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07. In The Clearing Stands A Boxer (Simon and Garfunkel)

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Gerade als Siegfried vom Badezimmer zurückkam, servierte ein Kellner die Morchelsuppe. Das Zeug sah aus wie die Lotionen, die der Dermatologe Siegfried gegen seine Pickel verordnet hatte und sie schmeckte sehr intensiv nach Pilzen. Siegfried fand, dass es leichter wurde die Brühe herunterzuwürgen, wenn der die Augen schloss und an Champignonpizza dachte. Er löffelte teilnahmslos die Suppe, doch Lisa ließ es sich schmecken.

Es gab noch Tortellini mit Hummerfüllung, Seeteufel mit safranisiertem Kürbisgemüse, zu dem Lisa meinte, es sei Verschwendung ein so gelbes Gemüse wie einen Kürbis auch noch zu safranisieren, was Siegfried zu der Bemerkung veranlasste, dass gelbes Zeug auch nicht viel besser sei als grünes Zeug. Der Hauptgang war ein Ragout vom Kalbsschwanz auf römische Art und zum Nachtisch gab es einen schweren Pudding mit kandierten tropischen Früchten. Zu Siegfrieds Beruhigung waren die Doppelbilder mit jedem Bissen schwächer geworden.

Irgendwann machte Siegfried den Versuch, sich auf eines der Bilder zu konzentrieren, und plötzlich sah er wieder scharf. Es war ein bisschen anstrengend und nicht sehr angenehm, aber es ging. Erstaunlicherweise war auch das Echo weg, wenn er auf ein Bild fokussierte. Er war so mit seinem Doppelbilderspiel beschäftigt, dass er nicht bemerkte, dass kurz nach dem Dessert Dr. von Stackelmann hinter ihrem Stuhl stand. Als der Schulleiter sich leise räusperte, fuhr Siegfried herum. „Es freut mich zu sehen, dass du dich mit meiner Nichte so gut verstehst“, begann er. „Deshalb bin ich untröstlich, dass ich dich für einen Augenblick entführen muss. Wir haben eine verdächtige Person dingfest gemacht. Außerdem haben meine Männer etwa dreißig Meilen von hier einen schwarzen Ford gefunden, den du dir aus der Nähe ansehen solltest.“ Siegfried sah von Stackelmann fragend an. „Er muss sich hier als Diener hereingeschmuggelt haben. Für den Begrüßungsabend brauchen wir immer mehr Personal als gewöhnlich, das uns vom örtlichen Arbeitsamt vermittelt wird. Er wollte sich mit dem bewussten Auto aus dem Staub machen. Gott sei Dank konnten wir das verhindern. Wir haben ihn auf frischer Tat in der Garage ertappt.“ Siegfried wischte sich den Mund ab und warf seine Serviette auf den Tisch. Er verabschiedete sich von Lisa und folgte Dr. von Stackelmann, der zusammen mit seinem Chefbutler auf den Aufzug neben der Treppe zusteuerte. „Am besten gehen wir durch den Weinkeller, dann werden wir nicht im Regen nass“, schlug von Stackelmann vor, als sie im Aufzug standen. Er drückte Minus 3 und geräuschlos setzte sich der Lift in Bewegung. Als die Tür des Aufzugs sich öffnete, standen sie einen Augenblick vor einer Wand aus Finsternis. Von Stackelmann klatschte in die Hände und aktivierte so einen Bewegungsmelder. Etwa ein Dutzend Lampen, die im Abstand von vier Metern von der Decke hingen, sprang gleichzeitig an. Siegfried sah einen Gang, der an einer Klinkerwand mit einer Eisentür endete. Rechts und links des Ganges zweigten lange Regalreihen ab, bis unter die Decke lagerte darin nichts als Weinflaschen, die dalagen und darauf warteten eines Tages getrunken zu werden.

Von Stackelmann ließ Siegfried keine Zeit zum Staunen, mit eiligen Schritten war er an der Stahltür. Der Butler hielt sie auf. Sie erklommen eine Wendeltreppe, die nicht enden wollte und fanden sich in der Garage von Darnwolt. Unter Decken aus schwarzem Samt zeichneten sich die Silhouetten von einem Dutzend Sportwagen und Motorrädern ab. In der Nähe des Garagentors stand der Ford der Bowdendonks. Davor kniete der Diener, der aussah wie eine Stabheuschrecke. Zwei seiner Kollegen, die nicht in Livree, sondern in schwarzen Overalls steckten, hielten ihm die Arme auf den Rücken. Neben dem Ford lagen bewusstlos drei weitere Wächter in schwarzen Overalls. Stabheuschrecke blutete an der Lippe. „Wen haben wir denn da“, fragte von Stackelmann mit schneidender Stimme. „Sein Name ist John Gooseberg, Sir“, sagte der Chefbutler leise. „Wir haben ihn heute morgen als Aushilfsdiener angestellt. Die Sicherheit hat ihn überrascht, als er sich an diesem Ford hier zu schaffen machte. Das Auto haben die Männer draußen an der Landstraße gefunden. Wir haben es mit der Sikorski hergebracht, weil es verdächtig war. Ich habe den Halter ermittelt und da bin ich etwas erschrocken, Sir. Das Auto gehört Siegfrieds Mutter, Cornelia van Bowdendonk. „Hat Gooeseberg eine Vorgeschichte?“ fragte der Schulleiter. „Ich will das gleich überprüfen,“ antwortete der Chefbutler. Er holte ein iphone aus der Tasche und begann auf dem Display herumzutippen. „Ich bin höchst verärgert, Gooseberg,“, wandte sich von Stackelmann an Stabheuschrecke. „Meine Gäste sollen sich hier wohlfühlen. Aber trotz der schönen Zimmer, der köstlichen Bewirtung, wer kann sich in einem Haus wohlfühlen, wo Diebe die Garage unsicher machen? Haben Sie eine Ahnung, wie viele Erinnerungen an einem neunziger Ford hängen können?

Zu Siegfried gewandt fuhr er fort: „Siegfried, stimmt es, dass dies das Auto deiner Mutter ist?“ Um sicher zu gehen, öffnete Siegfried die Beifahrertür und öffnete das Handschuhfach. Als er den Kippschalter für die Drosselung des Fusionsantriebs entdeckte, war klar, dass es sich um das Auto seiner Mutter handelte. Seine Gedanken kamen in Gang wie ein Kinderkarusell. Warum in drei Teufels Namen hatte seine Muter ihn selbst verfolgt statt die Polizei zu rufen? Warum hatte man das Auto ohne seine Mutter gefunden? Wo war Cornelia van Bowdendonk jetzt?

"Das ist unser Auto, kein Zweifel", sagte Siegfried.

"Tja", meinte Doktor von Stackelmann. "Das ist mir jetzt unangenehm, Siegfried. Dann muss deine Mutter irgendwo da draußen in den Bergen sein. Meine Männer werden alles tun, um sie hierher zu bringen. Wir bringen dann das Auto in Ordnung und morgen früh kann sie zurück nach Wichita fahren. Wir hätten das ganze Mannöver nicht so theatralisch mit einer Entführung aufziehen sollen. Aber auch Schurken machen manchmal Fehler."

"Darf ich mal nach dem Auto sehen,Sir? Ich glaube ich weiß, warum es nicht anspringt." bat Siegfried. Er setzte sich hinter das Steuer und aktivierte mit einer Daumenberührung das biometrisch gesicherte Armaturenbrett. Ein Blick sagte ihm, dass dem Fusionsantrieb das Wasser ausgegangen war. Er bat um einen Becher destilliertes Wasser. Einer der Männer brachte es ihm aus einem Regal weiter hinten im Raum.

Siegfried nahm den Becher und öffnete den Tankdeckel. Er öffnete den Einfüllstutzen, drehte das Ventil für die Elektrolysekammer nach rechts. Vorsichtig kippte er das Wasser in den Tank, dann schloss er den Deckel und stellte am Armaturenbrett den Timer für die Primärsublimation auf siebzehn Sekunden.

In der Zwischenzeit waren die drei niedergeschlagenen Wächter wieder zu sich gekommen. Mühsam rappelten sie sich auf, betasteten vorsichtig ihre Kinnspitzen. „Jungs, zeigt dem Kerl, dass ihr euch nicht so einfach verprügeln lasst.“ Siegfried war etwas mulmig zumute, dass Stabheuschrecke nun ohne sich wehren zu können eine Abreibung erhalten würde, aber schließlich hatte er ja versucht, das Auto zu stehlen. Er war erstaunt, dass Stabheuschrecke zu grinsen anfing, als der erste zusammengeschlagene Wächter sich vor ihm aufbaute. Der Wächter hatte die Figur einer Bulldogge und der Schlag in Stabheuschreckes Magengrube sah ziemlich wuchtig aus. Der Getroffene ächzte einen Moment, dann zeigte sich wieder das Grinsen mit den enorm großen Zähnen.

Da stand schon der zweite Wächter vor ihm.

Siegfried tat der Kerl Leid. Also überlegte er fieberhaft, wie er von Stackelmanns Leute davon abbringen könnte ihn zu verprügeln. Wenn sie ihn totschlugen, würde er nie herausbekommen, woher Stabheuschrecke den Mädchennamen seiner Mutter kannte.

„Entschuldigung, aber solche Gewaltszenen sind erst frei ab sechzehn“,rief Siegfried. „Ich bin auch wütend, dass jemand versucht hat, das Auto zu stehlen. Aber das hier ist nichts für mich, weil ich noch kein Superschurke bin. Sperren Sie ihn bitte ein und rufen Sie die Polizei.“ Von Stackelmann betrachtete Siegfried wie ein Lehrer, der bemerkt, dass er das Talent seines Schülers wohl überschätzt hat. In diesem Augenblick meldete das iphone, dass die Recherche nach dem Namen Gooseberg erfolglos geblieben war.

Der Chefbutler ging deshalb auf Gooseberg zu und fotografierte mit der Handykamera sein Gesicht. Gooseberg musste anschließend seinen rechten Daumen auf das Display drücken. Dann öffnete der Chefbutler eine Applikation und drückte erneut auf „Suchen“.

Die Wächter schleiften Stabheuschrecke in einen Raum im Hintergrund der Garage. „Postiert zwei Leute vor der Tür, damit er nicht abhaut. Und dann übergebt ihn so schnell wie möglich der Polizei“, befahl von Stackelmann.

Dann wandte er sich ab, um zurück in den Bankettsaal zu gehen. „Macht es Ihnen etwas aus, Dr. von Stackelmann, wenn ich oben herum gehe?" fragte Siegfried. "Ich brauche ein bisschen frische Luft nach all der Aufregung und dem schweren Essen.“ Von Stackelmann hatte nichts einzuwenden. Weil es ohnehin aufgehört hatte zu regnen, brauchte Siegfried nicht einmal einen Schirm, als er durch die kühle, nach Regen duftende Spätsommernacht zum Haupthaus zurück ging.

Vor der Garage gab es ein kreisrundes Beet, das von einem breiten Kiesweg gesäumt war. Mit nervösen Schritten fing Siegfried van Bowdendonk an die Rabatte zu umrunden. So vieles ergab keinen Sinn. Er wurde das ungute Gefühl nicht los, dass es hier um mehr ging als um ein Internat für Superschurken. Er machte eine Liste von zehn Punkten, die keinen Sinn gaben, abgesehen von der Tatsache, dass seine Mutter nicht die Polizei gerufen sondern selbst die Verfolgung aufgenommen hatte.

Erstens: Gooseberg kannte den Mädchennamen seiner Mutter.

Zweitens: Das hier alles war ein bisschen zu protzig. Im Vergleich zu Darnwolt erschien einem Salem wie eine Dorfschule. Dass die Schulmensa am ersten Abend aufkocht, damit sich alle in der Illusion wiegen, das Essen sei akzeptabel, das gibt es in jeder Schule. Aber so ein Menü, da hätte sich sogar eine vorzügliche Köchin wie Cornelia van Bowdendonk anstrengen müssen.

Punkt drei: Ein Schulleiter, der sich anzieht wie 350000 Dollar Jahresgehalt und einen Bugatti fährt.

Punkt vier: Eine Schule mit einem Weinkeller von 10000 Flaschen.

Die Punkte fünf bis acht betrafen Gooseberg:

Punkt fünf: Gooseberg hatte noch zwei Stunden Arbeit vor sich, dann wäre er ohnehin entlassen worden. Aber der Kerl klaut sich ein Auto, um von hier wegzukommen. Das gab keinen Sinn.

Punkt sechs: Als man ihn erwischt, schlägt er erst einmal drei Wachmänner bewusstlos, die aussehen wie Hulk Hogan persönlich, bevor ihn die anderen überwältigen. Das ist übermenschlich.

Punkt sieben: Warum beschäftigt ein Internat Personal, das einen an die Kerle von der WWF erinnert?

Punkt acht: Warum nimmt Gooseberg das schäbigste und kaputteste Auto auf dem ganzen Gelände? Und das obwohl die Garage voller Bugattis und Lamborghinis steht?

Siegfried beschloss vor dem Schlafengehen eine ausführliche Google-Sitzung einzulegen.

Siegfried Der Roman

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