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Kanon der Tiere

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Die hundert Tiere zu finden, erwies sich als schwierig, aber aus anderen Gründen als zuletzt bei den Schurken: Das Kramen im eigenen Kanon brachte nicht besonders viele Exemplare hervor – vermutlich bin ich lektüretechnisch zu früh erwachsen geworden, habe also viele der klassischen Kindergeschichten übersprungen. (Gerade in Sachen Tieren ist mir einiges entgangen, als ich klein war: Meine Mutter nannte als Lieblingstier die Giraffe, weil die so weit oben ist, dass sie nichts mit ihr zu tun haben muss; vor dem Reiten hatte ich Angst, und das einzige Haustier, das ich mir – erfolglos – wünschte, war eine Schildkröte, weil ich vermutete, dass sie weniger Arbeit machte als ein Meerschweinchen.)

Ich war also besonders auf ein Crowdsourcing unter meinen hochgeschätzten und gebildeten Bekannten angewiesen, doch auch das fiel diesmal höchst unbefriedigend aus: Alle nannten gleich einmal Black Beauty, dann wussten sie nicht mehr weiter. Black Beauty!? Tatsächlich gab es vor dem Film, der offenbar die Kindheit meines gesamten Freundeskreises in verstörendem Ausmaß geprägt hat, einen didaktischen Öko-Roman von einer gewissen Anna Sewell aus dem Jahr 1877. Aus Trotz, dass meine Freunde mir keine literarisch hochwertigeren Ideen einzuimpfen wussten, sah ich über diese Stute arrogant hinweg.

Rückblickend weiß ich Folgendes über literarische Tiere: Es. Gibt. So. Viele! Pferde vor allem, Hunde, Vögel, Affen. Ich liebe Affen, ich deklariere mich hiermit als äußerst affenaffin, aber es gibt einfach so unendliche viele davon! Während ich im ersten Moment noch dachte, ich würde auch Theaterstücke und Filme »zulassen« oder die Regel »nur eine Figur pro Autor oder Autorin« aufheben müssen, stellte ich bald fest, dass allein die fiktiven Prosa-Tiere ein Vielfaches des mir zur Verfügung stehenden Umfangs füllen könnten. (Natürlich gibt es auch einige Überschneidungen zu den Schurken, weshalb ich mir ganz frech erlaubt habe, zwei von ihnen exemplarisch aus dem Vorgängerbuch in dieses zu übernehmen, einen kleinen und einen großen: den Bandwurm nach Irvine Welsh und Melvilles Moby Dick.)

Bei jedem Gang in die Bücherei, den ich unternahm, um einen bestimmten Roman zu finden, warfen sich mir fünf ganz andere Tierbücher, von denen ich noch nicht gehört hatte, vor die Füße und bettelten um meine Gunst wie junge Hunde. Wenn ich dann Radio hörte, erfuhr ich von der neuesten Neuerscheinung auf dem Belletristiksektor, die wieder einem neuen Elefanten oder Okapi in die Seele blickt. Und mein Kollege bei der Wochenzeitung Falter, Klaus Nüchtern, rief für die Literaturbeilage im Frühjahr 2017 einen animalischen Schwerpunkt aus. Es erscheint einfach ständig neues Tierisches.

Das Buch der Tiere

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