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04. Step on the Gas and Wipe that Tear away (Beatles)

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Anfangs fiel es Cornelia van Bowdendonk leicht, dem Krankenwagen zu verfolgen, auch wenn sich dieser mit Blaulicht einen Weg durch den Berufsverkehr bahnte. Die Reichweite des Senders in Siegfrieds Ohrclip lag bei etwa dreißig Meilen, sodass der Abstand zwar langsam aber stetig zunahm, aber niemals beunruhigend groß wurde. Etwa zehn Minuten hatte die Verfolgung gedauert, als Cornelia bemerkte, dass Siegfrieds Signal zum Stehen gekommen war. Doch schon eine Minute später setzte sich der Lichtpunkt erneut in Bewegung, diesmal aber mit beträchtlich größerer Geschwindigkeit. Mit einem mulmigen Gefühl sah Cornelia, wie sich der Abstand zwischen ihr und Siegfried zusehends vergrößerte. Langsam bewegte sich der Lichtpunkt auf den Rand des Displays zu. Wenn er dort verschwunden war, hätte sie Siegfried verloren. Sie blickte kurz prüfend in den Rückspiegel. Als sie keinen Polizeiwagen entdeckte, öffnete sie das Handschuhfach und betätigte den Kippschalter, der die Drosselung des Fusionsantriebs deaktivierte. Jetzt hatte sie 2000 PS zur Verfügung. Den Fusionsantrieb des Autos hatte Siegfried vor zwei Jahren gebaut und seiner Mutter zum Geburtstag geschenkt. Der Reaktor war bei der Konstruktion nicht das eigentliche Problem gewesen. Knifflig war, dass der Wagen trotz des neuen Fusionsantriebs noch klang wie ein Auto mit Verbrennungsmotor. Das zweite Problem hatte sich als noch schwieriger erwiesen. Tagelang hatte Siegfried getüftelt, bis er den Antrieb so weit heruntergedrosselt hatte, dass der Ford nicht schneller als 60 Meilen pro Stunde lief. Schließlich sollte der Wagen seine Mutter ins Einkauszentrum bringen und nicht in eine andere Dimension katapultieren. Das Gute daran war, dass eine Coladose voll Wasser reichte, um die Karre zwei Jahre lang anzutreiben. Aber mit dem Schalter im Handschuhfach hatte man auf Knopfdruck die vollen 2000 PS des Fusionsantriebs zur Verfügung.

Wie schnell der Ford damit fahren konnte, wusste Cornelia nicht, denn sie hatte den Fusionsantrieb noch nie ohne Drosselung gefahren. Mit gut 100 Meilen pro Stunde jagte sie über die 400. Doch es dauerte keine Minute, bevor hinter einem Reklameschild ein Streifenwagen auf den Highway schoss und die Verfolgung aufnahm.

Cornelia van Bowdendonk vergeudete keine Zeit mit der Frage, warum sie keine zehn Meilen oberhalb des Geschwindigkeitslimits fahren konnte, während die Kidnapper ihres Sohns unbehelligt über den Highway 135 entlangbrettern konnten. Nach einem kleinen Tipp auf das Gaspedal hatte der Wagen auf 250 Meilen pro Stunde beschleunigt. Während das Blaulicht im Rückspiegel immer kleiner wurde, flog der Ford auf die Berge zu. Solange die Straße geradeaus ging, konnte Cornelia van Bowdendonk ihr Tempo halten. In den Bergen würde sie wieder Normalgeschwindigkeit fahren müssen, weil Bremsen und Fahrgestell nicht auf die 2000 Pferdestärken des Fusionsantriebs ausgelegt waren. Minuten später hatte sie die Grenze nach Colorado passiert und reduzierte das Tempo, denn der Streifenwagen hinter ihr war ab hier nicht mehr für sie zuständig und würde mit Sicherheit die Verfolgung einstellen. Weil sie Siegfried wieder auf wenige Meilen nahe gekommen war, hielt sich Cornelia ab jetzt an das vorgeschriebene Tempolimit.

Deshalb vergrößerte sich der Abstand zu Siegfrieds Entführern wieder allmählich, weil Doktor von Stackelmann sich einen Dreck um Geschwindigkeitsbegrenzungen kümmerte. Er ließ Jenkins fahren, als sei die Straße eine deutsche Autobahn. Das Gelände wurde steiler, die Straße kurviger. Cornelia van Bowdendonk drosselte den Fusionsantrieb auf 120 PS zurück, damit sie nicht durch einen versehentlichen Tritt aufs Gaspedal den Wagen in eine Schlucht stürzte.

Die Abendsonne brachte die Berggipfel vor ihr zum Glühen. Und wenn sie nicht die Entführer ihres Sohns verfolgt hätte, wäre die Fahrt eine herrliche Spritztour durch die Berge gewesen. Der Bugatti hatte einen Vorsprung von etwa einer halben Stunde und war auf dem iphone-Display als blinkender Punkt leicht zu erkennen. Cornelia van Bowdendonk wusste genau, wer hinter Siegfrieds Entführung steckte, und deshalb wusste sie auch, dass es nicht leicht werden würde, ihn zurückzuholen. Ungefähr so schwer wie eine Gefangenenbefreiung aus Guantanamo.

Ziemlich genau zehn Jahre war es her, dass sie und Arnold van Bowdendonk sich Ärger mit einer sehr mächtigen Organisation eingehandelt hatten. Nur aus einem einzigen Grund hatte sie sich nach Arnolds Verschwinden zehn Jahre lang verstecken können: Ihre Gegner wussten nicht, in welchem Teil der Welt sie nach ihr suchen sollten. Aber jetzt, nachdem die van Bowdendonks ausfindig gemacht waren, standen ihre Chancen ziemlich schlecht.

Entsprechend düster war Cornelias Stimmung. Sie schmiedete einen Plan nach dem anderen. Aber alles war ihr einfiel, waren Pläne mit einer Million zu eins-Chance, die klassischen, ich weiß, es klingt verrückt aber-Pläne.

Gerade als die Straße sich wieder über eine Folge von Haarnadelkuven einen Berghang hochwand, verstummte das Motorgeräusch des Ford. Mit einem lauten Fluch steuerte Cornelia van Bowdendonk den Wagen an den Straßenrand und zog die Handbremse an. Siegfried, dieser fahrige Idiot von einem Teenager. Er hatte ihr den Fusionsantrieb in den Ford gebaut, ihn aber dann nur mit einem Pappbecher voll Wasser betankt. Zwei Jahre lang war das Fahrzeug damit ausgekommen. Vor einem halben Jahr hatte das Display angezeigt, dass der Wasservorrat zur Neige ging, und in der ganzen Zeit war ihr Herr Sohn nicht dazugekommen, einen Becher destilliertes Wasser in den Einfüllstutzen zu kippen. Er hätte nur ein einziges Mal seine picklige Nase aus dem Buch über Plasmaphysik nehmen müssen, und das erledigen, worum sie ihn gebeten hatte. Jetzt saß sie mit leerem Tank in dieser Einöde fest und musste hilflos mit ansehen, wie sich Siegfrieds Signal unbarmherzig aus dem iphone-Display hinausbewegte. Noch ein paar Minuten, und sie hätte ihren Sohn verloren.

Den Antrieb mit etwas Wasser aus einem Bergbach nachzutanken war nicht möglich, hatte Siegfried sie gewarnt. Wenn etwas anderes als reines demineralisiertes Wasser in die Plasmakammer geriet, dann würden die in Spuren vorhandenen Lithiumionen eine gewaltige Explosion verursachen.

Während ihr Puls allmählich auf 140 kletterte, würgte sie die Tränen der Verzweiflung hinunter. Einen Augenblick war sie nicht sicher, ob das was als nächstes geschah, schon Glück im Unglück war. Auf jeden Fall hörte Siegfrieds Signal auf sich zu bewegen. Alles was sie tun musste, um Siegfried einzuholen war eine Gebirgswanderung von etwa dreißig Meilen. Das Flanellkostüm und die Manolos waren dazu die denkbar ungeeignete Kleidung. Mit grimmigem Gesicht nahm sie das Iphone aus seiner Verankerung und stieg aus. Sie warf die sündteuren Schuhe in den Kofferraum und lief barfuß los. Alle paar Schritte schickte sie ein Gebet zum Himmel, dass sich das Fahrzeug, das sie verfolgte, nicht wieder in Bewegung setzte. Sie hatte Glück. Die nächsten Stunden sollte sich Siegfrieds Position nicht verändern.

Cornelia beschloss nicht der kurvigen Straße zu folgen, sondern die Serpentinen abzuschneiden. Das war ihre einzige Chance, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zu Siegfried zu gelangen. Also lief sie mit nackten Füßen über die Wiesen. Alle hundert Meter setzte sie sich auf den Boden und pulte fluchend die Stacheln einer Eselsdistel aus ihren Sohlen.

Sie war etwa dreißig Minuten unterwegs, als sie über sich das Geräusch eines Hubschraubers hörte. Es war eine nachtschwarze Cobra, die die Straße entlang flog. Eilig verbarg sich Cornelia hinter einem Felsen und beobachtete von dort, wie die Cobra neben dem Ford landete. Ein ganz in schwarz gekleideter Mann stieg aus und musterte das Fahrzeug von allen Seiten. Er zückte einen Leatherman und knackte damit in Sekundenschnelle das Schloss der Fahrertür. Als nächstes versuchte er die Zündung kurzzuschließen, aber natürlich sprang der Wagen nicht an. Also stieg er aus und zückte ein Funkgerät und sprach etwas hinein, das Cornelia wegen der großen Entfernung nicht verstand. Nach einer Minute stieg der Mann zurück in den Helikopter und die Cobra hob ab. Cornelia kauerte sich wie ein Mäuschen unter ihren Felsblock und sah voller Furcht, wie die Cobra über dem Ford suchend ein paar Kreise flog. Dann drehte der Hubschrauber ab und flog auf einen Berg am Horizont zu, der von dunklen Gewitterwolken gekrönt war. Genau von dort kam Siegfrieds Ortungssignal.

Cornelia van Bowdendonk wollte gerade ihr Versteck verlassen, als sie erneut Helikoptergeräusche vernahm. Der andere Hubschrauber näherte sich mit einem tiefen harten Klopfen, das auf ein gewaltiges Fluggerät schließen ließ. Kurze Zeit später sah Cornelia ein seltsames Luftfahrzeug neben ihrem Ford landen. Der Hubschrauber hatte einen Rumpf von etwa zwanzig Meter Länge, von dem vier Räder abstanden, sodass das Gerät aussah wie eine riesige Libelle mit abgespreizten Beinen. Aus dem Führerhaus sprangen vier schwarz gekleidete, außergewöhnlich kräftige Männer, die den Ford unter den Hubschrauber schoben. dort verzurrten sie ihn mit Haken und Drahtseilen. Dann setzten sie sich wieder ins Innere des Helikopters. Der Motor sprang an und Cornelia musste ansehen, wie ihr Ford durch die Luft in nordwestlicher Richtung abtransportiert wurde. Jetzt saß sie ohne Auto in der Einöde fest. Der Fußmarsch zum Gewitterberg würde zwei Tage in Anspruch nehmen. Aber wenn sie dort war, das schwor sie sich, sollten diese Schufte sie kennenlernen.

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