Читать книгу Tatort Bodensee: Der Fall Winterbergs - Martin Oesch - Страница 8
Von Kartoffeln und Bohnen
Оглавление»Ja so eine Sauerei!« Herbert Hutter war ehrlich empört über den Anblick, der sich ihm im ersten Stock des Museums bot. Blutspritzer auf dem weißen Boden, eine kleine rote Fußspur führte nach unten, etwas Hirnmasse trat aus der Wunde am Hinterkopf der Leiche und vermischte sich unschön mit der Blutlache.
Auch nach über 30 Jahren Polizeiarbeit war für Hutter jeder Tatort eine Störung der gewohnten Ordnung. Und wenn er etwas nicht ausstehen konnte, war es Unordnung.
»Amélie Cohen«, sagte die junge Frau an seiner Seite mit Blick auf die bizarre Szenerie. Lisa Lehmann war Hutters Praktikantin. Eine ehrgeizige und kluge junge Frau. Hutter und Lehmann waren, anders als die meisten Ermittler im Fernsehen, kein Dream-Team. Da waren nicht nur der beträchtliche Altersunterschied, er bald 60, sie knapp 30, auch optisch passten die beiden nicht zusammen. Während Hutter etwas kartoffelig aussah, war Lehmann zu groß und zu dünn und glich einer Dörrbohne. Einen ausschweifenden Hang zu Attraktivität konnte man beiden nicht vorwerfen.
»Die Kuratorin der Ausstellung, sagt der Direktor des Museums.« Lehmann deutete mit dem Kopf nach rechts. Dort saß ein älterer Mann wie ein Häufchen Elend ein wenig abseits und starrte auf den Boden, als ob es dort etwas zu entdecken gäbe. Hansueli Niedermann war ein Museumsdirektor alter Schule. Mit seinem beigen Cordanzug schien er wie aus der Zeit gefallen zu sein. Seine Gesichtsfarbe hatte inzwischen die Farbe seiner Kleidung angenommen. Hutter ließ die Kriminaltechniker in ihren weißen Overalls die Arbeit machen, trottete langsam zu Niedermann und setzte sich neben ihn. »33 Jahre alt ist sie – war sie. Und auf dem Weg nach ganz oben«, erzählte der Museumsdirektor ungefragt. »Ein Star in der Kunstszene. Das hier ist das letzte kleine Ding, das sie macht«, sagte er apathisch. »Als Nächstes wäre sie nach Basel gegangen, in die Kunsthalle: Moderne Klassiker.«
»Hm?« Hutter hörte zwar zu, schien aber in Gedanken woanders zu sein.
»Basel?«
»Nein, das andere … Dingens.«
»Moderne Klassiker?«
»Genau. Das war’s. Wie soll denn das gehen? Entweder ist was doch modern oder klassisch, also alt.«
»Tja, also das ist so. Modern meint hier …«
»Übrigens, Hutter, Kripo Thurgau. Freut mich.« Der Kommissar wollte sich mit Niedermann nicht auf eine Kunstdiskussion einlassen.
»Die Freude hält sich in Grenzen«, antwortete Niedermann wenig diplomatisch. »Eine Katastrophe ist es! Monatelang haben wir daran gearbeitet, Amélie, also Frau Cohen, und ich. Und nun das. Am Tag der Eröffnung. Ein Höhepunkt des Jahres. Wichtige Treffen mit Sponsoren, Netzwerken mit der Politik, existenziell, das Ganze!«
Vor allem für das Opfer, dachte sich Hutter. Einen Tag später ermordet wäre wohl passender gewesen.