Читать книгу Die Krimizimmerei - Martina Meier - Страница 15
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Die verschwundene Zeugin
Es war 11:00 Uhr abends. Ich konnte nicht einschlafen. Plötzlich hörte ich einen lauten Schrei aus dem Nachbarhaus. Ich erschrak fürchterlich, doch ich war zu neugierig, um einfach weiter im Bett liegen zu bleiben. Deshalb stand ich auf und schaltete die Nachttischlampe an. Vorsichtig schaute ich aus dem Fenster und konnte draußen einen Lichtkegel erkennen, der von einer Taschenlampe stammte. Er leuchtete hin und her, doch dann hielt er plötzlich inne und leuchtete direkt in meine Richtung. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche Angst ich hatte! Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich war ganz starr vor Schreck. Doch trotzdem schaffte ich es irgendwie, die Polizei zu rufen.
Kurze Zeit später ertönte ein Martinshorn. Doch sie waren zu spät. Die unbekannte Person mit der Taschenlampe war natürlich sofort abgehauen, als sie die Sirene gehört hatte. Sie hatte ein Auto am Straßenrand geparkt, in das sie reingesprungen und davongebraust war. Blöderweise war es zu dunkel und ich konnte das Kennzeichen nicht erkennen. Nur eines wusste ich: Das Auto war ein roter Porsche gewesen.
Ich begleitete die Polizeibeamten zum Tatort und erzählte ihnen, was ich beobachtet hatte. Die Haustür war aufgebrochen und überall lagen Glasscherben. Die Polizisten fanden davor Fußabdrücke, währenddessen untersuchten die anderen das Haus von innen. Im Wohnzimmer entdeckten sie eine blutige Leiche. Ich schwankte. Schnell hielt ich mich an einem Regal fest, um nicht umzukippen. Meine Knie zitterten und ich wurde blass im Gesicht. Ein Polizist hatte bemerkt, dass es mir nicht gut ging, und brachte mich zurück nach Hause.
Am nächsten Morgen trat ich heftig in die Pedale. „Nur noch ein paar Meter“, murmelte ich. Endlich, ich war da! Vor mir stand ein großes Backsteingebäude mit vielen Türmen, die hoch in die Luft ragten. An der Seite stand ein Schild: Bergschule.
Ich schob mein Rad zu den Fahrradständern und wollte es anschließen. „Wo ist denn jetzt mein Fahrradschlüssel?“, fragte ich mich halblaut und wühlte in der Tasche. In diesem Moment ertastete ich etwas aus Metall. Ich zog den Gegenstand aus der Tasche und atmete erleichtert auf. Mein Fahrradschlüssel war ganz nach unten in die Tasche gerutscht. Als ich endlich das Rad angeschlossen hatte, ging ich in das Gebäude hinein und dann die vielen Treppen nach oben. Ich stöhnte laut, als ich endlich oben angekommen war. Danach klopfte ich an einer der Holztüren.
Ich lauschte. Keine Antwort. Alles still.
Langsam drückte ich die Klinke herunter. Ich sah einen großen Raum mit vielen Tischen und Stühlen. Aus den Fenstern konnte man die riesengroße Schulwiese sehen. Hinter dem Pult stand eine Tafel und an den Wänden hingen bunte Bilder. Das war der Klassenraum der 8a. Ich setzte mich auf einen der Stühle und schaute auf die Uhr. „Gleich 8 Uhr“, dachte ich.
Immer mehr Kinder strömten in die Klasse. Es gongte, aber statt Frau Andersen kam der Direktor rein und ging nach vorne zum Pult. Er räusperte sich. Augenblicklich wurde es mucksmäuschenstill. „Wie ihr bedauerlicherweise wisst, ist eure Klassenlehrerin Frau Andersen vor Kurzem verstorben. Die Polizei ermittelt noch“, meinte der Direktor.
Ein Raunen ging durch die Klasse, manche schauten erschrocken und andere verängstigt. Nur ich wusste genau, wovon er sprach. Der Direktor redete weiter: „Deshalb bekommt ihr einen neuen Klassenlehrer. Darf ich vorstellen? Herr Rötke.“
Die Tür öffnete sich und ein blasser Mann mit einem schwarzen Anzug kam herein und stellte sich neben den Direktor. Streng schaute er sich im Klassenzimmer um und musterte die Schüler. Als er mich anblickte, zog er eine Augenbraue hoch. Ich wurde knallrot, denn ich hatte heute Morgen in der Aufregung ganz vergessen, meine Schuluniform anzuziehen. Stattdessen hatte ich einen einfachen Pulli mit einer Jeans angezogen. Nach einer Weile verabschiedete sich der Direktor und wir blieben mit unserem neuen Klassenlehrer zurück.
„Schlagt bitte im Mathebuch die Seite 104 auf“, sagte Herr Rötke.
Nach einem anstrengenden Schultag ging ich nach Hause und machte meine Hausaufgaben. Da fiel mir plötzlich ein, dass ich noch meine Zeugenaussage auf dem Polizeipräsidium machen musste. Also machte ich mich auf den Weg dorthin. Dort wurde ich gleich von einem Kommissar mit vielen Fragen bombardiert, die ich nicht wirklich beantworten konnte.
Auf dem Rückweg musste ich durch eine dunkle, verlassene Gegend, wo jede Menge Zigaretten und anderer Müll herumlagen, doch plötzlich raschelte es in einem Gebüsch. Ich hielt die Luft an. Dann fragte ich verängstigt: „Ist da jemand?“
Das Rascheln verstummte. In diesen Moment ertönte ein gehässiges Gelächter.
„Jetzt reicht es mir!“, schrie ich dem Gebüsch entgegen. „Zeigen Sie sich oder ich rufe die Poli...!“ Weiter kam ich nicht, denn eine vermummte Gestalt sprang aus dem Gebüsch und stürzte sich auf mich. Die Gestalt fesselte mich und stopfte mir einen Knebel in den Mund. Ich bekam keine Luft mehr und selbst wenn, konnte ich jetzt keinen einzigen Ton herausbringen. Danach wurde ein Sack über mich gestülpt und die vermummte Gestalt trug mich zu einem Auto. Es war stockdunkel in dem Sack und ich wurde hin- und hergeschleudert. Die Gestalt packte mich in den Kofferraum des Autos und fuhr los.
Mama wurde langsam unruhig. Sie hatte schon seit Stunden versucht, mich auf meinem Handy zu erreichen, aber immer ging nur der Anrufbeantworter an. Sie probierte es noch einmal.
„Tut, tut, tut … Ihr Gesprächsteilnehmer ist zurzeit leider nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es ein anderes Mal.“
„Da stimmt doch was nicht“, murmelte Mama, „Sophie wollte doch nur ihre Zeugenaussage machen, aber das dauert doch nicht zwei Stunden.“
Papa versuchte, sie zu beruhigen: „Bestimmt kommt sie gleich.“
In diesem Moment klingelte das Telefon. Mama nahm ab: „Hallo, Andrea Schulze am Telefon, wer sind Sie?“
Eine tiefe Stimme sprach: „Wenn Sie Ihre Tochter wiedersehen wollen, müssen Sie 100 000 Euro zahlen.“
Mama wurde blass. „Die Übergabe ist morgen um 11:00 Uhr vor der alten Fabrik und keine Polizei, sonst werden Sie Ihre Tochter nie wieder sehen, verstanden?“
Mama flüsterte leise: „Ja.“
Dann legte die Person am anderen Ende der Leitung auf. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum und sie hatte große Angst um mich.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Papa besorgt. „Und wer hat überhaupt angerufen?“
Mama fing an zu weinen: „Sophie wurde entführt und wir sollen 100 000 Euro bezahlen!“
Papa war starr vor Schreck. „Was?“, fragte er entsetzt.
„Und das bis morgen“, ergänzte Mama.
In derselben Zeit saß ich eingesperrt in einer alten Garage, die sich auf einer verlassenen Baustelle befand. Ich schluchzte, Tränen rannen über meinen Wangen. Der Entführer hatte mich aus dem Sack gelassen und den Knebel aus meinem Mund genommen. Nun hockte ich einsam und allein in einer Ecke der Garage.
„Schreien ist zwecklos! Hier ist weit und breit kein einziger Mensch!“, rief mir der Entführer entgegen und schloss die Garagentür ab. Plötzlich fiel mir ein, dass ich die Stimme irgendwoher kannte, aber woher? Da fiel es mir wieder ein …! Aber warum hatte er das getan?
Im gleichen Moment beschlossen meine Eltern, die Polizei zu informieren, obwohl das strengstens verboten war. Aber sie sahen keine andere Lösung, wie sie so viel Geld in dieser kurzen Zeit auftreiben sollten. Deshalb griff Papa zum Telefon. Nach wenigen Minuten kam die Polizei und sie heckten zusammen einen Plan aus.
Der Abend kam und es wurde immer dunkler, nur ein leichter Lichtstrahl schien durch den Türspalt hindurch. Mir war kalt und ich hatte Hunger und Durst. Spinnen krochen über die Wände und ich hörte lautes Rascheln, das von Ratten kam. Das war sehr unheimlich, aber irgendwann schlief ich trotzdem ein.
Am nächsten Tag wurde ich unsanft aufgeweckt, in dem mir ein Knebel in den Mund gesteckt wurde, ein Sack über den Kopf gezogen und in den Kofferraum gebracht wurde. Ich hatte panische Angst! Die Übergabe ging los …
Mama und Papa fuhren ebenfalls los, nach einer Weile sahen sie die alte Fabrik. „Hoffentlich geht es Sophie gut“, dachte Mama. Dann parkten meine Eltern auf einem Parkplatz, der neben der Fabrik lag. Sie stiegen aus und gingen einen Kiesweg entlang. Schließlich bogen sie nach rechts ab. Vor ihnen stand die alte Fabrik: Sie war ganz heruntergekommen und sah so aus, als würde sie jeden Moment umkippen. An allen Seiten war sie mit Graffiti besprüht, deshalb konnte man nicht erkennen, welche Farbe sie früher hatte. An einer Engelsstatue, die vor der Fabrik stand, blieben Mama und Papa stehen. Sie schauten sich um, ob jemand sie beobachtete, aber es waren nur die Polizisten, die sich rund um den Übergabeort versteckt hatten. Als meine Eltern sich sicher waren, dass niemand anderes sie beobachtete, zog Papa einen weißen Briefumschlag aus seiner Brieftasche. Er steckte diesen in die Hand des Engels, blickte sich noch einmal um und verließ schweigend mit Mama das Gelände.
Endlich war es soweit. Um 11 Uhr kam ein Mann den Kiesweg entlang. Er war sehr blass und trug einen schwarzen Anzug. Der Mann steuerte genau auf die Engelsstatue zu. Davor blieb er stehen und nahm dem Engel den weißen Briefumschlag aus der Hand. Er öffnete ihn und lugte hinein. Dort drinnen lagen viele Geldbündel, aber es waren gefälschte. Der Mann grinste zufrieden, anscheinend hatte er es nicht bemerkt. Schnell machte er den Briefumschlag wieder zu und wollte sich aus dem Staub machen, doch kaum hatte er einen Schritt gemacht, sprangen die Polizisten aus den Verstecken und umzingelten ihn.
Der eine Polizist legte dem verdatterten Mann Handschellen um: „Sie kommen jetzt bitte mit aufs Polizeipräsidium.“
Der Mann stammelte: „Ich habe doch nichts getan!“
„Jaja“, meinte der Polizist nur und fragte: „Wo ist Sophie Schulze?“
Da sah der Mann endlich ein, dass er keine Chance mehr hatte. Er seufzte und sagte: „Sie ist im Auto.“ Als der Mann dem Polizisten das Auto beschrieben hatte, wurde er mit einem Streifenwagen zum Präsidium gefahren. Die anderen Polizisten hatten sich in der Zwischenzeit auf die Suche nach dem roten Porsche gemacht und fanden ihn am Straßenrand. Sie durchsuchten das ganze Auto und fanden mich schließlich im Kofferraum. Die Polizisten nahmen den staubigen Sack herunter und den Knebel aus dem Mund. Danach durchschnitten sie meine Fesseln und fragten, ob es mir gut ginge. Ich war so erleichtert, dass sie mich gefunden hatten, und vergaß dabei, auf die Frage zu antworten. Dann brachten sie mich wieder nach Hause zu meinen Eltern.
Am nächsten Morgen wachte ich verschlafen auf. Ich ging hinunter zu meinen Eltern und setzte mich an den Esstisch. „Guten Morgen“, sagte ich und gähnte. Gestern hatte ich meinen Eltern noch lange erzählt, was alles passiert war und wir waren fast die ganze Nacht wach geblieben. Ich nahm die Zeitung und blätterte darin herum. Plötzlich erstarrte ich:
Lang gesuchter Verbrecher gefasst
Eine Lehrerin aus der Bergschule ist einem Heiratsschwindler auf die Spur gekommen, dafür musste Sie mit ihrem Leben bezahlen. Herr R. hat bei der Frau A. kein Geld im Haus gefunden, deshalb ist er auf die Idee gekommen, das Nachbarkind Sophie S. zu entführen und Lösegeld zu fordern. Bei der Übergabe hat die Polizei ihn festgenommen und das Kind wurde wohlbehalten zu den Eltern zurückgebracht.
F. Schreber
Amalya, 11 Jahre, aus Reinbek bei Hamburg, Deutschland