht wurde. Das war eine Neuigkeit, die er unbedingt loswerden musste. Sicher würde man ihm dafür ein oder zwei Tankards voll Ale bezahlen. Er hieb dem Pferd die Hacken in die Seite.

Wenig später saß er in Peter Carpenters Alehouse. Es gab keine Theke, dafür aber ein dickes Eichenbrett an der Wand, auf dem man sein Bier abstellen konnte. Hier standen ein paar Dockarbeiter und genossen eine Pause, bevor es wieder an die harte Arbeit ging.

„Ale“, rief George

Peter nickte. Wenig später kam der Landlord mit einem Tankard, den er dem Gast hinstellte. Der Tankard war nicht aus Holz, wie der Becher in Duncans Schmiede, sondern aus Blei. George nahm ihn an die Lippen, kostete das Getränk und nickte wohlwollend. Dann deutete er auf die Bank auf der anderen Seite des Tisches und sagte fast in befehlshaberischem Ton: „Setzt Euch zu mir, Wirt.“

Carpenter hob bedauernd die Hände. „Keine Zeit, Sir.“

„Aber ich bringe Neuigkeiten, von denen Ihr noch nichts wissen könnt. Es hat sich gerade erst auf dem Fluss zugetragen.“

Der Landlord, schon im Gehen begriffen, flog herum. Nachrichten waren immer gut fürs Geschäft. Er setzte sich. „Erzählt.“

„Ich bin schon an vielen Plätzen gewesen, und überall bekomme ich ein oder zwei Tankards voll Ale für meine Neuigkeiten“, sagte Smith.

Nach einer kleinen Denkpause nickte Carpenter. „Mir soll’s recht sein, Sir. Erzählt, was Ihr wisst.“

George holte Luft. „Stellt Euch vor: In den Docks liegen zwei Galeeren. Sie tragen das Banner der Johanniter. Ich weiß, dass diese Galeeren im Mittelmeer und der Ägäis liegen, um Rhodos und die Pilgerrouten nach Jerusalem zu schützen. Deshalb frage ich mich, was diese Schiffe hier zu suchen haben.“

Peter grinste. „Das sollen Neuigkeiten sein? Ihr stellt mir ja mehr Fragen, als dass Ihr Kunde bringt. Was die Galeeren hier suchen, kann ich Euch verraten, denn es kommt des Öfteren vor, dass diese Schiffe hier anlegen. Sie werden wohl Ritter des Ordens abholen, die in Rhodos stationiert werden sollen. Das ist des Rätsels Lösung.“

„Aha“, sagte George Smith beschämt. Doch zugleich fügte er voller Begeisterung hinzu: „Was Ihr aber nicht wisst: Bei der Durchfahrt der Brücke haben ein paar Unglückliche ihr Ruder nicht schnell genug eingezogen. Sie zerbrachen am Brückenpfeiler. Ich stand gerade auf der Brücke und hörte das Holz bersten. Die Bestrafung folgte sofort.“

„Und?“

„Das war's.“

„Wie viel Ale soll denn diese Neuigkeit wert sein, Sir?“

„Wartet. Ich heiße Smith. George Smith. Und ich habe noch mehr zu berichten. Zum Beispiel ist ein Mörder nach London unterwegs. Man nennt ihn den Schwarzen Ritter, und der Kerl ist...“

„...mit Vorsicht zu genießen. Er ist bereits hier.“

George schaute betrübt auf seinen Tankard, der sich langsam leerte. Die Geschichte vom Mörderbett kannte Carpenter bestimmt auch schon, und die Neuigkeit von der Hexe aus Kilndown würde wohl auch keinen Tankard bringen. „Vergesst das freie Ale, Landlord. Erzählt mir lieber etwas über Bier. Ich bin Brauer und auf der Suche nach guten Ideen, denn ich bin bestrebt, das beste und reinste Bier im Königreich zu brauen. Euer Ale hat einen würzigen Nachgeschmack. Was ist es, das diesem Bräu die besondere Note gibt?“

Zu einer Antwort kam es nicht. Ein paar Hafenarbeiter hämmerten mit ihren Tankards auf dem Eichenbrett herum. „He, my Lord, mach uns Bier, aber schnell“, riefen sie.

„Ich habe zu tun, Mr. Smith. Ihr seht es selbst. Entschuldigt mich bitte. Vielleicht später.“ Damit entzog sich Peter Carpenter einer für ihn langweiligen Unterhaltung.

Zu fortgeschrittener Stunde passierten zwei Ritter Carpenters Alehouse. Sie kamen gerade von Queenhithe, wo die Galeeren vor Anker lagen. William und Tomas hatten sie sich angesehen. Diese Schiffe sollten in den nächsten drei Monaten ihr Zuhause sein, denn die beiden jungen Männer waren vom Orden dazu bestimmt worden, Rhodos zu verstärken. Sie mussten sich für eine lange Zeit, wenn nicht gar für immer, von England trennen, und es war keine Frage, dass man sich gebührend von der Heimat verabschiedete.

Sie passierten Carpenters Pub, wo an einem Eichenbrett mehrere Hafenarbeiter standen und ihr Ale tranken, und wo ein Mann mit Lederhut und Lederumhang einsam und verlassen an einem Tisch saß und an seinem Becher nippte. „Lass uns hier hineingehen, Bruder Tomas“, sagte William.

„Aber das ist ein Alehouse“, fuhr Tomas auf. „Es ist unser nicht würdig. Der Ordensrat würde es gewiss nicht gern sehen, wenn wir uns unter die Bürger mischen. Wir sollten eine Taverne aufsuchen, wo wir unter Adligen sind, mein Freund.“

Williams Kettenhemd rasselte leise, als er den Kopf schüttelte. „Mich reizt das Verbotene, und ich war noch nie in einem Alehouse. Ich würde gerne sehen, wie die Bürger sich vergnügen. Was kann daran so schlimm sein, dass der Ordensrat es verbieten würde?“

„Bitte, Bruder William. Ich bin erschüttert über deine Worte. Wenn du sagst, dass das Verbotene dich reizt, dann verleugnest du damit unseren Orden.“

„Ich verleugne ihn nicht, und ich liebe die Gemeinschaft des Heiligen Johannes genauso wie du, Tomas. Aber warum glaubst du, dass uns eine Taverne gegönnt ist, während ein Alehouse tabu sein soll? Macht das etwa Sinn?“

Tomas' Hand fuhr an den Schwertknauf, als wolle er die Waffe ziehen, doch ließ er sie nur darauf ruhen. Stattdessen legte er die andere Hand auf Williams Schulter und sagte: „Es ist nicht unser Los zu fragen, ob ein Befehl Sinn macht. Wir haben Gehorsam geschworen. Hast du etwa das Gelübde vergessen?“

„Nein, das habe ich nicht“, antwortete William. „Wie könnte ich auch? Dazu ist meine Beziehung zum Orden zu intensiv. Meine ganze Kindheit und Jugend war geprägt von der Aussicht, einmal als Ritter der Johanniter mein Leben zu verbringen...“

Schon wenige Tage nach der Geburt meldete der Earl von Buckingham den kleinen William beim Orden an. Seine Kindheit bestand aus religiösen Lehren, und im Alter von zwölf Jahren wurde er bereits nach Rhodos geschickt, wo er als Page des Großmeisters eingesetzt wurde. Zwei Jahre später kam er nach England zurück. Seine Ausbildung wurde nun auf die Kriegskunst ausgedehnt. Er lernte die unterschiedlichen Rüstungen kennen und wie ein Schild gehalten wurde. Er wurde im Zweikampf ausgebildet und wusste, dass dazu Speer, Lanze, Axt, Streitkolben und Morgenstern eingesetzt wurden. Das Langschwert war ihm vertraut. Es war das typische fränkische Schwert der Kreuzfahrer und eine Weiterentwicklung des Wikingerschwerts, mit dem die Normannen England, Süditalien und Sizilien erobert hatten. Es hatte eine größere Parierstange als ältere Schwerter und war so lang wie das Bein eines Mannes. Es eignete sich vor allem zum Hieb und war keine Waffe, die man vom Pferd aus einsetzte. Dafür tat es hervorragende Dienste, wenn mehrere Ritter einen schützenden Kreis bildeten oder sich im Getümmel behaupten mussten.

William hatte schon früh begriffen, dass das Körpergewicht eines Mannes maßgeblich die Schwungkraft der Waffe bestimmte, und dass Muskelkraft wichtig war, wenn man sich gegen einen Gegner behaupten wollte. Deshalb waren Kraftübungen mit Steinen und eisernen Stangen Teil des täglichen Trainings. Es hatte ihm immer Spaß gemacht, und William war sich sicher, einer der besten Kämpfer Englands zu sein.

Dann kam der Tag, an dem er in den Orden aufgenommen werden sollte. Schwierigkeiten konnte es dabei keine geben, denn die allgemeinen Hindernisse wie eine bereits konsumierte Ehe, die Ablegung eines Profess in einem anderen Orden oder ein erfolgter Mord trafen auf ihn nicht zu. Auch die außereheliche Geburt betraf ihn nicht, denn selbst, wenn es so gewesen wäre: William war Sohn eines Earls, und die legitime Geburt wurde nur von Angehörigen des niederen Adels verlangt. Selbst die Vierahnenprobe, der Nachweis, dass seine vier Ahnen Ritter seien, war kein Problem. Williams Eintritt in den Orden stand also nichts im Wege, so dass er eines Tages vor das Ordenskapitel trat und den Bruder, der dem Kapitel vorstand, bat, in den Orden aufgenommen zu werden. Der Bruder holte die Zustimmung der anderen Brüder und wandte sich dann an William mit den Worten: „Guter Freund, du wünschest die Gemeinschaft dieses Hauses, und du tust gut daran, denn viele Herren ersuchen dringend um die Aufnahme ihrer Kinder oder ihrer Freunde und sind hocherfreut, wenn sie dieselben bei unserem Orden unterbringen können. Und wenn du willens bist, in solch hervorragender und ehrenwerter Gesellschaft und in einem solch heiligen Orden wie dem des Hospitals zu sein, dann tust du gut daran. Wenn du aber dergleichen tust, weil du uns wohl gekleidet siehst, weil du weißt, dass wir Pferde zur Verfügung haben und meinst, dass wir alles besitzen, was unserer Bequemlichkeit frommt, dann irrst du. Denn wenn du zu essen wünschst, dann wirst du fasten müssen, und wenn du fasten willst, dann wirst du essen müssen. Willst du schlafen, dann musst du wachen, und wenn du wachen möchtest, wirst du schlafen müssen. Du wirst hierhin und dorthin geschickt werden, weit übers Meer, an Orte, die dir nicht behagen, aber du wirst dennoch dorthin gehen müssen. Daher wirst du von deinen eigenen Wünschen ablassen müssen, um die eines anderen auszuführen, und du wirst weiteres Ungemach bei unserem Orden erdulden müssen, mehr als ich dir jetzt beschreiben kann. Bist du bereit, all dies auf dich zu nehmen?“

„Ja.“

William wurde in die Kapelle des Ordens geführt, wo er zusammen mit dem aufnehmenden Bruder an einer heiligen Messe teilnahm. Er hatte mit einer brennenden Kerze vor dem Altar zu stehen und die heilige Kommunion zu empfangen. Nach der Messe fragte ihn der Bruder: „Hast du bereits bei einem anderen Orden einen Profess abgelegt oder bist du verheiratet? Bist du jemand anderem verpflichtet oder ein Unfreier? Hast du jemanden umgebracht?“

„Nein. Nichts dergleichen.“

„Sollte sich nachträglich herausstellen, dass du gelogen hast, dann wirst du sogleich aus dem Orden ausgestoßen und demjenigen übergeben, dem du verpflichtet bist.“

Der Bruder öffnete ein Messbuch, auf das William beide Hände auflegte und sprach: „Ich, William, gelobe und verspreche Gott dem Allmächtigen, der allerseligen Jungfrau und Gottesmutter Maria und dem heiligen Johannes Battista, alle Zeit Gehorsam jedwedem Oberen, der mir von Gott und unserer Religion gegeben wird, in Zukunft ohne Eigentum zu leben und die Keuschheit zu bewahren.“

William nahm die Hände vom Messbuch weg, und der aufnehmende Bruder sagte zu ihm: „Wir anerkennen dich als Diener der armen Kranken Jesu Christi und bestimmen dich zur Verteidigung des katholischen Glaubens.“

„Ich bekenne, dies zu sein.“ William küsste das Missale und trug es zum Altar, küsste diesen und brachte es dem Bruder zurück, zum Zeichen des wahren Gehorsams. Der Bruder wies auf das weiße Kreuz auf seinem Mantel und sagte. „Glaubst du, Bruder, dass dies das lebende Kreuz ist, an dem Christus starb, und dies zur Vergebung für unsere Sünden?“

„Ich glaube.“

„Dies ist unser Zeichen, und wir befehlen dir, dass du es stets auf deiner Kleidung trägst.“

William küsste das Kreuz, und der Ordensbruder überreichte dem Anwärter den Mantel: „Nimm dieses Zeichen im Namen der Dreifaltigkeit, der allzeit seligen Jungfrau Maria, des heiligen Johannes des Täufers, zur Vermehrung des Glaubens, zur Verteidigung des Namens Christi und zum Dienst an den Armen. Schließlich übergeben wir dir dieses Kreuz, damit du es von ganzem Herzen liebst und mit der Rechten kämpfend verteidigst. Wenn du dich im Streit für Christus gegen die Feinde des Glaubens zurückziehst, die Standarte des heiligen Kreuzes verlässt und so aus einem gerechten Krieg fliehst, wirst du gemäß den Bestimmungen der Statuten und Gewohnheiten des Ordens verdientermaßen als Brecher des Gelübdes des allerheiligsten Zeichens, des Kreuzes, beraubt und als stinkendes Glied aus unserer Genossenschaft ausgestoßen.“ Dann legte der Bruder William den Mantel um und sprach: „Nimm das Joch des Herrn, denn es ist süß und leicht. Unter ihm wirst du dein Seelenheil finden. Wir versprechen dir keine Genüsse, sondern nur Brot, Wasser und demütige Kleider und lassen deine Seele und die deiner Eltern und Vorfahren teilhaben an den guten Werken unseres Ordens, die auf der ganzen Welt vollzogen werden, gegenwärtig und in Zukunft.“ Dann wurde William zuerst vom aufnehmenden, dann von allen anwesenden Brüdern geküsst und umarmt.

Die Straße der Ritter

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