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Der Ersatzweihnachtsmann

Es war Heiligabend. Die meisten Menschen saßen jetzt in der warmen Stube unter dem Weihnachtsbaum. Die Kinder packten die Geschenke aus und die Erwachsenen genossen bei Glühwein und Gebäck die anheimelnde Stimmung.

Der Zugbegleiter, Markus Müller, ein Eisenbahner mit Leib und Seele befand sich mit seinem Zug auf der Fahrt nach Garmisch. Es saßen nur noch zehn Reisende im Zug. Auch Markus Müller würde, wenn er am Zielbahnhof angekommen war, Feierabend machen. Er hatte seit dem Tod seiner Frau die Freude an diesem Fest verloren. Deshalb ließ sich der 55-Jährige schon seit Jahren an Heiligabend für die Spätschicht einteilen.

Es hatte den ganzen Tag geschneit und der Schnee hatte sich wie dicker Zuckerguss über die Landschaft gelegt. Die Straßen hatten sich in Rutschbahnen verwandelt. In Oberau stieg nur ein Fahrgast ein. Es war ein Weihnachtsmann. Er begrüßte den Zugbegleiter mit einem „Fröhliche Weihnachten“. Markus Müller erwiderte den Gruß und plauderte nach der Abfahrt ein wenig mit dem Weihnachtsmann. Dieser hatte seine Arbeit fast vollständig erledigt und der Sack mit den Geschenken war leicht. Eine Familie wollte er noch besuchen, bevor auch für ihn Feierabend war.

Der Zug fuhr in Garmisch ein. Der Zugbegleiter verabschiedete sich von seinen Fahrgästen. Der Zug hielt, die Türen gingen auf und der Weihnachtsmann, dessen langer Mantel sich in der Tür verfangen hatte, stürzte zu Boden. Schnell war Markus bei ihm. Er befreite ihn und versuchte, ihm aufzuhelfen. Aber der Weihnachtsmann stöhnte bei der kleinsten Bewegung und klagte über Schmerzen im Bein. Der Zugbegleiter besah sich das Ganze und entschied, einen Notarzt zu rufen. Als dieser eintraf, hatte Herr Müller schon die Erstversorgung übernommen. Der Notarzt lobte die Arbeit und stellte dann fest: „Der Knöchel ist wahrscheinlich gebrochen. Sie müssen sofort in die Klinik.“

Jetzt traten dem Weihnachtsmann die Tränen in die Augen. Er flüsterte dem Zugbegleiter, der die ganze Zeit bei ihm geblieben war, zu: „Eine Familie in der Herbststraße muss ich noch besuchen. Die Kinder warten doch sehnsüchtig auf den Weihnachtsmann.“ Bittend sah er den Eisenbahner an: „Ich weiß, es ist viel verlangt, aber könnten nicht Sie vielleicht?“

Markus Müller schüttelte den Kopf. „Nein, das geht auf gar keinen Fall. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.“ Heftig schüttelte er den Kopf. Der Weihnachtsmann startete noch einen Versuch und der Zugbegleiter merkte, wie schwer ihm das Sprechen fiel.

„Es sind meine eigenen Enkelkinder. Lea ist fünf Jahre alt und sitzt im Rollstuhl und Mark ist vier. Sie freuen sich so sehr auf den Weihnachtsmann.“

Dem flehenden Blick des Weihnachtsmannes hatte Markus nichts entgegenzusetzen und er fragte: „Wie ist die Adresse und was soll ich sagen?“

Überglücklich drückte ihm der Weihnachtsmann die Hand. Er erklärte ihm alles. Zu guter Letzt kam der Weihnachtsmann in den Krankenwagen und der Zugbegleiter stand mit dem Kostüm, dem goldenen Buch der guten Taten und den Geschenken da. Markus gab sich einen Ruck und machte sich auf den Weg. Bis er die Herbststraße erreichte, überlegte er, was er sagen sollte. Und dann erinnerte er sich an ein Weihnachtsfest, als er selbst fünf oder sechs Jahre alt gewesen war. Damals besuchte ihn der Weihnachtsmann. Nun wusste er, was zu tun war. Er klingelte. Eine blasse Frau Mitte dreißig öffnete die Tür und blickte ihn erstaunt an.

„Ich bin der Ersatzweihnachtsmann“, flüsterte Markus und erklärte ihr die näheren Umstände. Die Frau führte ihn ins Wohnzimmer, in dem die beiden Kinder mit ihrem Vater unter dem Weihnachtsbaum saßen und warteten. Als sie den Weihnachtsmann erblickten, lief Mark ihm entgegen und Lea streckte ihm die Hände entgegen. Mit tiefer Stimme begrüßte er sie und fragte, ob sie das ganze Jahr artig waren. Er schlug sein großes goldenes Buch auf und las die guten Taten und ihre Streiche vor. Zum Schluss sangen die Kinder für ihn Oh Tannenbaum. Markus wurde ganz warm ums Herz und schnell verteilte er die Geschenke. Auch für die Eltern waren kleine Päckchen dabei. Die Geschwister öffneten ihre Pakete und freuten sich riesig über einen Bulldog-Spielzeugtraktor und eine Barbie. Sie drückten den Weihnachtsmann und wollten ihn nicht wieder loslassen. So kam es, dass der Weihnachtsmann die Einladung der Eltern annahm und zum Abendessen blieb. Zum Abschied gab ihm Lea einen Kuss und sagte: „Jetzt weiß ich, dass es doch einen Weihnachtsmann gibt. Letztes Jahr glaubte ich schon, es sei unser Opa gewesen.“

Glücklich und mit einem wunderbaren Gefühl der Freude ging der Ersatzweihnachtsmann nach Hause. Er öffnete die Tür und sah seine Wohnung mit anderen Augen. Gleich morgen wollte er auch hier für eine weihnachtliche Dekoration sorgen, so wie seine Frau das früher immer getan hatte. Am 1. Weihnachtsfeiertag besuchte er den Weihnachtsmann im Krankenhaus und brachte ihm das Kostüm zurück. Als ihn dieser nach dem gestrigen Abend fragte, berichtete Markus wahrheitsgemäß von dem schönen Gefühl, Freude zu schenken. Geheimnisvoll lächelte der Weihnachtsmann und flüsterte ihm etwas zu. Welche Worte das waren, bleibt ein Geheimnis. Aber eines steht fest, im nächsten Jahr gibt es in Garmisch an Heiligabend einen freiwilligen Zugbegleiter weniger für eine Spätschicht.

Sabine Siebert wurde 1963 geboren. Sie ist verheiratet, wohnt in Altomünster und arbeitet als Eisenbahnerin. Sie veröffentlichte bereits in der Augsburger Zeitung (Poldine muss zum Arzt) und schrieb eine Kurzgeschichte für eine Anthologie.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 8

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