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DER MARLIN

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AUTOR: Ernest Hemingway

TITEL: Der alte Mann und das Meer (aus dem Amerikanischen von Annemarie Horschitz-Horst)

ORIGINALFASSUNG: 1952



Der Fisch traf den Draht noch verschiedene Male, und jedesmal, wenn er mit dem Kopf stieß, gab der alte Mann ein bißchen Leine ’raus. – Ich darf seine Schmerzen nicht größer werden lassen, dachte er. Meine sind ganz egal. Meine kann ich beherrschen. Aber seine Schmerzen könnten ihn zum Wahnsinntreiben.

Die Erzählung trägt den Titel Der alte Mann und das Meer, aber eigentlich müsste sie Der alte Mann und der Marlin heißen. Mit dem Meer an sich kommt der alte Fischer Santiago nämlich ganz gut klar, das Problem ist nur, dass es relativ leergefischt ist. Und das vor sechzig Jahren, als noch nix war mit globaler Ressourcenausbeutung und Co.!

Als der alte Mann eines Tages ohne seinen jungen Freund und Helfer Manolin zum 85. Mal hinausfährt, um etwas zu fangen, begegnet er dem riesigen Blauen Marlin, auch Speerfisch genannt, »zwei Fuß länger als das Boot« oder sogar noch größer. Ein Verwandter des Schwertfisches, er hat mit diesem auch Ähnlichkeiten, aber kein spitzes, scharfes, sondern ein zylindrisches »Maul«. Mithilfe dieses Mauls frisst er tatsächlich die Ködermakrelen vom Haken ab und bleibt dann hängen.

Das ist der Beginn eines monströsen Pas de deux, eines mehrtägigen Duetts oder Duells zweier erbitterter Feinde, von denen einer den anderen aber als Freund bezeichnet, sich um ihn sorgt und dennoch sagt: »Aber ich werde ihn töten. In all seiner Größe und Herrlichkeit.«

Wenn das so einfach wäre! Viel zu schwach ist der alte Mann, zu stark der Fisch. »Fisch, du mußt sowieso sterben«, sagt er ihm. »Mußt du mich auch töten?« Der Klügere gibt nach, in diesem Fall aber weiß der Klügere, dass Nachgeben die schlechteste Lösung wäre.

Nur einmal bekommt Santiago seinen seltsamen Tanzpartner zu Gesicht, kurz vor dessen Tod: »größer als ein großes Sensenblatt und ganz hell lavendelfarben über dem dunkelblauen Wasser«. Er sieht seine violetten Streifen und die angelegte Rückenflosse und fühlt sich seinem Herzen besonders nahe. Derlei Sentimentalitäten und die faszinierende Bewunderung für den namenlosen Numinosen halten ihn aber nicht davon ab, dem Tier mit seiner Harpune, mit Müh und mit Not den Garaus zu machen. Es schreibt dies schließlich ein tougher Amerikaner der Fünfzigerjahre mitten in der Schwüle Kubas.

Tough ist auch, dass das tote Tier und all seine von Santiago im Laufe der gemeinsamen Bootsfahrt ins Treffen geführten Nährwerte schließlich den Haien anheimfallen. Der alte Fischer schläft vor Erschöpfung ein. Eine der am meisten unterschätzten Liebestragödien der Literaturgeschichte hat ein höchst unbefriedigendes Ende gefunden.

GATTUNG: Isithiophoridae

LEBENSRAUM: Atlantik

FARBE: Lavendel

GRÖSSE: zwei Fuß länger als das Boot, größer als ein großes Sensenblatt

MAUL: Speer statt Schwert

ERNÄHRUNG: Makrelen

BESTER-FREUND-DES-MENSCHEN-FAKTOR:

ARTENSCHUTZ: empfohlen

BERUF: Duetttänzer

Das Buch der Tiere

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