Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 8 - Martina Meier - Страница 8
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Lumi bedeutet Rettung
Lumi war, wie ihr Name schon sagte, eine Schneefee, denn Lumi bedeutete Schnee. Sie lebte im Norden Finnlands, dort, wo der Weihnachtsmann sein Reich hatte. Das Gerücht, dass der Weihnachtsmann am Nordpol lebte, war gestreut worden, um Schaulustige fernzuhalten. Es war anstrengend, wenn man immer bei seiner Arbeit unterbrochen wurde, weil sich wieder jemand durch die Sicherheitssysteme gemogelt hatte. Die wirklichen Kenner wussten jedoch, dass der Weihnachtsmann in der Nähe Rovaniemis lebte. Dort war es auch viel schöner als am Nordpol.
Die kleine Schneefeedame zupfte ihr Kleid zurecht. Es war weiß wie der Schnee, wie sollte es auch anders sein. Lumis Haut war ebenso hell und hatte die Farbe von Milch. So gehörte es sich auch für eine anständige Schneefee. Sie sollten im Schneegestöber nicht gesehen werden, sondern unauffällig wie der Wind dorthin treiben, wo noch Schnee benötigt wurde. Lumi war jedoch anders als andere ihrer Art: Sie hatte rabenschwarzes Haar, das ihr weit in den Rücken fiel. Warum sie so anders war, konnte keiner sagen, nicht einmal der Weihnachtsmann. Ihre Familie liebte sie, das wusste sie. Sie musste auch keinen Spott ertragen, alle waren lieb und freundlich zu ihr, aber sie konnte ihre Aufgabe nicht so erfüllen, wie sie es sollte. Sie durfte nur in Gebiete, wo keine Gefahr bestand, dass ein Mensch sie sah. Aber sie war schon froh, dass sie überhaupt etwas zum Schneegestöber beitragen durfte, denn es war ihr sehr wichtig, dass sie niemandem zur Last fiel.
Heute war sie tief in der finnischen Tundra im Einsatz. Sie lockte den Schnee zu sich, beschwor ein richtiges Schneegestöber herauf. Es fühlte sich gut an. Die Schneeflocken umtanzten sie und gemeinsam sangen sie ihr Lied des Winters. Lumi lachte glücklich auf, denn nur mit dem Schnee fühlte sie sich wirklich froh. Ein einzelner Schneekristall landete auf ihrer Hand, kicherte leise und ließ sich dann weitertreiben. Einer ihrer Verwandten hatte am Tag zuvor bereits gute Arbeit geleistet, aber Lumi schaffte es, die Landschaft wirklich zu verzaubern. Sie gehörte zu den talentierten Schneefeen, aber sie blieb bescheiden, war einfach nur dankbar, dass sie Teil des großen Ganzen sein durfte.
Plötzlich hörte sie Stimmen. Wie konnte das sein? Hier sollten keine Menschen sein, denn sie war hier und durfte nicht gesehen werden. Ein wahrer Schneesturm entstand. Lumi spitzte die Ohren und versuchte, die Stimmen zu verstehen. Sie musste sich konzentrieren, aber es klappte ganz gut. Schnell wurde klar, die Menschen wollten nicht hier sein. Sie hatten sich verlaufen und der Schnee machte alles nur noch schlimmer. Seit Stunden irrten sie durch die Gegend und waren langsam aber sicher am Ende ihrer Kräfte.
Lumi konnte nicht zulassen, dass sie hier draußen starben. Sie befahl dem Schnee, innezuhalten. Das allein reichte jedoch nicht. Egal, in welche Richtung man schaute, alles war weiß. Sogar der Himmel hob sich kaum von der verschneiten Erdoberfläche ab. Die Menschen würden immer noch nicht wissen, in welche Richtung sie laufen mussten, um wieder in bewohntes Gebiet zu kommen. Einen Moment blieb sie unschlüssig in der Luft schweben, die weißen Flügel schlugen aufgeregt, dann aber hatte sie ihre Entscheidung getroffen. Als Schneefee durfte sie nicht gesehen werden, aber noch weniger durfte sie zulassen, dass Menschen ums Leben kamen in einer Situation, in der sie gar nicht sein sollten.
Entschlossen flog sie zu den drei Personen. Es war ein Mann mit zwei Kindern, ein Mädchen und vermutlich ihr kleiner Bruder.
Es war das Mädchen, das Lumi entdeckte und aufgeregt mit dem Finger auf sie deutete. „Schaut! Da vorn!“
Die Schneefee war zufrieden, sie war gesehen worden und konnte damit beginnen, die drei Menschen aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Sie nahm keinen Kontakt auf, sondern schwebte einfach vor ihnen her, wies ihnen so den Weg. Tatsächlich folgten sie ihr. Vielleicht waren sie mittlerweile so verzweifelt, dass sie alles gemacht hätten, um sich zu retten. Ihr schwarzes Haar, welches sonst ein Problem war, war nun die Lösung der schlimmen Situation, denn es hob sich von der weißen Umgebung ab. Sie achtete darauf, dass die Menschen hinterherkamen. Sie sanken tief in den Schnee, aber sie hatten neue Hoffnung geschöpft. Das war gut.
Nach gefühlten Stunden kamen sie zu den ersten Häusern eines Dorfes. Jetzt konnte Lumi die Menschen ohne Sorge allein lassen. Sie würden es schaffen. Die kleine Schneefee flog schnell davon, aber nicht allzu weit, denn die wollte ganz sicher sein, dass nicht noch etwas passiert.
Ob sie Ärger bekam, weil sie sich einem Menschen gezeigt hatte? Es war durchaus denkbar, aber der Weihnachtsmann beschenkte die Menschen, da würde er sicher nicht wollen, dass ihnen etwas passierte.
Am nächsten Tag war Heiligabend. Welch ein Unglück wäre es gewesen, wenn den dreien so kurz vor diesem Tag etwas Schlimmes passiert wäre. Sie hatte richtig gehandelt, dessen war sie sich sicher. Es konnte nicht falsch sein, anderen zu helfen, selbst wenn dafür Grenzen übertreten werden mussten.
Eine einzelne Schneeflocke fiel vom Himmel, verfing sich in Lumis Haar und konnte sich so an ihre Wange schmiegen. Die Schneefee lächelte. Der Schnee gehörte einfach zu ihr, war ihr Freund, ihr treuer Begleiter.
Die Menschen waren fast an ihrem Ziel angekommen, standen vor der Tür eines Hauses und warteten, dass sie eingelassen wurden. „Was war das für ein Wesen, Vater?“, fragte das Mädchen, sah zu ihrem Vater auf.
Er lächelte erschöpft, aber mit deutlicher Erleichterung, dass sie endlich ins Dorf gefunden hatten. Der Schneesturm hatte sie überrascht. „Ich weiß es nicht, meine Kleine, aber es war unsere Rettung“, sagte er.
Die Tür ging auf. Eine Frau mit einem Baby auf dem Arm öffnete sie, sie sah besorgt aus, aber als sie sah, wer da stand, könnte ihre Erleichterung nicht größer sein. Tränen standen in ihren Augen.
Lumi strahlte. Sie war die Rettung für diese Menschen gewesen und das, obwohl sie sich sonst vor ihnen versteckt halten musste. Es war richtig gewesen, was sie getan hatte, das war ihr von Anfang an klar gewesen. Heute hatte ihr Anderssein drei Menschen das Leben gerettet.
Fröhlich flog sie davon, Schneeflocken umspielten sie und die Schneefee tanzte mit ihnen. Wenn sie sich drehte, entstand ein Schneewirbel, aber das machte nichts, denn jetzt war keiner mehr da, der in Gefahr geraten konnte.
Wieder vom Dorf entfernt in der kahlen Tundra Finnlands entstand ein richtiger Schneesturm, weil Lumi so ausgelassen mit ihren Freunden, den Schneeflocken, tanzte. Sie sangen das Lied des Winters zusammen, ließen die Melodie durch die Landschaft fließen und verzauberten sie so. Es war reine Glückseligkeit, die Lumi durchfloss.
Lumi hieß nicht nur Schnee, sondern für sie bedeutete nun auch Rettung.
Sabine Mahlich wurde 1990 in Leonberg geboren. Sie studierte Germanistik auf Bachelor und Master. In ihrer Freizeit schreibt sie gerne Geschichten, spielt Klarinette und hört Musik.