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b) Warum ein weiteres Tierethikbuch?

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Seit einigen Jahren ist der erfreuliche Trend festzustellen, dass immer mehr Menschen für tierethische Fragen sensibel werden und dass es viele diesbezügliche Diskussionen und einschlägige Publikationen gibt. Das vorliegende Buch wird einige dieser Ansätze kritisch diskutieren, erhebt aber nicht den Anspruch, die klassischen wie auch neuere tierethische Positionen systematisch darzustellen.3 Es wird eine Auseinandersetzung stattfinden mit den bio- und tierethischen Konzepten von Albert Schweitzer, Peter Singer, Tom Regan, Martha Nussbaum u. a. Zu Wort kommen werden auch Ethikerinnen und Ethiker wie Richard David Precht, Ursula Wolf, Anne Siegetsleitner, Leonie Bossert u. a. m. Auch in der Theologie wurden die Tiere mittlerweile als wichtiges Thema entdeckt. Eine wichtige Vorreiterrolle spielt der im deutschen Sprachraum wenig rezipierte anglikanische Theologe Andrew Linzey, der sich als Mitglied einer interdisziplinären Gruppe an der Universität Oxford in England gemeinsam mit namhaften Philosophen wie Peter Singer u. a. intensiv mit tierethischen Fragen auseinandergesetzt und schließlich eine eigene Tier-Theologie entwickelt hat.4 Er wurde zum ersten Inhaber eines theologischen Lehrstuhls für Tierethik und gründete 2006 das Oxford Centre for Animal Ethics, dessen Direktor er seither ist. Erwähnenswert ist auch das von Anton Rotzetter und Rainer Hagencord 2009 gegründete Institut für Zoologische Theologie in Münster, das sich eine wissenschaftlich fundierte theologische Würdigung des Tieres sowie die Erarbeitung und Förderung einer schöpfungsgemäßen Spiritualität zum Ziel gesetzt hat. Zudem haben sich theologische Ethikerinnen und Ethiker – wie Heike Baranzke, Michael Rosenberger, Eberhard Schockenhoff, Gerhard Marschütz, Kurt Remele, um nur einige zu nennen – intensiv mit tierethischen Fragen auseinandergesetzt und zum Teil eigene tierethische Ansätze vorgelegt.

Die vorliegende Publikation reiht sich in diese Stimmenvielfalt ein. Sie versteht sich als Diskussionsbeitrag und möchte zugleich mit der verantwortungsethischen Begründung eines tierethischen kategorischen Imperativs einen originären Beitrag dazu leisten, dass die katholische Kirche und die Theologie das schwerwiegende Defizit überwinden können, das ihnen in Bezug auf die Tierethik anzulasten ist. Gerhard Marschütz ist recht zu geben, wenn er es als „ärgerlich“ bezeichnet, „dass kaum je christliche Einsprüche gegen die zunehmende Brutalisierung des heutigen Umgangs mit Tieren vernehmbar sind“5. Auf der theologisch-ethisch reflektierten und auf der praktischen Ebene hat die Kirche eine Bringschuld zu leisten, denn (auch das wird zu thematisieren sein) den Problemen und Anliegen der Tierethik wird weder die christlich-abendländische noch die diesbezügliche Position des Lehramtes der katholischen Kirche gerecht, wie sie beispielsweise im Katechismus der Katholischen Kirche nachzulesen ist. Es ist sehr zu begrüßen, dass Papst Franziskus in seiner Sozial- und Umweltenzyklika Laudato si’ (2015) diesbezüglich längst fällige neue Akzente gesetzt hat. Es geht dabei nicht zuletzt darum, das reichhaltige biblische Erbe neu zu entdecken und fruchtbar zu machen, angefangen von der Schöpfungstheologie bis hin zur Eschatologie, d. h. der Lehre von den Hoffnungen auf Vollendung nicht nur des Menschen, sondern der gesamten Schöpfung.

Die spezifischen theologischen Fragestellungen werden im ersten (schöpfungstheologischen) sowie im vierten Teil (Schöpfungsspiritualität und Eschatologie) vertieft, während im zweiten (philosophischen) und dritten (anwendungsorientierten) Teil auf unmittelbare theologische Bezüge verzichtet wird. Der Grund hierfür liegt nicht darin, dass zwischen Theologie auf der einen und Philosophie sowie angewandter Ethik auf der anderen Seite Gräben gezogen werden sollen. Dahinter steht vielmehr die Überzeugung, dass tierethische Forderungen ohne Rekurs auf die Theologie für jeden Diskursteilnehmer nachvollziehbar und von allgemein akzeptierten Annahmen ausgehend begründet und vermittelt werden können, dass umgekehrt aber – wie auch Papst Franziskus eindringlich unterstreicht – die Glaubensüberzeugungen einen Reichtum für eine ganzheitliche Ökologie, eine tiergerechte Ethik und eine volle Entwicklung der Menschheit bieten können. Die Naturwissenschaften, die Philosophie und die Theologie nähern sich von unterschiedlichen Ansätzen aus derselben Realität und können bzw. müssen in einen intensiven und für alle Seiten produktiven Dialog treten.6

In den folgenden Abschnitten der Einleitung sollen einige Grundannahmen hinsichtlich des Menschen-, Tier- und Weltbildes aufgezeigt werden, die für das Verständnis des Buches hilfreich sind.

Der Mensch und das liebe Vieh

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