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1. Keine Rechtspflicht
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Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft in § 1353 Abs. 1 S. 2 erscheint wie ein „zahnloser Tiger“: es ist die einzige im Eherecht gesetzlich explizit geregelte personenrechtliche Pflicht zwischen den Ehegatten, aber eine zwangsweise Durchsetzung gegen den Willen eines Ehegatten scheidet aus (§ 120 Abs. 3 FamFG) und auch sekundäre Ansprüche werden im Falle einer Pflichtverletzung nach einhelliger Meinung abgelehnt. Dennoch geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass es sich bei § 1353 Abs. 1 S. 2 um eine echte Rechtspflicht handelt[1], welche die Ehe von anderen Lebensgemeinschaften unterscheidet;[2] es werden deshalb verschiedene Einzelpflichten aus der Norm abgeleitet, wie insbesondere die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft und die Pflicht zur sexuellen Treue.[3]
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Dies überzeugt nicht: Eine Rechtsordnung, die den Ehegatten im höchstpersönlichen Bereich rechtliche Pflichten allein „um der Ehe willen“ auferlegt, ohne ein Durchsetzungsinstrumentarium zur Verfügung zu stellen, erzeugt langfristig totes Recht.[4] Nach hier vertretener Ansicht steht schon der Gewährleistungsgehalt von Art. 6 Abs. 1 GG, der den Ehegatten eine autonome inhaltliche Ausgestaltung der Ehe im personalen Bereich garantiert (vgl. Rn. 33 ff.), einer verbindlichen Rechtspflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft entgegen.[5] Eine solche würde ohne hinreichenden Rechtfertigungsgrund in den von Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten (Intim-)Bereich der Persönlichkeit und in die Privatsphäre jedes einzelnen Ehegatten eingreifen. Zustimmung verdient vielmehr die Ansicht, dass „[d]as Recht (…) seine Grenzen nicht erst (dann überschreitet), wenn es ‚eheliche Gesinnung‘ oder gar Liebe befiehlt. Es hat vielmehr in allen überwiegend persönlichen Fragen die Autonomie der Partner zu respektieren d.h. deren Freiheit von fremder Setzung der Eheinhalte, aber auch von staatlicher Festschreibung der selbst gesetzten Inhalte.“[6] Leben die Ehegatten einvernehmlich an unterschiedlichen Wohnorten oder pflegen sie eine „offene Ehe“, dann ist diese Absprache von ihrem Recht zur autonomen Ausgestaltung der Ehe gedeckt. Selbst wenn die Ehegatten in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung der Ehe, insbesondere die eheliche Treue, unterschiedlicher Auffassung sind, so verstößt derjenige, der außereheliche Sexualkontakte unterhält, nicht etwa gegen seine „Pflicht“ aus § 1353 Abs. 1 S. 2, vielmehr ist sein Verhalten von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gedeckt. Bei unterschiedlichen Vorstellungen der Ehegatten von der Ehe in diesen Fragen hilft kein gerichtliches Verfahren auf „Herstellung des ehelichen Lebens“, das sich auf § 1353 stützt, sondern die Ehe wird auf kurz oder lang scheitern.
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Bei verfassungskonformer Auslegung ist § 1353 Abs. 1 S. 2 vorzugsweise allein dahingehend zu verstehen, dass die Norm das persönliche Wesenselement der Ehe – die Lebensgemeinschaft – als Tatbestandsmerkmal statuiert, aber keine Rechtspflicht normiert. Mangels einer Rechtspflicht scheidet auch jede Art von Haftung bei einem Verstoß gegen § 1353 Abs. 1 S. 2 aus.
Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › I. „Verpflichtung“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft › 2. Rechtsschutz bei Ehestörung nach der Rechtsprechung