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III. Pflichten kraft Parteivereinbarung?

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Folgt man der hier vertretenen Ansicht, dass es im höchstpersönlichen Bereich keine gesetzlichen Rechtspflichten zwischen Ehegatten gibt, so ist damit noch nicht geklärt, ob die Ehegatten in diesem Bereich nicht durch Rechtsgeschäft echte Rechtspflichten begründen können. Für die Haushaltsführung bzw. die Aufgabenverteilung in der Ehe ergibt sich aus § 1356 Abs. 1 S. 1, dass sie im gegenseitigen Einvernehmen geregelt werden. Dieses Prinzip gilt darüber hinaus in allen Bereichen des Eherechts, die der autonomen Gestaltung der Ehegatten unterliegen. Die dogmatische Einordnung bzw. Rechtsnatur des Einvernehmens ist jedoch insbesondere im Hinblick auf seine Bindungswirkung streitig.[39] Aus dem Wortlaut lässt sich für oder gegen eine vertraglich bindende oder unverbindliche Rechtsnatur des Einvernehmens nichts herleiten, denn das in § 1356 Abs. 1 S. 2 gewählte Wort „überlassen“ soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass es keiner förmlichen Einigung der Ehegatten bedarf, sondern auch die tatsächliche Handhabung ausreicht.[40] Teilweise wird Absprachen zwischen Ehegatten der Charakter eines Rechtsgeschäfts zugesprochen.[41] Aber gerade in dem Punkt, in dem sich die Normqualität eines Rechtsgeschäftes (Vertrag) zu erweisen hat, nämlich in der Bindung an den geäußerten Willen, weicht das gegenseitige Einvernehmen grundlegend von einem Vertrag im Sinne der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre ab. Es fehlt regelmäßig nicht nur an einem entsprechenden Erklärungsbewusstsein und Rechtsfolgewillen der Beteiligten,[42] sondern es liegt der durch „Überlassen“ (§ 1356 Abs. 1 S. 2) getroffenen Regelung oft genug (und selbstverständlich) die Vorstellung einer Änderung zu „gegebener Zeit“ zugrunde.[43] Auch die Vertreter einer rechtsgeschäftlichen Natur sehen sich letztlich zu Konzessionen gezwungen.[44] Im höchstpersönlichen Autonomiebereich stehen einer Bindungswirkung von Absprachen der Ehegatten schon die Wertungen der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entgegen (vgl. Rn. 35); und im Übrigen können durch alle die eheliche Lebensführung einvernehmlich ausgestaltende Absprachen zwischen Ehegatten bindende Vereinbarungen nur insoweit angenommen werden, als ein konkreter Rechtsbindungswille im Einzelfall nachweisbar festgestellt werden kann.[45] Die Beweislast trifft denjenigen Ehegatten, der eine rechtliche Verbindlichkeit der Vereinbarung behauptet.

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Davon abgesehen begründet das gegenseitige Einvernehmen über die Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft allerdings einen Vertrauenstatbestand,[46] der über die Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 rechtliche Relevanz erlangt. Wenn ein Partner an einem bestehenden Einvernehmen nicht länger festhalten will und dies finanzielle Folgen für die Ehe oder Familie hat, ist er an das Einvernehmen zwar nicht für die Zukunft gebunden, er muss seinen Änderungswunsch aber rechtzeitig mitteilen, damit sich der andere Ehegatte darauf einstellen kann; anderenfalls handelt er pflichtwidrig mit der Folge, dass er für den durch die Verletzung der Rücksichtnahmepflicht kausal verursachten Schaden nach § 280 Abs. 1 haftet.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft§ 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › IV. Haftungsmaßstab

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