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2. Befunde aus der frühesten menschlichen Religionsgeschichte

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Die Vorstellung, dass es außerhalb der Gemeinschaft lebender Menschen Mächte oder Wesen geben könnte, die Einfluss auf menschliches Wohlergehen auch in für Menschen unverfügbaren Bereichen hätten, gehört wohl mit zu den ältesten religiösen Vorstellungen überhaupt.

Für die Zeit seit etwa 40000 Jahren (d.h. die Epoche des ›Spätpaläolithikum‹) lässt sich archäologisch belegen, dass Menschen tierische oder pflanzliche Nahrung, die für sie eine wichtige Lebensgrundlage hätte darstellen können, verbrannten oder willentlich an Plätzen deponierten, wo sie der menschlichen Nutzung entzogen war (Müller-Karpe 1998, Bd. 1: 20). Ein solcher freiwilliger Verzicht auf Lebensressourcen ist nur erklärbar, wenn die handelnden Menschen sich davon zugleich einen Gewinn an Lebensressourcen versprachen.

Natürlich ist eine genaue Interpretation solcher Befunde problematisch, solange sie nicht durch einen Kontext von schriftlichen oder zumindest ikonographischen Quellen begleitet werden, die bei der Deutung mit herangezogen werden können. Dennoch legt die Kontinuität zu späteren weltweit verbreiteten Opferritualen es nahe, bereits für diese frühe Zeit Vorstellungen von Mächten oder Wesen anzunehmen, die durch eine Übertragung von Lebensressourcen dazu bewegt werden sollten, einen positiven Einfluss auf menschliche Lebensgrundlagen zu nehmen. Dies würde zumindest in einem weiten Sinne eine Analogie zu dem darstellen, was die jüdisch-christliche religiöse Terminologie als ›Segen‹ bezeichnet.

Ikonographische Quellen, die für die menschliche Religionsgeschichte ausgewertet werden können, gibt es seit ungefähr |29|30000 Jahren. Dabei sind die ältesten Funde einerseits Malereien, die vor allem im Schutz der Dunkelheit von Höhlen die Zeit überdauert haben, andererseits plastische Kunstwerke. Auffällig ist, dass sich die Themen dieser frühesten Kunst genau auf Aspekte konzentrieren, die für menschliches Leben und Überleben von grundlegender Bedeutung sind: Bei den frühesten bekannten Malereien begegnen als das häufigste Motiv Tiere, die von Menschen gejagt werden können und so eine wichtige Nahrungsgrundlage für sie bedeuten. Teilweise sind die Tiere in expliziten Jagdszenen dargestellt. Bei den Funden von Skulpturen aus derselben Epoche spielt daneben das Motiv menschlicher Fruchtbarkeit eine wichtige Rolle, indem Schwangerschaften zur Darstellung gebracht werden oder Geschlechtsmerkmale besonders hervorgehoben werden.

All diesen Funden fehlen allerdings ikonographische Hinweise auf ein Gegenüber, mit denen die Menschen in Austausch getreten wären, um eine Förderung der Grundlagen ihres Lebens zu erlangen. Die forschungsgeschichtlich ältesten Funde von frühgeschichtlichen Skulpturen in Menschengestalt wurden zwar im 19. Jahrhundert nach der Analogie von antiken Kultbildern selbstverständlich als Repräsentationen von Gottheiten gedeutet, doch mittlerweile besteht ein breiter Konsens darüber, dass sich figürliche Darstellungen erst sehr viel später in der Religionsgeschichte als Abbildungen von personalen Gottheiten deuten lassen (Ohlig 2002: 51f.). Thema der Darstellung selbst sind offenbar die Aspekte menschlicher Lebenserfahrung und menschlicher Lebensgrundlagen, in denen Menschen sich als angewiesen erlebten, ohne darüber verfügen zu können. Welche möglichen Vorstellungen über Wege der Unterstützung oder Förderung in diesem Angewiesen-Sein sie dabei hatten, lässt sich jedoch nicht näher definieren. Die Gleichzeitigkeit mit dem Befund von Opfergaben legt es jedoch nahe, dass auch die bildlichen Darstellungen in einem religionsgeschichtlichen Kontext stehen, in dem Menschen sich von einem Gegenüber eine Förderung erhofften.

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